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Mammutprozess gegen Tierschützer mit lautem Auftakt

Österreich
02.03.2010 18:21
Kirtagsstimmung vor dem Wiener Neustädter Landesgericht am Tag eins des Tierschützerprozesses. Trommelwirbel, laute Parolen, Schweineköpfe, der „Staatsanwalt“ als lebende Karikatur. Fast käme Feststimmung auf – wenn nicht hinter den ehrwürdigen Mauern gar Ernstes „zu besprechen“ wäre...

Elf Männer und zwei Frauen (vertreten von den Anwälten Stuefer, Traxler, Bischof, Dohr und Karl) haben sich wegen der Bildung zur kriminellen Vereinigung zu verantworten. Und zwar bis weit in den Juni hinein. Staatsanwalt Wolfgang Handler beginnt um 9.30 Uhr sein Plädoyer. Zeitgleich heben (mehr als hörbar im Saal) draußen Sprechchöre, Trommeln und Gesänge an.

Und so muss er laut werden, der Ankläger, und erklärt eineinhalb Stunden, was, zumindest aus seiner Sicht, Sache ist: Die 13 Tierschützer (allen voran Martin Balluch, im Bild) hätten intensive Kontakte zur Szene in Großbritannien gepflegt. Einer militanten Front, die sich durch Tausende Attentate in den letzten 20 Jahren den Ruf der terroristischen Vereinigung beim FBI holte.

Jahrelange Lauschangriffe der SOKO
Jahrelange Lauschangriffe und penible Recherchen einer eigenen SOKO lassen ihn darauf schließen, dass die 13 – zumindest als Strategen und Vordenker – in Zusammenhang mit Buttersäureattentaten auf Pelzfirmen, Sabotageakten und mentalem Druck auf Unternehmen gebracht werden müssen.

Beispiele: Gegen die Firma Peek & Cloppenburg wurden insgesamt 1.500 Aktionen geführt. In Österreich und Deutschland. Das Grab des Firmengründers wurde mit Farbe beschmiert, es gab Bombendrohungen – bis der Konzern klein beigab und Pelze aus dem Angebot nahm.

Standhafter zeigte sich Kleiderbauer: Trotz Demos, Sachbeschädigungen in Hunderttausenderhöhen, trotz massiven Drucks und persönlicher Attacken gegen Angestellte weigerte sich die Firma, dem Druck nachzugeben.

Schweine und Nerze befreit
Auch andere Firmen wurden massiv unter Druck gesetzt. Auf eine Eierfarm wurde ein Brandanschlag verübt, eine Daunenfirma brannte vollständig nieder. Schweine und Nerze wurden befreit, Jagdvolieren zerstört, Hochstände niedergesägt.

Eineinhalb Stunden spricht der Staatsanwalt. Aber in seinem Vortrag wird keines der Verbrechen einem der Angeklagten zugeordnet. Die konkreten Vorwürfe sind ganz andere: Verfassen von Bekennerschreiben, Motivation zur Aktion, Verschlüsselungscodes für Computer sollen erstellt worden und Grillpartys zum internationalen Austausch mit militanten Tierschützern veranstaltet worden sein.

Martin Balluch: „Ich wundere mich über diese Anklage. Wie können wir eine kriminelle Organsiation sein, wenn ich fünf der Mitangeklagten gar nicht kenne?“

Die Anwälte sprechen unisono vom „Übers-Ziel-Schießen der Justiz“, indem sie den sogenannten Mafiaparagrafen „bemüht“. Ab Donnerstag beginnen die Einvernahmen der Angeklagten, die sich allesamt nicht schuldig bekennen.

von Susi Hauenstein, Kronen Zeitung

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