Cyborg-Insekten

Bausatz lässt User Kakerlaken mit dem Handy steuern

Elektronik
12.06.2013 15:24
Die Vorstellung, ein Lebewesen mit dem Smartphone fernsteuern zu können, ist beängstigend. Ein US-Unternehmen will jetzt jedoch genau das im großen Stil tun. Über die Crowdfunding-Seite Kickstarter versucht die Firma Backyard Brains, genug Geld zu sammeln, um Bausätze zu entwickeln, mit denen sich gemeine Kakerlaken durch einen kleinen Eingriff in ferngesteuerte Roboter verwandeln lassen. Der fertige Bausatz soll Schülern dabei helfen, die Vorgänge im Gehirn besser zu verstehen.

Eigentlich ist die Robo-Kakerlake auf Kickstarter nichts anderes als ein fehlgeschlagenes Projekt der Forschungsfirma DARPA des US-Militärs. Die Grundidee: Über kleine Drähte, die mit den Nerven in den Fühlern der Kakerlake verbunden sind, werden Signale an das Insektenhirn gesendet, die ein gewisses Verhalten auslösen. Konkret könnte man der Kakerlake so beispielsweise vorgaukeln, sie stehe vor einer Wand und müsse deshalb in eine bestimmte Richtung ausweichen, woraufhin das Krabbeltier diese einschlägt.

Das Problem des US-Militärs: Wie der Technikblog "Mashable" berichtet, gewöhnt sich das Schabenhirn nach kurzer Zeit an die elektrischen Impulse aus der Steuerungseinheit und ignoriert sie. Für den militärischen Einsatz macht das die Robo-Kakerlaken wertlos. Um die Funktionsweise des Gehirns zu erforschen, seien die ferngesteuerten Tiere allerdings perfekt geeignet, ist Greg Cage, Mitgründer der Firma Backyard Brains, überzeugt.

Günstiger Bausatz soll via Kickstarter finanziert werden
Er will den Bausatz für die "Roboroach", wie er die ferngesteuerten Krabbler nennt, mithilfe der Kickstarter-Gemeinde tauglich für den Massenmarkt machen und Schulen in den ganzen USA damit ausrüsten. Im Biologieunterricht, so hofft Cage, könnte sein Bausatz den Schülern helfen, die Funktionsweise des Gehirns besser zu verstehen. Und auch kleine Forschungseinrichtungen oder private Forscher, die mehr über die Funktionsweise des Gehirns erfahren möchten, gehören nach Cages Vorstellung zur Zielgruppe des "Roboroach"-Bausatzes.

Technisch besteht der Bausatz aus einer kleinen Platine, auf der ein Bluetooth-Modul und eine Knopfbatterie platziert sind. Über das Bluetooth-Modul wird das Smartphone angebunden, von dem aus die Befehle für das Insektenhirn kommen. Die Batterie liefert den Strom für die elektrischen Impulse an die Fühler der Kakerlake. Über ein Verbindungsstück und extrem feine Silberdrähte, die mit den Nerven in den Fühlern verbunden werden, gelangen die Signale ins Gehirn des Insekts und lassen den Smartphone-Nutzer das Tier so lang steuern, bis es sich an die Impulse gewöhnt hat und sie ignoriert. Üblicherweise dauert das ein paar Minuten, so Cage.

Bausatz könnte beim Kampf gegen Alzheimer helfen
Die Macher des Bausatzes hoffen, dass er bei der Bekämpfung von Hirnerkrankungen helfen könnte. Jeder Fünfte bekomme irgendwann eine neurologische Fehlfunktion wie Alzheimer oder Parkinson, so Cage. Im Moment seien derlei Erkrankungen schlicht nicht heilbar. Gelingt es aber, das Wissen über die Vorgänge im Gehirn besser zu verstehen, könnten eines Tages Therapiemethoden für diese neurologischen Störungen entdeckt werden. Die Robo-Kakerlaken könnten beim Erforschen der Vorgänge im Hirn und dem besseren Verständnis für neurologische Vorgänge eine wichtige Rolle spielen, so Cage.

Denn auch wenn sie uns nicht ähnlich sehen: Die Hirne von Kakerlaken funktionieren recht ähnlich wie jenes des Menschen. In beiden Fällen lösen bestimmte Impulse bestimmte Verhaltensweisen aus. Für Experimente sei das Ungeziefer bestens geeignet – vor allem auch, weil es leicht verfügbar ist und nicht unter das US-Tierschutzgesetz fällt, das beispielsweise Versuche an Ratten oder anderen Säugern verbieten würde. Weil sie auch noch recht einfach zu bekommen sind und kaum etwas wiegen, seien Kakerlaken das perfekte Studienobjekt, meint Cage.

Viel Skepsis gegenüber "Roboroach"-Projekt
Er räumt jedoch ein, dass die Idee mit den ferngesteuerten Kakerlaken nicht bei jedermann auf Gegenliebe stößt. "Manche Leute haben diese Befürchtung, wenn wir Kakerlaken kontrollieren, kommen als nächstes Hunde und dann Menschen", sagt Cage. Die Skepsis sei jedoch unbegründet. "Ich antworte darauf immer, dass es sich um einen kurzen Trick handelt, bei dem man zwei Minuten mit der Kakerlake spielen kann, bevor sie dahinterkommt und sich anpasst. Das Gleiche würde auch in einem Affen oder Menschen passieren", zitiert der Blog Cage.

Manche finden sein Projekt aber auch einfach grausam. Die Tatsache, dass das Anbringen des Bausatzes an der Kakerlake einen kleinen Eingriff an dem Tier notwendig macht, schockiert Tierfreunde. Laut Cage ist allerdings bislang noch keine Kakerlake bei seinen Versuchen zu Schaden gekommen. Abgezwickte Fühler, in die die Silberdrähte eingeführt werden, würden nach einigen Wochen nachwachsen, beteuert der Tüftler. Für verlorene Beine gelte das Gleiche.

US-Schulen nutzen erste Bausätze bereits
150 Bausätze für Robo-Kakerlaken hat Backyard Brains bereits an Schulen in den USA ausgeliefert. Im Unterricht experimentieren die Schüler damit. Gelingt es dem Team um Cage, die 10.000 Dollar aufzutreiben, die sie über Kickstarter sammeln wollen, könnten es schon bald bedeutend mehr sein.

Cage: "Das wichtigste Ziel unserer Firma ist, eine 'Neuro-Revolution' einzuleiten. In der Computerwissenschaft gibt es beispielsweise tonnenweise Amateure, die etwas für das Feld tun, weil der Zugang zu den notwendigen Werkzeugen einfach und günstig ist. Wäre es nicht cool, wenn wir das auch bei der Neurowissenschaft schaffen würden?"

In einem Video zeigt die Firma, wie der Bausatz an einer Kakerlake montiert wird, wie das Tier ferngesteuert wird und wie es sich an die elektrischen Impulse gewöhnt. Achtung: In dem Video wird ein Eingriff an dem Tier durchgeführt. Wer derlei Szenen nicht sehen möchte, sollte besser nicht auf diesen YouTube-Link klicken.

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