Erziehungsserie

Folge 3: Pubertät – der ganz normale Wahnsinn

Leben
19.10.2015 17:00
Eltern, die glauben, Teenager mit strengen Regeln bändigen zu können, treiben sich selbst nur in den Wahnsinn. Tipps für leidgeprüfte Mütter und Väter für die Krisenjahre Pubertät.

Sie waren doch einmal süß! Jeden Milchzahn hat man als Meilenstein gefeiert, und jeden noch so kleinen schulischen und sportlichen Erfolg gemeinsam bejubelt. Aber dann wird der Spross vom fröhlichen und neugierigen kleinen Wesen zum muffeligen, maulfaulen und rebellischen Pubertierenden. Ist launisch, vergreift sich im Ton, testet Grenzen aus - und das Tag für Tag. Wenn das Hormongewitter der Pubertät auf die Kinder niedergeht, kann das ganze Familien in Aufruhr versetzen. Nicht selten versuchen Eltern dann in erzieherischer Torschlusspanik das nachzuarbeiten, was sie versäumt zu haben glauben.

Plötzlich verlangen sie Gehorsam, Pünktlichkeit und Tischmanieren, wollen die Hausaufgaben kontrollieren, mischen sich ungebeten in den Kleidungsstil ein. Das funktioniert aber nur in den wenigsten Fällen. Die Pubertät ist eine Geduldsprobe für Eltern. Plötzlich ist alles anders. Leider auch oft die Schulnoten. Und man wird das Gefühl nicht los, dass die eigenen Kinder einem in dieser Zeit emotional zu entgleiten drohen. Sie sind ständig verstimmt, wenn die Kritik anschwillt und dauernd jemand etwas von ihnen will - zumal sie gerade selbst nicht so genau wissen, was eigentlich mit ihnen los ist.

Freunde sind nun ausgesprochen wichtig
Die Jugendzeit ist eine sehr intensive Phase, in der sich Jugendliche psychisch von ihren Eltern abgrenzen, ja sogar müssen. Bei den Teenagern ändern sich noch einmal Körper, Geist und vor allem das Bindungsverhalten. Mutter und Vater werden in ihren Augen plötzlich zu normalen Menschen mit vielen Schwächen. Wenn nun diese auf ein Normalmaß herabgestuften einstigen Helden der Kindheit weiter auf ihre autoritäre Stellung beharren, gehen Mutter und Vater dem Nachwuchs nur noch gehörig auf die Nerven. Der Jugendliche rebelliert, und die Eltern sind machtlos.

Wichtig sind in dieser Zeit vor allem die Freunde, denn nach Studien gehen achtzig Prozent der Gesprächszeit von Jugendlichen auf das Konto von Freunden. Die Bindungsforschung weist in diesem Zusammenhang aber auf ein recht beunruhigendes Phänomen hin - die Gleichaltrigenorientierung.

Immer mehr Gleichaltrige nehmen den Platz von Eltern im Leben der Kinder ein. "Gerade in der Pubertät ist es wichtig, dass Eltern hier wieder selbstbewusster werden und das nicht zulassen. Denn in Wirklichkeit blockiert dieses Phänomen auch die Entwicklung zur wahren Eigenständigkeit. Identität, Werte, wie verhalte ich mich in dieser Gesellschaft - das alles sollten Eltern ihren Kindern mitgeben und nicht gleichaltrige Jugendliche", betont "Krone"-Eltern-Kids-Coach Nina Petz. Teenager brauchen mehr denn je Orientierung und Begleitung - und ein Zuhause, das ihnen eine sichere Rückzugsmöglichkeit vor den Schwierigkeiten des Lebens bietet. Die Erziehung der Eltern sollte sich nun auf wichtige Themen konzentrieren, die die Tochter oder der Sohn wirklich vermeiden sollten (ungeschützter Sex, Zigaretten, Drogen usw.), sonst sollte man ihnen viel Freiraum lassen.

Trotzdem an Regeln und Grenzen festhalten
Jetzt ist Verständnis angesagt! "Gerade in der Pubertät stellt sich oft heraus, wie es um die Qualität der Beziehung von Eltern und Kind wirklich bestellt ist", so Nina Petz. Trotzdem: "Verabsäumen Sie es nicht, an bestehenden und wichtigen Regeln und Grenzen festzuhalten." Das wirkt Wunder: Unternehmen Sie immer wieder etwas mit Ihrem Spross! Mal weg vom Alltag,von Schule und Belehrungen in der Endlosschleife tut jeder Eltern-Kind-Beziehung gut, und man kommt sich wieder näher. "Interessieren Sie sich ehrlich für Ihren jugendlichen Nachwuchs."

Großbaustelle Gehirn
Das heißt auch: "Bleiben Sie fit im Internet, im gesamten Mediendschungel und lassen Sie sich immer mal wieder von Ihren Kindern das neueste Computerspiel oder eine neue Funktion bei Facebook erklären", rät Petz. Sport hilft enorm, den Stress, den das Hormonchaos auslöst, loszuwerden. Deshalb gilt auch für Eltern: Ran an den Sport! Mit Ihren Kindern gemeinsam! In der Pubertät löst nicht nur die Hirnanhangdrüse einen Hormon-schwall aus, auch viele neurobiologische Faktoren verändern das Gehirn der Heranwachsenden. Das Netzwerk der Neuronen bei Pubertierenden Unterscheidet sich gravierend von dem eines Kindes oder Erwachsenen - was Auswirkungen auf das Denken, Fühlen und Verhalten hat. "Bis zu 30.000 unbenötigte Nervenverbindungen sterben im Jugendalter pro Sekunde ab. Gleichzeitig vernetzen sich die übrigen Neuronen immer stärker. Dies geschieht vor allem im vorderen Hirnbereich, der wichtig für die Entscheidungsfindung, für Planung und Motivation ist, aber auch im Gefühlszentrum, in dem Situationen als positiv oder negativ bewertet werden", erklärt die deutsche Entwicklungspsychologin Karina Weichold im Gespräch mit der "Krone". Sie sehen, Ihr Kind befindet sich im "Totalumbau" - ein kleiner Trost für leidgeprüfte Eltern...

"Krone"-Eltern-Kids-Coach Nina Petz steht Ihnen mit Rat zur Seite - per Videoklick auf krone.at/erziehung sowie gemeinsam mit ihrem Team per E-Mail und Post. Ihre Anfragen werden vertraulich behandelt.

Falsche Freunde - was tun? In der Pubertät ist es wichtig, sich nicht auf einen Machtkampf mit seinem Kind einzulassen. So wäre es z.B. kontraproduktiv und wohl auch wirkungslos, ihm den Umgang mit bestimmten Freunden zu verbieten. Aber sie sollen natürlich Ihre Sorgen, Ihre Gefühle formulieren (dürfen) - aber bitte ohne Belehrungen. Das würde nur zum weiteren Rückzug des Jugendlichen führen. Oft ist es hilfreich, klare Grenzen zu setzen. Diese geben auch den Eltern Sicherheit. Oft hilft es auch, über den eigenen Schatten zu springen und die Freunde des Kindes in familiäre Freizeitaktivitäten einzubinden. So erhalten Sie einen Einblick in die Beziehungen Ihrer Kinder und lernen die Menschen, die ihnen wichtig sind, kennen. Ist Gefahr in Verzug, bei einem Mobbingverdacht, etwaigen Drogenproblematiken oder Ähnlichem, rate ich, sich dringend mit der Schule und anderen Eltern zu vernetzen. In einer gemeinsamen Helferkonferenz kann man einfacher herausfinden, was zur nachhaltigen Lösung der Situation beitragen kann. Eltern, die glauben, Teenager mit strengen Regeln bändigen zu können, treiben sich selbst nur in den Wahnsinn.

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(Bild: kmm)



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