Lovely Days Festival

Finale mit Billy Idol & The Who

Musik
25.07.2006 21:48
So schnell wie es begonnen hatte, war’s auch schon wieder vorbei. Der zweite „Lovely Day“ in St. Pölten bescherte den Besuchern herrliches Wetter und mehr als geniale Auftritte von Billy Idol und den legendären The Who. Freitag und Samstag zusammen zählten die Veranstalter ziemlich genau 20.000 musikhungrige Festivalgeher.
(Bild: kmm)

Mit Klappstühlen und Heurigengarnituren (!) bewaffnet, bauten sich erstaunlich viele Besucher gleich beim ersten Act des Tages vor der Bühne auf. Es waren definitiv mehr als am Freitag. Die Woodstock-Legende „Country Joe McDonald“ lud zur Mittagshitze zur One-Man-Show. Zuvor hatte der Wandermusiker den Veranstaltern schon Kopfschmerzen und Stoff für eine heitere Anekdote, die man sich noch in zehn Jahren erzählen wird, geliefert.

Als er am Flughafen Wien/Schwechat ankam, wartete das für ihn entsandte Taxi vergeblich, denn der Gute hatte sich – nachdem er seine Gitarren vom Gepäckband eingesammelt hatte – einfach in die Schnellbahn gesetzt und war zielstrebig bis nach St. Pölten gefahren. Das versetzte Empfangskomitee in Schwechat bemühte sich derweil, das Flughafenpersonal davon zu überzeugen, dass der aufzurufende Name „Country Joe McDonald“ keineswegs als Scherz gemeint sei…

Nachdem er dem Publikum das böse F-Wort in alter Woodstock-Manier buchstabieren ließ, betraten die Hardrock-Meister von „Iron Butterfly“ die Bühne. Sie schafften es mit zirka sechs Songs gut 60 Minuten lang zu spielen. Ihr Meilenstein „In-A-Gadda-Da-Vidda“ – wäre der damalige Keyboarder Doug Ingle halbwegs nüchtern gewesen, so hätte der Song „In the Garden of Eden“ geheißen – dauerte dabei schon allein fast 20 Minuten.

Danach verwandelte Willi „Sog net Kurti“ Resetarits die Bühne in einen Heurigen. Sonnenbebrillt und in kurzen Hosen nahm er am Stammtisch Platz und führte mit der neuen Extracombo sein „Stubnblues“-Programm vor. Zwischen kroatischen Volksliedern, Klassikern wie Brown Eyed Girl und einer fabelhaften Van-Morrison-Zugabe genehmigte sich der vormals nach östlichen Gleiskörpern benannte Strizzi ein paar genüssliche Schluck Bier und vergab mehr oder weniger brauchbare Anti-Sonnenstich-Hausrezepte (tut's euch ein nasses Taschentuch auf den Kopf legen,…) ans Publikum.

Willi Resetarits durfte ein bisschen länger geigen, denn der nach ihm auf dem Programm stehende Manfred Mann war zuvor samt Earthband stundenlang in Berlin festgesessen und stolperte inklusive Reisegepäck sozusagen von der Gangway auf die Bühne. Ein 30-minütiges Set ging sich gerade noch aus. Und wenn man wusste, wer von den Typen jetzt eigentlich Manfred Mann war – er saß hinterm Notenpult versteckt an der Hammondorgel – brachte dies für den Genuss der mit Hits wie „Mighty Quinn“ und „Blinded by the Light“ gespickten Show auch noch zusätzliche Vorteile mit sich…

Als Nächster stürmte Mr. Blues, Gary Moore mit Karacho die Bühne. Der Preis für die ärgsten Grimassen wo gibt, wäre sicherlich an ihn gegangen, denn er verzerrte die Mimik proportional zur Tonhöhe. Von seinem neuen Album „Old, New, Ballads, Blues“ spielte er gut die Hälfte. Mit seiner Hymne „Still got the Blues“ und dem Klassiker „Walking by myself“ bewies er es letztendlich aber mit Nachdruck, dass seiner Art Musik zu machen auch 2006 noch immer mehr Ausdruck innewohnt als so manchem jugendlichen Pop-Hype – auch wenn sich durch sein Antlitz schon langsam ein kleiner Grand Canyon den Weg bahnt.

Wie von der Tarantel gestochen sauste Billy Idol nach der Umbaupause auf die Bühne. Er lieferte das volle Programm: Stinkefinger und Vogel zeigen, F-Wort sagen, Mikrofon vom Körperzentrum abstehen lassen, White Wedding spielen… - dabei brachte der durchtrainierte 51-Jährige auch seine prägnanten Oberlippe immer wieder in akrobatische Schieflagen. Neben seinen größten Hits „Rebell Yell“ und „Hot in the City“ spielte das Idol des glamourösen Punks auch ein akustisch angehauchtes „Sweet Sixteen“. Zu den mitunter recht schräg arrangierten Covers gehörte Mungo Jerrys „In the Summertime“. Die Lacher hatte William Michael Albert Broad – so sein wirklicher Name – auch nach einer A-Capella-Version von Gnarls Barkleys „Crazy“ auf seiner Seite.

Er war der ideale Appetizer auf das, was nach ihm kommen sollte. Ein roter Samtvorhang, das größte Drumset des Abends und sechs meterhohe Scheinwerfersäulen wurden auf die Bühne geschleppt und Schlag elf spazierten Roger Daltrey und Pete Townshend ohne viel Tam-Tam und Vorgeplänkel auf die Bühne. Der ganze Platz davor brüllte „Who, Who, Who!“ und wurde dafür mit anderthalb Stunden Krach der feinsten Sorte verwöhnt. Keinen Hit ließen sie aus – „Who are you“, „Baba O'Riley“ vulgo „Teenage Wasteland“, „My Generation“, „Substitute“, „Behind blue Eyes“ und „Won't get fooled again“ – sie spielten alles.

Pete Townshend machte gehörig einen auf Rebell, ließ auch das Gitarren-Riesenrad nicht aus und bewies eindrucksvoll, dass „laut“ auch halb taub und mit 61 ohne Ende geil ist. Roger Daltrey – ein Jahr älter – hatte aus gutem Grund das Kabel am Mikro festgeklebt, denn er ließ es kreisen, so oft es nur ging. Stimmlich raffte er sich immer wieder zu Höchstleistungen auf, die man ihm nach über 40 Jahren Geschrei fast gar nicht mehr zugetraut hätte. Beim Publikum punkteten auch Bassist Pino Palladino, der den vor vier Jahren plötzlich verstorbenen John Entwistle ersetzt, und noch mehr Ringo-Sohn Zak Starkey, der Keith Moon Gottseidank nicht gänzlich zu kopieren versucht, sondern dessen Schlag-Orgien mit verdammt viel Energie in die Neuzeit übersetzt.

The Who waren definitiv der gelungene Abschluss dieses Festivals, das wegen seiner einzigartigen Zusammenstellung und nicht zuletzt auch wegen der durchgehend einfach bezaubernden Stimmung, eine viel versprechende Premiere gefeiert hat. Ein besserer Headliner wären wohl nur noch die Beatles gewesen – aber man soll ja nicht den längst vergangenen Zeiten nachweinen...

Peace!


Text und Fotos: Christoph Andert

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