Nicht Karadzic?

Doppelgänger will in Wien gelebt haben

Österreich
28.07.2008 07:31
Wende im Fall Karadzic: War der wegen Kriegsverbrechen gesuchte Radovan Karadzic (im Bild) vor seiner Verhaftung sechs Monate lang in Wien untergetaucht? Nein, behauptet Peter Glumac - er sei jener "Pera", dessen Reisepass im Vorjahr von der Polizei überprüft wurde. Der einzige Unterschied zwischen ihm und "Dragan Dabic", hinter dem sich Karadzic versteckte, bestehe in dem Zopf, sagte Glumac. Dabic habe ihn hoch am Kopf gebunden, er trage ihn frei am Rücken. Abgesehen davon bestehe zwischen ihm und "Dabic" aber eine "1.000-prozentige" Ähnlichkeit. Glumac habe sich zuletzt im Vorjahr in Wien aufgehalten, sagte er.

 "Das deckt sich nicht mit unseren Erkenntnissen, widerspricht ihnen aber auch nicht", sagte Innenministeriums-Sprecher Rudolf Gollia auf Anfrage dazu. Man bemühe sich weiter zu verifizieren, ob Karadzic in Wien gewesen sei.

Der angebliche Doppelgänger Glumac, ein in der Vojvodina-Ortschaft Banatsko Novo Selo lebender Wunderheiler, behauptete am Sonntag gegenüber der staatlichen serbischen Nachrichtenagentur Tanjug, unter den Nachbarn als "Deda Pera" (Opa Pera) bekannt zu sein - genau dieser Name wurde von ehemaligen Mitbewohnern in Wien angegeben.

Bisher kein Foto des angeblichen Doppelgängers
Der 78-jährige kroatische Serbe mit langem, zu einem Zopf zusammengebundenem Haar, Vollbart und Brille befasst sich nach eigenen Angaben seit 23 Jahren mit Heilpraktik. "Ich behandle alle Krankheiten, die Unfruchtbarkeit der Frauen ist mein Hauptfach", erklärte der Wunderheiler, der sich von der Nachrichtenagentur nicht fotografieren ließ. Er habe sein Foto bereits ausländischen Medien versprochen. Er habe bisher mehr als 800 Frauen behandelt, 90 Prozent von ihnen hätten daraufhin ein Kind bekommen. Er halte sich häufig im Ausland, besonders in Österreich und Italien auf.

Unerwarteter Ruhm soll neue Patienten bringen
Petar Glumac wurde im März 1930 im kroatischen Gospic geboren. Seit 1959 lebt er in einer Ortschaft unweit von Pancevo. Erst kürzlich sei er aus Kroatien zurückgekehrt, wo er in seinem Familienhaus zweieinhalb Monate verbracht habe. Der 1,95 Meter große Mann ist verheiratet und Großvater von sieben Enkeln. Wegen der Verwechslung mit Karadzic habe er bisher keine Schwierigkeiten gehabt. Der unerwartete Ruhm werde ihm aber hoffentlich neue Patienten bringen, hofft der Mann. "Mit der Polizei habe ich nur einmal zu tun gehabt, als mein Wohnungsvermieter in Wien einen Mann in einem Restaurant erschossen hat." Es sei aber lediglich auf ein Polizeikommissariat abgeführt und dann wieder freigelassen worden, so Glumac.

"Opa Pera" - Wunderheiler mit Rauschebart
Er war ein Frühaufsteher. Er trug stets die Bibel bei sich. Er war ein Sauberkeitsfanatiker. Sechs Monate lang soll "Opa Pera" - unklar ist, ob es sich dabei um Glumac oder Karadzic handelt - bei Familie J. aus Wien-Penzing gelebt haben. Als Wunderheiler, mit Rauschebart und einem Kreuz um den Hals. Sein Zimmer: Eine Abstellkammer hinter der Küche.

Sechs Monate lang soll der Mann mit Großfamilie J. zusammengelebt haben. Vor allem Vesna J. hatte den meisten Kontakt mit Opa Pera. "Er kam über Bekannte, und er sollte meinen Rücken heilen", schildert die 53-Jährige. Zweimal lebte er für je drei Monate in der Märzstraße. Das erste Mal 2006, dann ein Jahr später. Für Kost und Logis braute er Blasentees, zauberte Kräuter-Mixturen, verschenkte Salben. Egal, ob Einbildung oder nicht, Vesna J. behauptet: "Meiner Wirbelsäule ging es nachher wirklich besser."

Von Polizei überprüft
Sollte es sich um Karadzic gehandelt haben, der in seiner Heimat Vorträge als Wunderheiler hielt - hat ihn dennoch niemand erkannt. Nicht einmal die Polizei. Wie exklusiv berichtet, stürmte eine Cobra-Einheit auf der Suche nach einem Mordverdächtigen im vergangenen Jahr die Wohnung. Nur der Wunderheiler ist anwesend. Die Ermittler überprüften einen korrekten kroatischen Pass - Glumac gibt an, sowohl den kroatischen als auch einen serbischen Pass zu besitzen. Chefinspektor Johann Schaffer: "Es war kein Fehler von uns, der Pass war echt! Außerdem gab es wegen seines damaligen Aussehens keinen Grund, anzunehmen, dass es sich tatsächlich um Karadzic handeln könnte."

Wutanfall nach der Religions-Debatte
Nur die Kinder im Haus hatten Angst vor dem schwarzen Mann. "Wir wussten wirklich nicht, wer er war", rechtfertigt sich Familienmitglied Zoran J. "Er hat nie über Politik gesprochen, stellte sich absichtlich dumm." Nur beim Thema Religion wurde er laut und wild, richtig zornig.

Von krone.at sowie Michael Pommer und Christoph Budin, Kronen Zeitung

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