"Hoffnungslos"

Hightech verhindert laut Expertin keine Gewaltdelikte

Elektronik
04.06.2013 12:18
Videokameras, Vorratsdatenspeicherung, vernetzte Datenbanken und Drohnen – moderne Technologien sollen Gefahren schon im Voraus erkennen, um so die Welt sicherer zu machen. Ein teurer und "hoffnungsloser Ansatz", findet Jutta Weber von der Universität Paderborn. Zu glauben, dass ausschließlich technisches Hochrüsten Sicherheit bringt, sei ein Trugschluss, so die Philosophin und Technikforscherin anlässlich der vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung organisierten Konferenz "Sicherheit als Technik" in Wien.

So würden etwa Videokameras in U-Bahn-Stationen und Bahnhöfen nicht die Sicherheit der Passagiere erhöhen, sondern seien allenfalls bei der Strafverfolgung hilfreich, erklärte die Expertin. Auch Anschläge wie das Bombenattentat beim Boston-Marathon könne man mit Videoüberwachung nicht verhindern. "Es ist gut, dass man solche Täter findet, aber dass man sich so stark auf die Verfolgung fokussiert, zeugt eher von archaischen Rachegedanken, als es hilft, die Welt für alle sozial verträglicher und lebenswerter zu machen", so Weber.

Fokus auf Überwachung
Die Technikforscherin kritisiert, dass sich die Sicherheitspolitik in der Angst vor terroristischen Anschlägen oder Gewaltverbrechen zunehmend in Richtung präventiver Sicherung verschiebt. Dazu gehöre es, so umfassend wie möglich Daten der Bürger zu sammeln und daraus Muster und Profile zu erstellen. Man beschäftige sich mit einer "geradezu bürokratischen Imagination möglicher zukünftiger Bedrohungen, anstatt aktuelle Probleme anzugehen", sagte sie.

"Ängstliche Leute sind besser regierbar"
Die Beschwörung potenzieller, aber nicht unbedingt realer Gefahren schüre wiederum neue Ängste. Nutznießer der Angst in der Bevölkerung seien die Hersteller von Hightech-Überwachungssystemen sowie Politiker. "Es ist eine alte Weisheit: Leute, die Angst haben, sind besser regierbar", erklärte Weber.

Die Sicherheitsfrage sei heute sehr stark auf Überwachung und Verbrechensbekämpfung beschränkt, während andere gesellschaftliche Gefahren wie eine Verschlechterung des Gesundheitssystems und der sozialen Sicherheit kaum diskutiert würden.

"Es wird immer als notwendig, unvermeidbar und alternativlos dargestellt, dass die soziale Sicherheit erodiert wird", sagte Weber. Gleichzeitig versuche man mit einem "riesigen Aufwand", mit Hightech-Geräten die Sicherheit von "Leib und Leben" zu gewährleisten.

"Altmodisch und nicht so sexy"
Dabei ließe sich die Sicherheit oftmals effektiver mit sozialen Ansätzen erhöhen, meint Weber, etwa indem man untersucht, wie "bestimmte gesellschaftliche Konflikte" entstehen, um diese im Vorfeld abzuschwächen. Aber Konfliktfelder zu erforschen, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und sich der Kulturarbeit zu widmen, klinge "altmodisch und nicht so sexy" und lasse sich nicht so gut vermarkten wie ein neues Hightech-Gerät.

"Die Politik ist durch ökonomische Zwänge in ihrer Handlungsfähigkeit immer mehr eingeschränkt, technikzentrierte Sicherheit scheint eines der wenigen Felder zu sein, in dem die Politik noch den Eindruck vermitteln kann, dass sie etwas tut", sagte sie.

Freiwillige Überwachung
Die ständige Überwachung sei mittlerweile so selbstverständlich, dass die Kontrolle nicht ausschließlich "von oben" ausgeübt werde, sondern auch freiwillig und interaktiv funktioniere, erklärte Weber: Zum Beispiel wenn die Menschen in sozialen Netzwerken ständig ihren Standort bekannt geben und sich dort auf dem Laufenden halten, was ihre Freunde gerade treiben.

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