BAWAG-Prozess

Protokolle wurden nachträglich “ergänzt”

Österreich
08.08.2007 13:10
Im BAWAG-Prozess versuchte das Gericht am 14. Verhandlungstag, die Umsetzung der "Sanierungslösung" nach dem Totalverlust von 639 Mio. Dollar (462 Mio. Euro) durch Wolfgang Flöttls Spekulationen zu beleuchten. Trotz zahlreicher Fragen von Richterin Claudia Bandion-Ortner blieb am Dienstag unklar, wer wann die Idee zur "Stiftungslösung" hatte. Stiftungen seien "fertig von der Stange" zu beziehen gewesen, die nachträgliche Ergänzung von Vorstandsprotokollen sei üblich gewesen, hieß es seitens einiger Angeklagter.

Der Verhandlungstag begann mit Fragen zur Verwertung von Flöttls Vermögen, nachdem dieser 639 Millionen Dollar durch riskante Yen-Spekulationen versenkt hatte. Nicht "verwertet" wurde etwa Flöttls Gulfstream-Jet, weil der BAWAG-Vorstand der Ansicht war, dass sich "die äußeren Lebensumstände von Flöttl nicht ändern sollten", sagte Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner. Flöttl verkaufte das Flugzeug erst Ende 1999 um etwa 22 Millionen Dollar an Hewlett-Packard. Der Weiterbetrieb des Flugzeugs sei von ihm aus dem von der BAWAG gewährten Betriebsmittelkredit finanziert worden, so Flöttl.

Flöttl durfte Bilder und Privatjet behalten
Flöttl behielt auch eine Sammlung von 55 Bildern mit einem Wert von zwischen 10 und 15 Millionen Dollar, sowie ein Appartement in der Park Avenue in New York. Er habe sich nie verpflichtet, sein gesamtes Vermögen der BAWAG zu übertragen, betonte Flöttl heute erneut. Dieser Darstellung widersprach der gesamte BAWAG-Vorstand, der bei der Krisensitzung vom 26. Oktober 1998 anwesend war, in der Flöttl über die Verluste berichtete. Das Flugzeug habe als Leasing-Konstruktion aber keinen großen Netto-Wert gehabt, so Josef Schwarzecker.

Nach den hohen Spekulationsverlusten des Investmentbankers wurde das von Flöttl übertragene Vermögen in Stiftungen (Bensor, Biamo, Treval sowie Glenstar) in Liechtenstein ausgelagert und die Verluste mittels Krediten auf die Stiftungen übertragen. Das sei als das "ideale Vehikel" zur Übernahme des Vermögens von Flöttl betrachtet worden, führte der damalige BAWAG-Generalsekretär Peter Nakowitz aus. Wer die Idee zur Gründung von Stiftungen gehabt habe, könne er nicht mehr eindeutig zuordnen. Für Elsner ist es unverständlich, dass der Urheber der Idee nicht dafür einstehe: "Das ist ja nichts Verbotenes. Ich sehe darin keine Verfehlung."

"Stiftungslösung": Kein will es gewesen sein
Wechselseitige Beschuldigungen erhoben die früheren Vorstandskollegen Josef Schwarzecker und Johann Zwettler. Schwarzecker meinte, Zwettler sei in der Bank "Stiftungsexperte" gewesen. Zwettler konterte, "Meiner Meinung nach kam die Idee dazu von Dr. Schwarzecker". Ex-BAWAG-Vorstand Hubert Kreuch meinte, die Stiftungen seien wohl "in der Fachabteilung, die das Fachwissen hat", erfunden worden: "Alle haben Stiftungen", ortet Kreuch eine übliche Praxis in Österreichs Bankenwelt. Auch Ex-BAWAG-Vorstand Christian Büttner weiß nichts über den Stifter. "Dass Banken Stiftungen haben, ist ja evident", meinte Bankprüfer Robert Reiter. "Die Verluste schienen nicht mehr auf, weil ihnen nominell das bewusst viel zu hoch angesetzte Vermögen von Flöttl gegenüber stand", heißt es dazu in der Anklageschrift von Staatsanwalt Georg Krakow.

Vorstandsprotokolle nachträglich verändert
Ein brisantes Gedächtnisprotokoll, das er nach einer BAWAG-Vorstandssitzung vom 5. Oktober 2000 verfasst hatte, las Büttner im Gerichtssaal vor. Demnach habe Elsner die damalige Nationalbank-Vizegouverneurin Gertrude Tumpel-Gugerell informieren wollen, "damit sie mit diesem Wissen die Nationalbanküberprüfung steuern könnte", zitierte Büttner aus seinem Protokoll. Elsner und der gesamte übrige BAWAG-Vorstand dementierten entschieden, dass Elsner damals überhaupt von Frau Tumpel-Gugerell gesprochen habe. Auch Tumpel-Gugerell hat dies mehrmals bestritten.

Das Gedächtnisprotokoll Büttners behandelt hauptsächlich eine Rückdatierung bzw. Veränderung von Protokollen aus dem Jahr 1998 und 1999. Der BAWAG-Vorstand wollte demnach angesichts einer bevorstehenden Prüfung durch die OeNB seine Beschlüsse zu den "Sondergeschäften" mit Flöttl formalrechtlich absichern. Das Sonderprotokoll der Krisensitzung vom 26. Oktober 1998 sei "in eine offizielle Form" gesetzt worden, erläuterte Zwettler heute dazu. De facto hat der Vorstand offenbar frühere Protokolle einfach nachträglich verändert, um die Sanierung der Flöttl-Geschäfte im Nachhinein formalrechtlich abzusichern.

Staatsanwalt prüft mögliche Falschaussage Verzetnitschs
Die am Montag von Ex-BAWAG-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger im BAWAG-Prozess getätigte Aussage, wonach er den damaligen ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch als Eigentümervertreter bereits im Oktober 1998 über den aus den Spekulationsgeschäften von Wolfgang Flöttl resultierenden Verlust von Bankvermögen in Höhe von 639 Millionen US-Dollar informiert habe, könnte für Verzetnitsch strafrechtliche Folgen haben. Das bestätigte am Dienstagvormittag Gerhard Jarosch, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien.

Verzetnitsch hatte am 2. Februar 2007 als Zeuge im parlamentarischen Banken-Ausschuss als Auskunftsperson unter Wahrheitspflicht ausgesagt, im Dezember 2000 zum ersten Mal "mit Entsetzen" von den "dramatischen Verlusten" der BAWAG erfahren zu haben. Diese Behauptung hatte Weninger vor der BAWAG-Sonderkommission zunächst gestützt, am Montag im BAWAG-Prozess jedoch revidiert: Er habe den früheren ÖGB-Präsidenten zu Beginn "nicht so weit hineinziehen wollen", da dieser nach Bekanntwerden der Karibik-Verluste unter starkem medialem Druck gestanden sei, gab Weninger zu Protokoll.

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