Nicht nur Diamanten

Auch an unseren Handys klebt afrikanisches Blut

Elektronik
12.08.2010 18:29
Haben wir mit dem Kauf unserer Handys, Laptops und Digitalkameras Vergewaltigungen und Morde im heißen Herzen Afrikas unterstützt? Eine durchaus berechtigte Frage: Denn nicht nur die sogenannten Blutdiamanten, wie sie Liberias Ex-Präsident Charles Taylor dem Topmodel Naomi Campbell verehrt haben soll, gehören zu den Konfliktmaterialien - sondern auch Mineralien wie Gold, Tantal, Wolfram und Zinn, die in fast allen elektronischen Geräten zu finden sind, die wir tagtäglich nutzen.

So wurden und werden Kriege in Afrika nach wie vor mit diesen Mineralien - wie eben auch mit Blutdiamanten - finanziert. Der Osten Kongos ist reich an den seltenen Bodenschätzen. Ein neues Gesetz in den USA verlangt nun von Unternehmen einmal im Jahr einen Herkunftsnachweis. Sie müssen aufschlüsseln, ob sie eine der vier Konfliktmaterialien aus dem Kongo für ihre Produkte verwendet haben - und wenn ja, die Zulieferer-Kette "mit größtmöglicher Genauigkeit" bis zur Ursprungsmine zurückverfolgen.

Schmuggel verschleiert genaue Herkunft
Neben dem Kongo sind neun benachbarte Staaten von dem Herkunftsnachweis betroffen. Schließlich wird durch Schmuggel allzu oft versucht, das Ursprungsland der Rohstoffe zu verdunkeln. Wenn die Unternehmen belegen können, dass ihre Produkte keine Mineralien enthalten, deren Abbau direkt oder indirekt bewaffneten Gruppen in einem der zehn Länder zugutekommt, dürfen sie ihre Produkte mit dem Prädikat "konfliktfrei" versehen.

Der Kongo ist zwar eine Schatzkammer voller Mineralien, aber die Produktion ist gemessen an anderen Ländern relativ gering. Meist werden die Rohstoffe noch per Hand abgebaut. Im Jahr 2008 stammten schätzungsweise nur fünf Prozent der weltweiten Zinnproduktion aus dem zentralafrikanischen Land. Der Anteil an der weltweiten Tantalerz-Produktion ist zwar höher, aber auch hier sind Brasilien und Australien die Marktführer. Dennoch ist der Mineralien-Abbau ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaftstätigkeit im rohstoffreichen Osten.

Geldquelle für afrikanische Rebellengruppen
Hier kontrollieren Rebellen vielerorts die Minen und bauen die Bodenschätze durch Ausbeutung der örtlichen Bevölkerung ab. Von dem erwirtschafteten Geld kaufen sie neue Waffen für immer neue Konflikte. "Die Konflikte sind keine Kämpfe um Rohstoffe", sagte Laura Seay, eine Assistenzprofessorin für Politikwissenschaften am Morehouse College in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia. "Die Mineralien werden nur genutzt, um die Kämpfe zu finanzieren."

Ursache der Konflikte seien Landrechte und der Zustrom von Flüchtlingen und Milizionären aus dem benachbarten Ruanda, die unter dem Eindruck des Völkermords 1994 den Ost-Kongo überschwemmten. Seither sind in den immer wieder aufflammenden Konflikten rund fünf Millionen Menschen umgekommen, größtenteils Zivilpersonen. Immer wieder kommt es zu systematischen Massenvergewaltigungen durch bewaffnete Gruppen.

Mit dem neuen Gesetz sollen die Finanzquellen der Rebellen ausgetrocknet werden. Kritiker bezweifeln allerdings, dass es die gewünschte Wirkung zeigt. Denn einen vollständigen Boykott wollen weder die Vereinten Nationen noch die USA, weil er die Probleme in dem instabilen Land noch verschärfen könnte. Bestraft würden durch einen Boykott auch die schätzungsweise eine Million Minenarbeiter, denen die Lebensgrundlage entzogen würde.

Korrupte Beamte verhindern effiziente Kontrolle
"Wir wollen nicht, dass sich die Käufer zurückziehen", betont Sasha Lezhnev, Berater der US-Organisation Enough Project, die gegen den Handel mit Konfliktmaterialien kämpft. "Sie sollen nur genau überprüfen, woher die Rohstoffe stammen und so zum positiven Wandel in der Region beitragen." Vielerorts fehlt es allerdings an der nötigen Kontrolle durch die Regierung oder der Überwachungsprozess wird mithilfe korrupter Beamter unterlaufen. Der kongolesische Informationsminister Lambert Mende sagte, die Regierung begrüße das US-Gesetz. Dadurch werde das Land ermutigt, geeignete Überprüfungsmechanismen einzuführen.

Intel hat seine Tantal-Hütten bereits vor zwei Jahren von dem geplanten Gesetzentwurf in Kenntnis gesetzt. "Die Herkunftszertifikate werden nur geringfügige Kosten für die Zuliefererkette verursachen", sagte ein Sprecher. Das International Tin Research Institute (ITRI) befürchtet allerdings, dass die Zeit für viele US-Unternehmen knapp wird, wenn sie bereits ab kommendem Jahr die Herkunft der Rohstoffe nachweisen müssten. Derzeit arbeitet das ITRI an einem Pilotprojekt, um herauszufinden, inwieweit man die Herkunft der Mineralien bestimmen kann. "Es ist ganz offenkundig ein schwieriges Arbeitsumfeld", sagte Sprecherin Kay Nimmo. "Wir brauchen genügend Zeit, um ein System auszuklügeln. Andernfalls wird es auf eine Handelsblockade hinauslaufen."

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