Als die chinesisch-japanischen Beziehungen im Jahr 2010 wegen des Streits um die Inselgruppe Senkaku (Bild) einen neuen Tiefpunkt erreichten, stellte China kurzerhand die Lieferung der für zahlreiche Elektronikartikel – von Smartphones bis hin zu Elektromotoren - benötigten Seltenen Erden an den verhassten Nachbarn ein. Für die japanische Industrie, die den Großteil des benötigten seltenen Rohstoffes aus China bezog, war dies ein harter Schlag.
Japan will Abhängigkeit von China reduzieren
Verständlich, dass Japan seither auf der Suche nach alternativen Quellen für die seltenen Mineralien ist, die unter anderem für den Bau starker Magnete notwendig sind. Jetzt hat ein Forschungsteam vor der Küste Tokios unweit der Insel Minami Torishima in 5,8 Kilometern Wassertiefe die entscheidende Entdeckung gemacht: Schlamm mit einem hohen Anteil Seltener Erden. "Wir haben eine astronomisch hohe Konzentration von Seltenen Erden in dem Schlamm gefunden, den wir untersucht haben", sagte Yasuhiro Kato von der Universität Tokio der Nachrichtenagentur Reuters.
Als der Wissenschaftler erstmals die Daten zu dem Schlamm aus den Tiefen des Pazifiks sah, habe er sie für einen Fehler gehalten, weil die Konzentration so hoch war. Tatsächlich seien in dem Meeresboden vor Japans Küste derart hohe Konzentrationen von Seltenen Erden zu finden, dass mit nur einer Schiffsladung des Mineralschlamms 60 Prozent des japanischen Jahresbedarfs gedeckt werden könnten, so die Forscher aus Tokio.
Seltene Erden im Pazifik als taktischer Vorteil für Japan
Die Entdeckung des Vorkommens verschafft Japan einen taktischen Vorteil gegenüber China. War Tokio bislang im Bereich der Seltenen Erden vom guten Willen Pekings abhängig, diese auch zu konkurrenzfähigen Preisen zu verkaufen, kann Nippon seinen Eigenbedarf der seltenen Mineralien jetzt grundsätzlich selber decken. Wie schnell die Reserven am Meeresgrund angezapft werden, hängt dabei auch davon ab, wie sich das Preisniveau der Materialien aus China entwickelt.
China verfügt über rund 30 Prozent der weltweit verfügbaren Seltenen Erden, deckt gleichzeitig aber rund 90 Prozent des Weltbedarfs ab. Der Grund: Der Abbau der seltenen Mineralien ist äußerst aufwendig und oft mit erheblichen Schäden an der Umwelt verbunden. China produziert das Material konkurrenzlos günstig, weshalb andere Länder die eigenen Reserven nicht antasten und stattdessen aus China importieren.
Elektronikindustrie ist dem Diktat Chinas ausgeliefert
Damit liefert sich die Elektronikindustrie jedoch auch dem guten Willens Chinas aus, die Rohstoffe weiterhin zu günstigen Konditionen zu exportieren. Zuletzt machte China durch Maßnahmen von sich reden, welche die Preise für Seltene Erden nach oben trieben. So durfte einem Bericht des britischen IT-Portals "The Register" zufolge eine der größten chinesischen Abbaustätten für Seltene Erden im vergangenen Oktober keinerlei Material abbauen, um das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bei den wertvollen Materialien zugunsten Chinas zu beeinflussen.
Die Welthandelsorganisation untersucht den Vorfall. Für Länder mit einer florierenden Elektronikindustrie wie Japan dürften derlei Ereignisse aber durchaus als Anreiz dienen, bei den Lieferungen Seltener Erden weniger abhängig von China zu werden und eigene Reserven anzuzapfen. Neben China und Japan werden in Australien, den USA, der Mongolei, Indien und Kanada größere Vorkommen der begehrten Rohstoffe vermutet.
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