Android-Konsole

Zauberwürfel mit Schönheitsfehlern: Ouya im Test

Elektronik
12.04.2014 09:00
Es hat ein wenig gedauert, bis sie ihren Weg nach Europa fand, aber jetzt ist sie da: Die über die Crowdfunding-Seite Kickstarter finanzierte Android-Konsole Ouya lockt Spieler mit Kampfpreis-Hardware, vielen Games unabhängiger Entwickler und umfangreichen Anpassungsmöglichkeiten ihrer Software. Im krone.at-Testlabor offenbarte die Ouya sowohl bei der Hard- als auch bei der Software zwar ein paar Schwächen - warum wir uns trotzdem ein wenig in den Konsolen-Winzling verliebt haben, erfahren Sie im Test.

Überzeugte Konsoleros werden ob der in der Ouya verbauten Hardware die Nase rümpfen: Beim Prozessor handelt es sich um Nvidias Vierkerner Tegra 3 mit 1,6 Gigahertz Takt. Der gleiche Chip verrichtet auch in manchen Tablets, etwa Microsofts erstem Surface RT, seinen Dienst. Die RAM-Ausstattung der Ouya beläuft sich auf ein Gigabyte, der intern verfügbare Speicher auf lediglich acht Gigabyte. Erweitert wird er über USB-Datenträger, also Festplatten oder USB-Sticks. Ins Internet gelangt man wahlweise über eine Ethernet-Buchse oder das integrierte WLAN-Modul. Bluetooth gibt's auch.

Das klingt erst mal nicht nach viel, schließlich warten bereits viele aktuelle Smartphones mit ähnlicher, wenn nicht mehr Rechenpower auf. Und auch im Vergleich mit aktuellen Konsolen wie der mit einem Achtkern-Chip von AMD und acht Gigabyte GDDR5-RAM ausgestatteten PS4 oder der vergleichsweise schwach motorisierten Wii U von Nintendo sieht die Ouya kein Land. Das muss man in aller Deutlichkeit sagen: Ein Ersatz für die Konsolen der etablierten Hersteller ist die Ouya nicht. Da scheitert es nicht nur an der relativ schwachen Hardware, sondern auch am Mangel an hochkarätigen Games.

Solide Konsole, schwaches Gamepad
Zunächst zur Hardware: Die ist mit einem Anschaffungspreis von rund 110 Euro inklusive Controller erfreulich günstig, was man ihr leider auch ansieht. Während die Konsole selbst – ein kompakter Würfel mit einer Seitenlänge von etwa acht Zentimetern – solide verarbeitet ist und optisch wie haptisch einen vernünftigen Eindruck macht, wirkt der mitgelieferte Bluetooth-Controller ziemlich billig.

Ergonomisch reicht der Controller, dessen Tastenlayout jenem des Xbox-360-Controllers ähnelt, an keines der Eingabegeräte der etablierten Konsolenhersteller heran. Selbst in den vergleichsweise großen Pranken des Testers fühlte sich der Ouya-Controller eher klobig an, die Schultertasten bieten nur schwammiges Feedback, das verwendete Material liegt nicht allzu griffig in der Hand. Praktisch: Für Games, die für Touch-Bedienung optimiert sind, gibt's ein in den Controller integriertes Touchpad, das im Test einen recht zuverlässigen Eindruck hinterließ.

Controller-Stromversorgung suboptimal
Besonders negativ ist uns die Stromversorgung des Bluetooth-Controllers aufgefallen: Er wird mit zwei Mignon-Batterien betrieben, die umständlich durch das Abnehmen zweier Abdeckplatten am Controllergriff getauscht werden müssen. Ein interner Akku oder zumindest die Möglichkeit, selbst Akkus einzulegen und diese über einen Stromanschluss zu laden, hätte uns deutlich besser gefallen.

Dafür bleibt die Ouya – sie wird im Inneren von einem einzelnen Lüfter gekühlt – im Betrieb angenehm leise und erfreut den Anwender auch mit geringem Stromverbrauch. Durch ihre kompakten Abmessungen findet sie zudem problemlos im Umfeld des TV-Geräts Platz. Wer die Android-Konsole nicht direkt neben das TV-Gerät stellt, wird sich am etwas kurzen mitgelieferten HDMI-Kabel stören.

Modifiziertes Android, Zwang zur Kreditkarte
Bei der Software setzt die Ouya auf ein modifiziertes und mit einer hauseigenen Benutzeroberfläche an die Controller-Bedienung angepasstes Android 4.1, das mit seinem bildlastigen Kachel-Interface ein wenig an einen Mix der Benutzeroberflächen von PS4 und Xbox One erinnert.

Googles Play Store ist standardmäßig nicht an Bord, stattdessen setzt die Ouya auf einen eigenen Spiele-Marktplatz. Ein Unding: Noch bevor der Spieler überhaupt einen ersten Blick in den Spielemarktplatz werfen darf, muss er schon seine Kreditkartennummer hinterlegen.

Das Bedienerlebnis ist ein vergleichsweise flüssiges, der Startbildschirm der Ouya ist weitgehend selbsterklärend und gewährt schnellen Zugriff auf die installierten Games. Anfangs wird man vor allem im Shop von den zahlreichen bunten Icons ein wenig erschlagen und braucht eine Weile, bis man jene Rubrik gefunden hat, in der man gezielt – nach Genres sortiert – nach einzelnen Spielen suchen kann. Hat man die Logik aber erst einmal durchschaut, ist die Bedienung nicht komplizierter als bei anderen Konsolen.

Spieleangebot eher für Gelegenheitsspieler
Das Spieleangebot der Ouya ist groß, aber eher einseitig. Ein Großteil der verfügbaren Games dürfte Smartphone-Spielern bereits bekannt sein und richtet sich eher an Gelegenheitsspieler als an Profis. Einfache Rennspiele, das eine oder andere Weltraum-Ballerspiel, Jump'n'Runs und 2D-Retrospiele dominieren die Auswahl, dazwischen finden sich aber auch hochkarätigere Titel und bekannte Namen – etwa "The Cave", ein paar Sonic-Games oder "Final Fantasy III". Auch exotischeres Spielefutter – etwa Meditations-Games – stehen für die Ouya bereit. Die Spiele stehen zum Großteil in einer kostenlosen Testversion zur Verfügung, für die Vollversion muss man aber zahlen.

Optisch opulentere Shooter wie "Shadowgun" gibt es auch, allerdings sollte man sich von der eher schwachen Hardware keine grafischen Höhenflüge erwarten. Nach dem Spielen würden wir die optische Qualität irgendwo zwischen PS2 und PS3 einordnen. "Shadowgun" dürfte die Hardware auch bereits an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit treiben: Das Spiel lief auf unserer Testkonsole zwar absolut spielbar, aber nicht so flüssig, wie es das bei einer Bildrate von 60 Bildern in der Sekunde eigentlich müsste. Wir gehen von einer tatsächlichen Bildrate von 30 Bildern pro Sekunde aus – unterhalb dieser Grenze macht sich Ruckeln bemerkbar.

Multimedia-Fähigkeiten machen vieles wett
Wenn nun aber die Hardware schwach ist, der Controller nicht die optimale Ergonomie aufweist und das Spieleangebot eher einseitig ist, warum haben wir uns dann – wie eingangs erwähnt – ein wenig in die Ouya verliebt? Die Antwort: Was Multimedia-Fähigkeiten angeht, stellt der kleine Zauberwürfel die gesamte etablierte Konkurrenz weit in den Schatten. Da können weder Xbox One noch PS4 oder Wii U mithalten.

Der Grund liegt in der Software, die auf der Ouya läuft. Weil Googles Android auf der Tegra-3-Konsole seinen Dienst verrichtet, gibt es eine Vielzahl cooler Multimedia-Apps, die dem kleinen Zauberwürfel einen Funktionsumfang verleihen, der den Smart-TV überflüssig macht und andere Konsolen alt aussehen lässt.

Mit der App TuneIn holt man sich beispielsweise die Radiosender der Welt auf die Konsole, die Mediacenter-Tools XBMC und Plex streamen Videos in fast allen Formaten vom heimischen Rechner, dem Tablet oder dem Smartphone aufs TV-Gerät und lassen sich mit Add-ons um zahlreiche Online-Videoangebote erweitern. Video-Apps für Android – etwa YouTube oder die ORF-Mediathek – laufen ebenfalls auf der Ouya. Und wem das nicht reicht, der kann problemlos allerlei weitere Android-Anwendungen im APK-Format aus dem Internet installieren.

Emulatoren machen Ouya zur Retro-Konsole
Ebenfalls eine tolle Sache: Für Android gibt es eine Vielzahl von Emulator-Apps für Retro-Spiele. Damit lassen sich problemlos Spieleklassiker aus MegaDrive- und Super-Nintendo-Zeiten auf dem großen TV-Schirm spielen, und auch für N64- und PSX-Games reicht die verfügbare Rechenpower. Das entschädigt bis zu einem gewissen Grad für die eher einseitige Spieleauswahl im Ouya-Shop.

Kleiner Wermutstropfen: Retro-Games sind üblicherweise auf Röhrenfernseher-Auflösung ausgelegt, was auf heutigen HD-Geräten schlicht nicht mehr gut aussieht und für ziemlich verpixelte Grafik sorgt. Dafür klappte die Steuerung von Retro-Games mit dem Ouya-Gamepad im Test ziemlich gut, häufig mussten wir gar nichts nachjustieren, weil automatisch eine passende Tastenbelegung gewählt wurde.

Fazit: Ihre Fähigkeiten als Mediacenter und Retro-Konsole sind es, die die Ouya trotz ihrer Schwächen bei Hard- und Software zu einem interessanten Gerät machen. Als echte Alternative zu etablierten Konsolen taugt sie aus unserer Sicht nicht – da scheitert es sowohl an der Rechenpower als auch an der Spieleauswahl. Wer aber einen einigermaßen kostengünstigen Weg sucht, um seinen HD-Fernseher na Emulator zu wagen, für den könnte die Ouya das ideale Gerät sein. Zumal ihr in diesen Bereichen keine der drei- bis viermal so teuren Konkurrenzkonsolen das Wasser reichen kann.

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