Roche-Verfilmung

“Schoßgebete”: Sex, Spleens und Schuldgefühle

Kino
17.09.2014 15:33
Kinder, Küche, Puff: In Sönke Wortmanns Bestseller-Verfilmung "Schoßgebete" (Kinostart: 19. September) spielt Lavinia Wilson eine sexfixierte Frau mit Seelenknick, die es allen recht machen will.

Perfektionismus stresst. Und weiblicher Perfektionismus geht manchmal ins Uferlose. Elisabeth Kiel, Heldin in Charlotte Roches delikatem Bestseller "Schoßgebete", der recht ungeniert auf deren Debütroman "Feuchtgebiete" folgte, will perfekte Mutter, verständnisvolle Ehefrau und sinnliche, tabubefreite Liebhaberin sein. Fakt ist: Es sind der Fliehkräfte viele, die am modernen, aufgeschlossenen Individuum zerren.

Sex als Lebenselixier
Elisabeth ist Anfang 30, geschieden und wiederverheiratet - und Sex ist ihr Lebenselixier. Nonchalant weiß sie Biokost und Bordellbesuche mit ihrem Mann auf die Reihe zu kriegen. Auch lernen wir sie gleich in der Ehesex-Ouvertüre als unverkrampfte Bett-Akrobatin kennen. Und vitalisierende Besuche im Sexshop auf der Suche nach neuem Erotikspielzeug sind für die Eheleute kein ungewöhnlicher Zeitvertreib.

Dass die pikante Sexfixierung der jungen Frau eine Familientragödie übertüncht, weiß der geneigte Leser des Romans "Schoßgebete". Der Tod ihrer drei Halbgeschwister, die bei einem Verkehrsunfall auf dem Weg zu Elisabeths Hochzeit ums Leben kamen, ist verstörende, nie verwundene Lebenszäsur.

Lavinia Wilson, die zweisprachig in München aufwuchs als Tochter eines amerikanischen Anthropologen und einer deutschen Politologin, gibt dieser Figur Kontur. Wilson: "Vielleicht narkotisiert Sex ja unsere Ängste. Für Elizabeth ist Sex jedenfalls ein Mittel der Angstbewältigung, auch wenn sie ihr Neurosengärtlein mit Hilfe einer Therapeutin regelmäßig beackert." Wie hat sie sich auf diesen Part vorbereitet? Wilson: "Voller Neugier! Diese Rolle war für mich ein absoluter Glücksfall. Dieses Sich-Ausprobieren-Dürfen... Außerdem lieferte die Romanvorlage von Charlotte Roche den perfekten Subtext auf einem Silbertablett."

"Fast-Flirt mit dem Pornographischen"
Sönke Wortmann, der durch Filme wie "Der bewegte Mann" oder "Das Wunder von Bern" bekannt wurde und hier nun Regie führt, gibt sich philosophisch: "Charlottes Roches Bücher stehen für viele für explizit verbale Zügellosigkeit, auch für den Fast-Flirt mit dem Pornographischen. Für mich ist 'Schoßgebete' ein furios übersteuerter Hilfeschrei nach Geborgenheit, die Suche nach Verbindlichkeit ohne Spießigkeit. Der Film sucht die Balance zwischen radikalem Exhibitionismus und Herzensschamhaftigkeit, verweist auch auf die Zwangsmechanismen gefährlicher Selbstzerstörung."

Haftete dem Roman "Feuchtgebiete" etwas durchgeknallt Pubertäres an, kommt "Schoßgebete" wesentlich erwachsener daher - als Buch und Film. Lavinia Wilson als Ehefrau und Mutter mit all ihren Seelenverkorkstheiten auf dem erotomanischen Selbstfindungstrip, eine Frau, die in den riesigen Brandungswellen von Nihilismus und nie bewältigter Traumata wild um sich schlägt, mal splitternackt, mal zugeknöpft, zeugt von Besetzungsraffinesse. Bleibt abzuwarten, ob Roches beiläufiger Wortwitz auch im Film seinen humoristischen Niederschlag findet, wenn etwa die orgienbereite Gattin treuherzig im Bordell nachhakt: "Darf man denn bei drei Leuten schon Orgie sagen?"

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