Erziehungsserie

Folge 8: Chancengleichheit – Lüge oder Wahrheit?

Leben
24.10.2015 12:37
Nur die Leistung zählt, will man hoch hinauf auf der Karriereleiter. Oder entscheidet schon die Geburt - die soziale Herkunft - über Bildung und Aufstieg?

Wir kennen alle die Klischees: Der Arztsohn wird wieder Arzt, die Tochter der Steuerberaterin strebt ebenfalls eine akademische Laufbahn an und wird später die Kanzlei übernehmen. Die Kinder des Bauarbeiters werden hingegen voraussichtlich nicht über die Pflichtschule hinauskommen. Das Traurige: Es ist etwas Wahres dran, so eine OECD-Studie. In Österreich erben Kinder zu häufig den Bildungsstatus ihrer Eltern. 21 Prozent der 25- bis 34-Jährigen, die nicht mehr in Ausbildung sind, erreichten einen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern. Nur in Deutschland und Tschechien ist diese Quote schlechter. Die Bildungspolitik versucht entgegenzusteuern.

"Die Guten haben 'Vitamin B' gar nicht nötig"
In Kanada, Finnland und England schaffen es die Lehrer weltweit am besten, die Kinder von gebildeten und weniger gebildeten Eltern auf einen Stand zu bringen. Diese Länder haben vieles gemeinsam: Eigenverantwortung der Schulen, gute Betreuung der Schüler, landesweit standardisierte Kontrollen.

Wer die richtigen Beziehungen hat, macht auf jeden Fall seinen Weg nach ganz oben? Ohne Leistung geht es dann doch nicht. "Dass Topmanager 'Nieten in Nadelstreifen' sind, halte ich für Unfug. Beziehungen in solchen Kreisen werden häufig überschätzt, die Guten haben 'Vitamin B' gar nicht nötig", erklärt Soziologe Michael Hartmann, Autor des Buches "Soziale Ungleichheit - Kein Thema für die Eliten?".

Eltern sollten Ruhepol für Nachwuchs sein
Der deutsche Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff setzt auf die Eltern und deren Beziehung zum Nachwuchs: Es ist wichtig, wie viel Zeit man in sein Kind investiert und es zu fördern und in vielen Bereichen zu begleiten (siehe Interview). Das heißt auch, mit ihm in der Unterstufe noch einmal die Schulaufgaben durchzugehen. Sich dafür zu interessieren, was es lernt, und ihm mentale Rückendeckung in schwierigen Zeiten zu geben. Kinder müssen sich verstanden und gut aufgehoben fühlen, damit sie sich gut entwickeln können. Und auch wenn dem Spross noch nicht so klar ist, dass es für das Leben und nicht für die Schule lernt - ihm das Gefühl geben, es ist toll, wie sich sein Wissen von Tag zu Tag erweitert.

Für den Erziehungsexperten sind die Bildungsmöglichkeiten zwar Grundvoraussetzung, aber es gehören auch konzentrierte und lernwillige Schüler dazu. Und hier gibt es auch in der Mittelschicht viele auffällige Kinder, deren Chancen sich zunehmend verringern, zu einem arbeitswilligen Menschen heranzuwachsen. Er appelliert deshalb einmal mehr an Eltern, ein Ruhepol für ihren Nachwuchs zu sein und sie zu stärken.

Starke Willenskraft schafft bessere Chancen
Was haben Marshmallows mit Karrierechancen zu tun? Eine ganze Menge, wie der berühmte Test von Walter Mischel beweist. Die Kinder, denen es gelang, bei einem Experiment die süße Schaumzuckerware nicht gleich, sondern erst später zu essen (mit dem Ausblick, dann zwei Stück zu bekommen), haben Jahrzehnte später erfolgreichere Wege im Berufs- und im Familienleben eingeschlagen als jene Kinder, die weniger Willensstärke zeigten. Mischels Hypothese: "Wer über eine starke Willenskraft verfügt und sich auf langfristige Ziele konzentriert, hat bessere Chancen, ein erfolgreiches und zufriedenes Leben zu führen."

"Krone"-Eltern-Kids-Coach Nina Petz steht Ihnen mit Rat zur Seite - per Videoklick auf krone.at/erziehung sowie gemeinsam mit ihrem Team per E-Mail und Post. Ihre Anfragen werden vertraulich behandelt.

Meine Tochter (13) wird in der Klassengemeinschaft ausgeschlossen, weil wir nicht so wohlhabend sind wie andere Familien. Freundschaften sollten nicht an materiellen Dingen gemessen werden. Ich finde es sehr wichtig, das den Kindern mitzugeben. Leider kommt es trotzdem immer wieder zu Gruppenbildungen. Dabei geht es aber meist nicht um Sympathie und Freundschaft, sondern um das Phänomen der "Gleichaltrigenorientierung": Gleichaltrige übernehmen dabei den Platz der Eltern, Kinder die Werte und Identitätsideen der Gleichaltrigen. Oft geht es hier nur um das Dazugehören um jeden Preis. Ihr elterlicher Einsatz ist gefragt! Besprechen Sie mit Ihrer Tochter die finanzielle Situation und Ihre Werte. Zeigen Sie Verständnis für den Wunsch, "dazuzugehören". Ermutigen Sie Ihre Tochter jedoch auch zu Individualität. Laden Sie z.B. auch mal ihre Freunde zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten ein. Keine Angst, nicht alles, was Jugendlichen Spaß macht, ist kostspielig. Seien Sie einfach kreativ! Ein Heimkinoabend kostet nicht viel - und gemeinsam mit den Eltern im Pyjama eine DVD anzuschauen und darüber zu lachen, das ist mehr wert als jedes VIP-Kinoticket.

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(Bild: kmm)



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