Touch your Seoul

Im Kia K7 durch Korea: Von alten und neuen Grenzen

Motor
29.04.2017 22:16

Korea ist ein eigenwilliges Land. So westlich und vertraut es uns in vielen Ecken vorkommt, bietet es nur zwei Kurven weiter immer wieder überraschende Grenzerfahrungen. Kulinarisch wie politisch. Und mit seinen Autos ist es nicht anders.

(Bild: kmm)

Auf den ersten Blick ist alles wie immer und die Auffahrt vor dem Grand Hyatt steht voll großer Limousinen in dezentem Schwarz und schmuckem Silber. Erst wenn man genauer hinschaut, erkennt man einen Unterschied. Denn was aussieht wie die üblichen Verdächtigen von Audi, BMW und Mercedes, entpuppt sich als Luxusliner des Hyundai-Ablegers Genesis, als Kia, Ssangyong, Chevrolet oder Samsung. Schließlich steht das Grand Hyatt nicht in Berlin, Brüssel oder Boston, sondern in Seoul. Und hier in der koreanischen Hauptstadt ist selbst der Luxusmarkt fest in der Hand der heimischen Hersteller, die über 80 Prozent der jährlich rund 1,6 Millionen Neuzulassungen halten.

Trotzdem fühlt sich irgendwie alles ungewöhnlich vertraut an, wenn man mit einem Auto wie dem Kia K7 durch die Zehn-Millionen-Metropole fährt. Draußen, weil man auch neben fremden Schriftzeichen bekannte Schriftzüge erkennt und die Häuserschluchten in Seoul mit ihren internationalen Franchise-Ketten kaum anders aussehen als in Stuttgart, Stockholm oder Shanghai. Nur dass der Verkehr hier gesitteter und weniger aufgeregt dahinkriecht als in vielen anderen Städten. Und dass die Autos alle besser aussehen. Denn der Koreaner ist so verliebt in seinen Wagen, dass er ihn ständig poliert und sogar die Schaumstoffpolster und Schutzfolien von der Auslieferung dran lässt, damit er möglichst lange nagelneu aussieht.

Und drin fühlt man sich wie immer, weil die koreanische Limousine, der es mit ihren 4,97 Metern nur für Platz zwei in der Kia-Palette reicht, einem ähnlich großen Fünfer BMW oder einer Mercedes E-Klasse in kaum etwas nachsteht. Gestern noch ein schmuckloser Billiganbieter, bewegt sich Kia mit dem K7 ganz selbstverständlich in der Business-Klasse und stiehlt den Dominatoren aus Deutschland nicht nur mit dem frischeren Design die Schau: Man thront auf einem Sessel, der sich bequemer einstellen lässt als die Massageliegen draußen am Flughafen Incheon, der Blick schweift über dickes Leder und noble Konsolen, bevor er in einem eleganten Cockpit hängen bleibt oder von einem Head-up-Display doch wieder auf die Straße gezogen wird. Und wo man den K7 anfasst, fühlt er sich gut an.

Schon der Fahrer fühlt sich gut aufgehoben. Und in der zweiten Reihe sitzt man erst recht erstklassig. Weil sich die Koreaner wie alle Asiaten lieber chauffieren lassen, als selbst zu lenken, ist die Beinfreiheit bei einem Radstand von 2,86 Meter ausgesprochen großzügig, das Sofa ist nicht minder bequem als die Sessel in der ersten Reihe, es gibt natürlich eine eigene Sitzheizung, eine eigene Klimazone und teilweise Jalousien für die Privatsphäre, und weil hinten zumeist der Chef sitzt, kann man den Beifahrersitz auch aus dem Fond heraus nach vorne surren lassen.

Also alles wie immer? Nicht ganz
Denn wie so oft in Korea liegen die Überraschungen im Detail - auf der Speisekarte zum Beispiel, wo sie einem bisweilen tatsächlich Hundefleisch im Eintopf verkaufen wollen, in der Seoul Auto Gallery, weil sie von außen aussieht wie ein Parkhaus und drinnen zu den größten Händlern gebrauchter Luxus-Autos zählt. Oder eben auf dem großen Infotainment-Bildschirm des K7, wo man selbst ohne lokale Sprachkenntnisse schnell das Navigationsmenü findet und aus dem Staunen kaum mehr herauskommt. Denn nirgendwo sonst gibt es so brillante Grafiken und so detailreiche Karten wie in der Heimat der Handys von Samsung & Co. Selbst Parkverbote sind, mitsamt den zeitlichen Einschränkungen, eingezeichnet und auf den meisten 3D-Animationen stimmen sogar die Farben der Leuchtreklamen mit der Wirklichkeit überein.

So vertraut einem Korea in Seoul noch vorkommt, so befremdlich wird es auf dem Weg nach draußen. Gen Süden, weil man stundenlang durch Hochhaussiedlungen fährt, wie sie die Plattenbauer im deutschen Osten nicht gleichförmiger hinbekommen hätten. Nur dass die hier nagelneu sind und Jahr für Jahr weiter ausufern. Umso wohler fühlt man sich da in einer Limousine, die mit ihrem nach innen gewölbten Grill, den scharfen Zacken der Tagfahrleuchten in den LED-Scheinwerfern und der schneidig-schlanken Silhouette erfreulich frisch und eigenständig aussieht im Einerlei der Businessklasse.

Und gen Norden, weil dort mit jedem Kilometer der Stacheldraht entlang der Autobahn dichter wird und sich dazwischen in immer kürzeren Abständen Wachtürme erheben. Dazwischen Shopping-Center, Kunstmuseen und Vergnügungsparks.

Dass man diese Szenerie aus dem Kia heraus wie im Kino erlebt, liegt aber nur zum Teil an der skurrilen Mischung aus Amüsement und Abschreckung, mit der die Koreaner ihre Grenze inszenieren. Es liegt auch daran, dass man in diesem Auto die Realität da draußen tatsächlich wie ein Zuschauer sieht, weil man ihr so weit entrückt ist: Die Karosserie dick gedämmt, vom Rauschen des Windes und dem Rollen der Reifen kaum etwas zu hören und das Fahrwerk samtig weich - so fährt man im K7 in seiner eigenen Welt.

Perfekter Countdown zur Radarfalle
Dass man dabei nicht ganz den Kontakt zu Mutter Erde verliert, ist einmal mehr ein Verdienst der Kia-Elektronik. Denn die Assistenten für Spurführung und Spurwechsel sowie die Kontrolle des Abstands sind so übervorsichtig programmiert, dass einen ein beständiges Piepsen zurück ins Hier und Heute holt. Und es ist wieder das Navigationssystem, das dem Fass den Boden ausschlägt. Denn im Kampf gegen die wahrscheinlich pingeligste Verkehrsüberwachung der Welt zählt es begleitet von anschwellenden Warntönen metergenau auf jede Radarfalle herunter und berechnet zwischen zwei Kontrollstellen sogar die Differenz zum erlaubten Durchschnitt. Das mag nervig sein, weil man bei der von keinem anderen Land erreichten Dichte an Kameras nie seine Ruhe hat. Aber beruhigter als in diesem Kia kann man mit keinem anderen Auto rasen.

Wobei das mit dem Rasen so eine Sache ist…
Für ihren 3,3 Liter großen Sechszylinder-Direkteinspritzer mit 290 PS und einer famosen Achtgang-Automatik haben die Koreaner zwar viel Lob geerntet. Doch seit ein paar Wochen gibt es den K7 auch als Hybrid. In der Stadt, wo man ohnehin die meiste Zeit im Stopp-and-Go-Verkehr dahinstaut, macht der mit seinem 160 PS starken 2,4-Liter-Vierzylinder und einer E-Maschine von 38 kW/52 PS nicht nur Sinn, sondern auch noch Spaß - selbst wenn der 1,76-kWh-Akku zu klein ist für einen Plug-In-Anschluss. Denn so zäh, wie sich die Schlangen durch Gangnam quälen, rekuperiert man auch damit genug, dass man die meiste Zeit flüsterleise durch die Stadt surrt und nur selten das dezente Knurren des Vierzylinders hört. Doch draußen auf der Autobahn ist das ein bisschen anders und der Limousine geht überraschend schnell die Puste aus. Erst recht, wenn man vom entspannten Öko-Modus in den Sport-Betrieb wechselt und sich am Elan dennoch nichts ändert. 140, 150 sind kein Problem, und natürlich kratzt der K7 auch an der 200er-Marke. Doch so dicht, wie hier die Radarfallen stehen, kann man dafür kaum genügend Anlauf nehmen, wenn man danach nicht wieder voll in die Eisen steigen möchte.

So richtig engagiert mag man mit dem Hybriden vielleicht nicht fahren. Doch fährt man dafür umso entspannter. Und vor allem hier oben im Norden des Landes kann ein bisschen Entspannung ja nicht schaden. Erst recht nicht, wenn man zwischen Stacheldraht und Schießständen an einer Konfliktlinie entlangfährt, auf deren Anspannung die Welt gut verzichten könnte. Nicht dass es dafür angesichts der Raketenphantasien des Diktators Kim Jong Un gerade ernsthafte Hoffnungen gäbe. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Denn Grenzen sind dafür da, verschoben zu werden. Und der K7 als veritabler Fünfer-Konkurrent einer einstigen Billigmarke ist dafür ein gutes Beispiel. Denn mit dem Aufstieg von Hyundai und Kia haben die Koreaner das zumindest in der Autowelt doch gerade vorgemacht.

(Benjamin Bessinger/SP-X)

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(Bild: kmm)



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