Monsterprozess

13 Tierschützer stehen ab Dienstag vor Gericht

Niederösterreich
27.02.2010 16:31
Ab Dienstag wird es im Landesgericht Wr. Neustadt rundgehen. Wohl selten war in den vergangenen Jahren ein Prozess von so vielen Emotionen begleitet, wie es der gegen 13 Tierschützer sein wird. Vorgeworfen wird ihnen unter anderem Bildung einer kriminellen Organisation, schwere Sachbeschädigung und Nötigung. Strafrahmen: bis zu fünf Jahre Haft.

Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt nahm am 21. Mai 2008 zehn Aktivisten des Vereins gegen Tierfabriken in Untersuchungshaft. Buttersäureattentate, Bombendrohungen etc. Die Serie der Vorwürfe war spektakulär, die aufgelisteten Fälle muten fundamentalistisch an. Martin Balluch, Obmann des Vereins, trat im Gefängnis für 39 Tage in Hungerstreik: „Niemand wollte mir sagen, warum ich überhaupt festgenommen worden war, nachdem mich die Polizei mitten in der Nacht in meiner Wohnung überrascht, nackt an die Wand gestellt und mit Waffen bedroht hatte.“

Nach 105 Tagen in U-Haft alle freigelassen
Nun liegen die Ergebnisse einer eigens gegründeten SOKO auf dem Tisch, besser gesagt festgemeißelt in einer Monsteranklage. Unter anderem wirft man den Angeklagten vor, zumindest als Initiatoren an Buttersäureattentaten auf Gasthäuser, die das traditionelle Martinigansl anboten, fungiert zu haben. Oder an den Farb- und Lackbombenüberfällen auf das Auto des Chefs einer Bekleidungskette beteiligt gewesen zu sein. In welcher Form, soll in dem Prozess geklärt werden, der zumindest bis weit in den Sommer dauern dürfte. Mehr als hundert Zeugen hat die Staatsanwaltschaft geladen, die Tierschützer wollen ihrerseits mit ebenso vielen Entlastungszeugen aufwarten.

Balluch: „Wir sind weder militant noch kriminell. Wir versuchen, bei der Bevölkerung ein Umdenken zu erwirken. Da wir kein Geld für werbeträchtige Plakate haben, gehen wir selbst auf die Straße. Ich kann darin keine kriminelle Organisation sehen.“

Bei Prozessbeginn am Dienstag wird enormer Andrang erwartet. Verfahrensbeobachter brauchen eigene Akkreditierungen, auch um im Gericht keine „farbträchtigen Aktionen“ und ungebührliche Sympathiebekundungen zu riskieren.

Grüne wollen Beaobachter entsenden
"Dass jetzt Mitglieder von Tierschutz-NGOs sich nach dem Antimafiaparagrafen verantworten müssen, macht misstrauisch", beurteilte der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser die bisherige Vorgangsweise von Justiz und Polizei kritisch. Wichtig sei für ihn, dass "der Prozess fair abläuft und den Tierschützern eine reale Chance gegeben wird, ihre Unschuld zu beweisen", sagte er am Sonntag. Die Grünen wollen während des gesamten Prozesses einen Beobachter entsenden.

Als "empörend" empfindet Steinhauser den Umstand, dass die Angeklagten noch immer keine volle Akteneinsicht erhalten haben. "Nach wie vor wird die Einsicht in einen Teil der Polizeiakten verweigert. Das ist rechtsstaatlich untragbar und durch nichts zu begründen. Steinhauser hat dies in einer parlamentarischen Anfrage an Justizministerin Claudia Bandion-Ortner und Innenministerin Maria Fekter (beide ÖVP) thematisiert, aber bis dato noch keine Antwort erhalten.

Niemand bekommt "verlorene Zeit abgegolten"
Der für sechs Monate angesetzte Prozess werde laut Steinhauser "für alle Beteiligten zur Belastungsprobe". "Die Angeklagten werden in dieser Zeit nicht arbeiten können. So etwas ist ruinös. Selbst bei einem Freispruch bekommt niemand die verlorene Zeit abgegolten", sieht der Grüne Justizsprecher auch die Begleitumstände kritisch.

von Susi Hauenstein, Kronen Zeitung und noe.krone.at

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