"Surf-Spielzeug"

Apples iPad 2: Über Sinn und Unsinn eines Tablets

Elektronik
04.04.2011 10:33
Schneller, schlanker, leichter, mit zwei Kameras, einer magnetischen Schutzhülle und einer neuen iOS-Version - was das neue iPad 2 von Apple kann, ist bereits hinlänglich bekannt. Wofür man es eigentlich braucht, hingegen nicht. Ein Erklärungsversuch über Sinn und Unsinn eines Tablets.

Der Motor des Kapitalismus ist der Konsum. Oder anders gesagt: Solange gekauft wird, geht's der Wirtschaft gut. Und geht's der Wirtschaft gut, geht es uns bekanntermaßen allen gut. In Industrieländern wie Österreich gibt es dabei allerdings ein Problem: Die Märkte sind gesättigt. Wir haben bereits (fast) alles, und davon reichlich. Die Hersteller sind deshalb bemüht, immer wieder neue Bedürfnisse beim Konsumenten zu wecken.

Da diese rationalen Verkaufsargumenten nicht immer zugänglich sind - schließlich gleichen sich die meisten Produkte wie ein Ei dem anderen -, versuchen findige Werber und Marketingstrategen, ihre Produkte "emotional aufzuladen". Man kauft keinen Artikel, sondern ein Lebensgefühl, ein bisschen Wellness, Glück oder vielleicht die nötige Portion Individualismus, um sich vom Gros der anderen Käufer abzuheben.

Viel mehr als bloß ein MP3-Player, Handy oder Tablet
Apple beherrscht diese hohe Kunst des Emotionalisierens wie kaum ein zweiter Konzern in der Unterhaltungselektronikbranche. Andere mögen PCs, MP3-Player, Smartphones oder Tablets verkaufen, doch Apple hat den Mac, den iPod, das iPhone und seit gut einem Jahr auch das iPad. Wer eines dieser Produkte sein Eigen nennt, gilt als jung, dynamisch, hip - oder wäre es zumindest gerne - und verfügt noch dazu über das nötige Kleingeld.

Die Gründe für den Erfolg der Marke Apfel beruhen aber nicht allein auf dem durch Werbung geschaffenen Image und den – oftmals als fanatisch verschrienen – Fans des Unternehmens, die vor jedem Verkaufsstart stunden- oder sogar tagelang vor den Apple-Stores ausharren. Nein, es sind vor allem die Versäumnisse der Konkurrenz, die dem Konzern rund um Steve Jobs den gewissen Marktvorteil verschaffen.

Trends verpennt
Entwicklungen wurden schlichtweg verschlafen, und so ist das anfangs belächelte iPad auch ein Jahr nach seiner Einführung weitgehend allein am Markt für Tablet-PCs. Die seitens namhafter Hersteller angekündigte Konkurrenz, vorwiegend basierend auf Googles offener Android-Plattform, lässt hierzulande weiter auf sich warten.

Apple freut sich, die breite Masse an Konsumenten nur zum Teil, denn wo kein Mitbewerber, da auch kein Preiskampf. Doch selbst wenn Tablets nun plötzlich - ähnlich einem Netbook – als Mitnehm-Artikel für 200 bis 300 Euro in den Supermarkt-Regalen liegen würden, bliebe eine Frage weiter offen: Wofür braucht man so ein Tablet überhaupt?

Das iPad damals und heute
Als das erste iPad vor gut einem Jahr in der Redaktion eintraf, waren die Meinungen geteilt. Dass es hübsch anzuschauen und mit seinem Touchscreen komfortabel zu bedienen ist, war allen klar. Doch selbst Kollegen, die mit ihren iPhones, iPods und MacBooks bislang ausgewiesene Freunde von Apple waren, wussten mit dem Gerät zunächst nichts anzufangen. Das Fazit damals: für die Hosentasche zu groß, für einen Notebook-Ersatz zu klein, im Handling unpraktisch, fehlende Schnittstellen und in seinen Möglichkeiten durch iTunes beschränkt.

Ein Jahr später hat sich an dieser Einstellung wenig geändert. Dass das iPad 2 nun 33 Prozent schlanker und immerhin 100 Gramm leichter als sein Vorgänger ist, ändert nur wenig daran, dass die Handhabung des Tablets weiter gewöhnungsbedürftig ist. Es auf dem Schoß zu balancieren, fällt nach wie vor schwer, zumal das Display dann besonders spiegelt; in der Hand hingegen machen sich die 600 Gramm Eigengewicht schneller bemerkbar, als man denkt, und der Arm ermüdet. Das neue Smartcover, eine faltbare Schutzhülle, die zugleich als Ständer zum Tippen oder Videoschauen fungiert, bringt diesbezüglich nur eine geringfügige Verbesserung, denn wirklich sicher und stabil ist die Konstruktion selbst auf ebenen Flächen nicht.

Sicherer Hafen oder grenzenlose Freiheit?
Hinsichtlich der Schnittstellen hat sich ebenfalls wenig getan: Mittels Adapter kann das iPad 2 nun zwar immerhin HDMI, das können viele Notebooks aber bereits für deutlich weniger Geld auch. Obendrauf gibt es dort – in der Regel serienmäßig - USB, einen Kartenleser, mehr Speicher und eine offene Plattform, auf der Nutzer installieren können, was immer sie wollen. Braucht man alles nicht, mögen viele jetzt entgegnen, schließlich kommen Bilder, Musik und Videos doch sowieso drahtlos aufs iPad und auf iTunes ist das Angebot an Software groß genug. Mag sein, aber für knapp 500 bis 800 Euro, die das neue iPad kostet, darf ein wenig Ausstattungskomfort nebst der Freiheit, selbst entscheiden zu dürfen, was auf dem iPad installiert wird, doch wohl erlaubt sein, oder?

Ansonsten bleibt das iPad nämlich ein Nischenprodukt, das weder Smartphone noch Notebook ernsthaft ersetzen kann. Auch als Kamera-Alternative taugt das neue Gerät nur bedingt: Zwar verfügt die zweite Auflage des Tablets nun sowohl auf der Vorderseite (für Videochats) als auch auf der Rückseite über eine Kamera; deren Bildqualität lässt – im Gegensatz zu den HD-Videos mit 720p - bei Fotos und Standbildern jedoch stark zu wünschen übrig. Die neue Anwendung Photo Booth zur Verfremdung der Schnappschüsse kann ebenfalls nur als Gimmick bezeichnet werden.

Ein Spielzeug zum Anfassen
Wenn das iPad aber noch weit davon entfernt ist, ein – wie Apple-Chef Steve Jobs es nennt – "Post PC Device", also quasi der Nachfolger des PCs, zu sein, was kann es dann eigentlich wirklich gut? Die Stärke des iPads liegt – wie beim iPhone - in seiner Bedienbarkeit: Intuitiv, unkompliziert und dank neuem Prozessor nun deutlich schneller mittels Fingerzeig Apps wie Apples großartige neue Musikanwendung GarageBand zu bedienen oder auch nur durchs Internet zu surfen, wird dank Touchscreen zu einem echten Erlebnis. Was mit Maus und Keyboard noch unnahbar wirkte, wird plötzlich zum Anfassen.

Braucht man nicht, aber will man haben
Kurzum: Man braucht das iPad nicht, aber man will es wahrscheinlich haben, sobald man sich ein wenig länger damit gespielt hat. Spielen trifft es dabei sogar ziemlich gut: Das iPad ist ein Spielzeug, auf Dauer ernsthaft mit ihm arbeiten kann man nicht. Darum geht es Apple aber offenbar auch gar nicht. Die Freude am Konsumieren - und hiermit schließt sich der Kreis - von Inhalten aller Art und der spielerische Umgang mit diesen stehen auch beim iPad 2 im Vordergrund. Ob einem dieses Vergnügen bis zu 800 Euro wert ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Gezwungen, es zu kaufen, wird niemand.

von Sebastian Räuchle

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