Tode in iPhone-Fabrik

Arbeiter sollen nun Anti-Suizid-Vertrag unterschreiben

Elektronik
26.05.2010 15:54
Der chinesische Elektronikhersteller Foxconn steht seit einigen Tagen international in der Kritik, weil katastrophale Arbeitsbedingungen in seinen Fabriken zu Selbstmorden geführt haben sollen. Der in Taiwan ansässige Konzern, der in der Volksrepublik u.a. Computer für HP und Dell sowie für Apple das iPhone zusammenbaut, gelobte zwar, für Prävention und Verbesserungen zu sorgen. Die tatsächliche "Lösung": Beschäftigte müssen sich jetzt schriftlich verpflichten, sich nicht selbst zu töten.

Die Serie von Selbstmorden beim weltweit größten Elektronik-Hersteller hat in den letzten Tagen und Wochen ein Schlaglicht auf die harschen Arbeitsbedingungen der chinesischen Wanderarbeiter, ihre persönliche Isolation weit weg von ihren Familien und letztendlich auch auf ihre Hoffnungslosigkeit geworfen.

In der Fabrik in Shenzhen, wo seit Jahresbeginn zehn Selbstmorde stattfanden, arbeiten 300.000 Menschen. Foxconn beschäftigt in China insgesamt 800.000 Mitarbeiter, die meisten sind sogenannte Wanderarbeiter aus ländlichen Gegenden. Von ihnen gibt es in der "Werkbank der Welt" China rund 100 Millionen.

Ein Leben am Fließband
Meistens leben die Arbeiter direkt auf dem Werksgelände in Wohnblocks, verlassen die Fließbänder nur, um zu Essen oder zu schlafen. "Wir sind extrem müde, haben ungeheuren Druck", berichteten Foxconn-Arbeiter laut der in New York ansässigen Organisation "China Labor Watch". "Wir beenden einen Arbeitsvorgang alle sieben Sekunden. In jeder Schicht fertigen wir 4.000 Dell-Computer - alles im Stehen."

17 der 25 von China Labor Watch interviewten Arbeiter führten die Selbstmorde auf den hohen Arbeitsdruck zurück. Sie haben nur einen Tag pro Woche frei, legen dann oft noch Überstunden ein. Vor und nach der Schicht, die zehn bis zwölf Stunden dauert, gibt es noch unbezahlte Mitarbeitersitzungen. Es wird der vorgeschriebene Mindestlohn von 900 Yuan (108 Euro) monatlich bezahlt. Für Überstunden gibt es 7,8 Yuan und 10,34 Yuan am Wochenende.

Der Exekutivdirektor von China Labor Watch, Li Qiang, hält mehrere Gründe für die Selbstmorde für möglich: "Foxconns militärischen Verwaltungsstil, mangelnden Respekt der taiwanesischen Manager für chinesische Arbeiter und Strategien, die darauf abzielen, nur kurzfristige Jobs zu schaffen." Empörung löste ein Video aus, das Wachleute in schwarzen Uniformen zeigt, die im August Arbeiter in dem Foxconn-Werk in Peking brutal verprügelten.

Verzichtserklärung als Selbstmordprävention
Terry Kuo (li.), der Vorsitzende der Hon-Hai-Gruppe, zu der Foxconn gehört, bestritt in einem am Montag verbreiteten Statement, dass schlechte Behandlung der Beschäftigten hinter den Selbstmorden stecken könnte. "Foxconn ist kein Ausbeuterbetrieb", sagte Kuo, der meinte, dass möglicherweise die breite Berichterstattung über die Fälle zur Nachahmung angeregt haben könnte. Er versprach, in Zukunft für Prävention zu sorgen - wie, sagte er aber nicht.

Wie asiatische Zeitungen jetzt enthüllten, handelt es sich bei den "Präventionsmaßnahmen" offenbar um eine Art Selbstmord-Verzichtserklärung. Die Beschäftigten erhielten kürzlich einen Brief samt Formular, mit dem sie sich schriftlich verpflichten, sich nicht selbst zu töten. "Ich verspreche, mich oder andere niemals in einer extremen Form zu verletzen", heißt es darin laut einem Faksimile in der chinesischen Zeitung "Southern Metropolis Daily". Die Beschäftigten erlauben mit ihrer Unterschrift dem Unternehmen außerdem, sie "zum eigenen Schutz und dem anderer" in eine psychiatrische Klinik zu schicken, sollten sie in einer "anormalen geistigen oder körperlichen Verfassung sein".

Weil sich es sich bei den Selbstmorden in der Fabrik in der Sonderwirtschaftszone Shenzhen meist um Todessprünge handelte, seien außerdem sämtliche Gebäude auf dem Gelände mit Netzen verhängt worden, um Stürze zu verhindern, so die Zeitung.

Apple will Foxconn genauer auf die Finger schauen
Inzwischen gibt es erste Reaktionen von Foxconns Auftraggebern. Apple erklärte am Mittwoch, es werde die Schritte von Foxconn, weitere Selbstmorde zu verhindern, genau verfolgen. Das Unternehmen fühle sich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Bedingungen für die Arbeiter in der Produktion "sicher" seien und dass die Beschäftigten mit Respekt behandelt würden, erklärte eine Sprecherin. Eine Arbeitsrechtsorganisation hatte am Dienstag angekündigt, sie wolle zum Boykott des iPhone aufrufen.

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