Eiskalter Pattinson

“Cosmopolis”: Kapital, Gier, Angst und Apathie

Kino
04.07.2012 14:33
Kapital und Gier, Angst und Apathie: In der filmischen Adaption von Don DeLillos literarischer Sensation "Cosmopolis" (Kinostart: 5. Juli) gibt "Twilight"-Star Robert Pattinson einen New Yorker Spekulanten, den ein Verkehrskollaps in Manhattan nur mehr im Schritttempo vorankommen lässt. Bis nichts mehr geht.

New York. Hochhaustürme, die am Himmel kratzen. Dazwischen, in den Schluchten, der Strom der Passanten. Wie Blutkörperchen werden sie durch das gigantische Kreislaufsystem der Megacity gepumpt. Und das Crescendo der Hupen ist wie das Rauschen der Herzklappen dieser Stadt, die sich immer verausgabt. Weil sie keinen Stillstand kennt.

In diesem Umfeld spielt Don DeLillos literarisches Meisterwerk "Cosmopolis", ein 2003 erschienener Roman, der heute, im Angesicht der weltweiten Finanzkrise, beinahe prophetisch wirkt – und aktueller denn je erscheint. David Cronenberg, der kanadische Kultregisseur, der mit Arbeiten wie "Crash", "eXistenZ" oder "A History of Violence" seine eigene Filmsprache etablierte, adaptierte den Stoff für das Kino, indem er DeLillos brillantes Dialoggerüst beibehielt. Kronenberg überrascht mit einer exquisiten Besetzungsliste, als da sind: Robert Pattinson, der Kultvampir aus der "Twilight"-Saga, die sinnliche Juliette Binoche, Sarah Gadon, Mathieu Amalric, Samantha Morton, Paul Giamatti u.a.

Odyssee durch Manhattan
Es ist dies die 24-stündige Odyssee eines Mannes, der in seiner Stretchlimousine entlang der 47. Straße durch Manhattan gleitet, umgeben von der rauschhaften Bilderflut sich ständig ändernder Informationsdiagramme, die das Auf- und Zudrehen globaler Geldhähne in das Wageninnere übertragen. Dort sitzt, nein thront, Eric Packer (Pattinson), einem Pharao gleich, die in Maßschuhen steckenden Füße auf kühlen Carrara-Marmor hingestreckt, weil jenes Material, das Michelangelo vor einem halben Jahrtausend mit seinem Meißel bearbeitete, seinen Ansprüchen gerade genügt.

Doch an diesem Frühlingstag – auf dem Weg zu einem Friseurtermin – gerät die Fahrt des zynischen Börsenspekulanten Packer ins Stocken. Der amerikanische Präsident ist in der Stadt, aufgebrachte Globalisierungsgegner demonstrieren und der Trauerzug für den erschossenen Sufi-Rapper Brutha Fez blockiert die Straßen. New York kollabiert, versinkt im Verkehrschaos, die Finanzmärkte geraten ins Trudeln – und mit ihnen Packers Leben.

Zwischen Ohnmacht und Aggression
Er, der nur den virtuellen Fluss von Zeit und Geld kennt, wird im Schritttempo auf sich selbst zurückgeworfen. Zwischen Ohnmacht und Aggression, einer verstörenden ärztlichen Diagnose, der Angst vor der eigenen Endlichkeit und der gleichzeitigen Gier nach Unsterblichkeit, die der noch nicht einmal Dreißigjährige in erotischen Egofieberträumen und Sex-Eskapaden – Juliette Binoche als abrufbare Geliebte – auslebt, um sich dann wieder für Momente an der Makellosigkeit seiner kapriziösen Frau Elise zu ergötzen, rollt Packer einer Zäsur entgegen, die ihm die Fratze seiner eigenen Besessenheit zeigt.

Pattinson von Packer fasziniert
Der 1936 geborene Italo-Amerikaner und Autor Don DeLillo, der in der Bronx aufwuchs und mit Scorsese, der sich in Lower Manhattan und Little Italy herumtrieb, die gleiche Sprache, den gleichen Akzent und dasselbe Gespür für Atmosphäre teilte, ist für Robert Pattinson, den Hauptdarsteller in "Cosmopolis", ein Schriftsteller, den er längst für sich entdeckt hatte. Pattinson: "Für mich ist Eric Packer jemand, der so lebt, als käme er von einem anderen Planeten. Er ist auf eine gewisse Weise weltfremd und weiß dennoch genug von dieser Welt, um ein Vermögen zu verdienen, wenngleich auf eine sehr abstrakte Art. Er hat es als Spekulant weit gebracht, aber nicht, weil er ein echter Experte oder ein Superhirn ist, sondern eher dank seines untrüglichen Raubvogelinstinkts. Seine Limousine ist für ihn eine Art gepanzerter Kokon der Macht."

In DeLillos Roman "Cosmopolis" umreißt Packers junge Frau dessen mysteriöse Tätigkeit wie folgt: "Ich glaube, du widmest dich dem Wissen. Ich glaube, du erwirbst Informationen und verwandelst sie in etwas Grandioses oder Grässliches. Du bist ein gefährlicher Mensch. Ein Visionär." Ein überaus spannender Part für Pattinson, nicht zuletzt, um sich von seinem Vampir-Image freizuspielen. Andererseits: Ist die Finanzwelt nicht auch von Vampiren überschwemmt?

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