krone.at-Experiment

Nokia 3310: (Fast) eine Woche mit dem Simpel-Handy

Elektronik
26.08.2017 06:00

Früher war alles besser. Oder? krone.at-Redakteur Sebastian Räuchle hat es wissen wollen und sein Smartphone gegen das zwar neue, ansonsten aber doch eher rückschrittliche Nokia 3310 getauscht. Ein Erfahrungsbericht.

Tag eins. Das Experiment beginnt. Ich verabschiede mich von meinem Huawei Mate 9, entferne die SIM-Karte und schiebe sie in das tags zuvor bereits aufgeladene Nokia 3310. Positiv fällt dabei nicht nur auf, dass sich der Akku jederzeit problemlos tauschen lässt, sondern auch, dass das Nokia Platz für eine zweite SIM-Karte bietet. Theoretisch, denn in der Praxis wird man den Slot wohl eher für eine microSD-Speicherkarte nützen, wie ich tags darauf erfahren werde.

Doch zunächst starte ich erst einmal zu einer Radtour in den Wienerwald. Für meinen chinesischen 5,9 Zöller sonst immer mit dabei: ein Rucksack. Mit dem Nokia kann ich diesen getrost zuhause lassen: Das lediglich 115,6 x 51 x 12,8 mm kleine Handy passt problemlos in die Satteltasche. Gut nur, dass ich die Route schon kenne, denn GPS hat das 3310 nicht. Wer sich verirrt, muss sich also an den Gestirnen, dem Wind oder dem Flug der Schwalben orientieren.

Ich schaffe es aber unverirrt von Maria Enzersdorf nach Pressbaum, wo ich am Rande des Wienerwaldsees eine kurze Pause einlege. Bei strahlendem Sonnenschein schieße ich ein Foto vom See - hoffe ich zumindest, denn auf dem lediglich 2,4 Zoll großen QVGA-Display (320 x 240 Pixel, in Worten: dreihundertzwanzig mal zweihundertvierzig Pixel!) kann ich in der Mittagssonne kaum ausmachen, was ich da eigentlich knipse. Automatische Helligkeitsanpassung des Displays? Fehlanzeige.

Immerhin: Ein sportives Selfie lässt sich problemlos schießen, ohne dass ich dabei Angst haben müsste, dass mir das aufgrund seiner Winzigkeit perfekt in der Hand liegende Nokia runterfällt. Und selbst wenn: Im Gegensatz zu meinem großflächig verglasten Huawei würde es einen Sturz wohl anstandslos wegstecken. Das blecherne Klick-Geräusch der 2-Megapixel-Kamera weiß auch zu gefallen, es versprüht wie das Plastikgehäuse diesen gewissen Retro-Charme. Apropos Kamera: Mehr als eine, nämlich auf der Rückseite, hat das 3110 nicht.

"5iebe hrú7e aus Ressbbum"
Ich entschließe mich, den See-Schnappschuss meiner Frau zu schicken - als MMS. Für die jüngeren Leser: MMS ist quasi wie WhatsApp, nur langsamer und teurer. Für den Satz "Liebe Grüße aus Pressbaum" brauche ich mehrere Minuten. Ganz wie auf meinem allerersten Handy von Siemens muss ich mich erst wieder daran gewöhnen, die Ziffern-Tasten solange zu drücken, bis ich den gewünschten Buchstaben ausgewählt habe. Natürlich schieße ich anfangs jedes Mal über das Ziel hinaus und die Prozedur beginnt von vorne.

Tag zwei. Der Akkustand: unverändert - sofern sich das beurteilen lässt, denn eine Prozentanzeige gibt es nicht. Ich möchte in der Früh wie sonst auch meine E-Mails, Facebook, WhatsApp & Co. checken, beschließe jedoch bereits nach kurzer Zeit, das Vorhaben wieder aufzugeben. Die Kombination aus kleinem Display und lediglich 2G-Empfang lädt nicht gerade dazu ein, mit dem vorinstallierten Opera-Mini-Browser ausschweifend durchs Netz zu surfen.

Dass das Nokia kein WLAN integriert hat, okay; aber warum es nicht wenigstens 3G unterstützt, frage ich mich dann doch. Zumal das 2G- bzw. GSM-Netz vielerorts bereits abgeschaltet wurde und Mobilfunkanbieter dazu übergegangen sind, nur noch das schnellere UMTS (3G) oder LTE (4G) zu unterstützen. In vielen Ländern sollen die GSM-Frequenzen 2020 für die schnelleren Nachfolger freigegeben werden. Für Österreich gibt es zwar noch kein offizielles Ablaufdatum, dass es sich mit dem Nokia 3110 hierzulande auch in zehn Jahren noch telefonieren lässt, darf jedoch bezweifelt werden.

Schlange statt Katzenvideos
Tag drei. Ich vertreibe mir etwaige Wartezeiten nicht mehr wie sonst üblich mit sinnlosem Gesurfe und Katzenvideos, sondern Nokias Neuauflage des Kultspiels "Snake", dem übrigens kostenlos auch auf Facebook gefrönt werden kann. Sinnvoller ist das auch nicht, aber zumindest unterhaltsam. Das Fotografieren, sonst ebenfalls ein bevorzugter Zeitvertreib, habe ich nach dem fünften oder sechsten Foto mit dem Nokia 3310 eingestellt. Dann nämlich waren die 16 Megabyte (!) interner Speicher voll und eine microSD-Karte hatte ich nicht zur Hand. Ich öffne den integrierten Taschenrechner und rechne nach, wie oft der interne Speicher des Nokia auf meinem Huawei mit 64 Gigabyte Platz hätte: 4000 Mal.

Mehr als früher, trotzdem zu wenig
Tag vier. Ich begreife, warum die Akkus früherer Handys so lange durchhielten: Man konnte außer telefonieren ja sonst auch nicht viel mit den Geräten machen. Gegenüber dem originalen Nokia 3310 ist die Neuauflage zwar geradezu gespickt mit Features - so lässt sich Musik dank Bluetooth etwa auch drahtlos genießen und ein UKW-Radio gibt es auch -, aber selbst ein "Light User" wie ich, der sein Smartphone fast ausschließlich zum Kommunizieren verwendet, sehnt sich bald nach mehr. Allen voran schnelles mobiles Internet.

Tag fünf. Der 1200mAh-Akku zeigt sich von meiner bisherigen Nutzung weiterhin relativ unbeeindruckt. Ich bin zwischenzeitlich allerdings auch dazu übergegangen, mich zu Hause mit meinem Mate 9 ins WLAN zu hängen, um wenigstens hier unbeschwert durchs Netz surfen zu können und die Vorzüge des modernen, digitalen Lebens zu genießen. Das Nokia habe ich zuletzt nur noch zum Telefonieren verwendet. Da ich das allerdings vergleichsweise selten tue, erkläre ich das Experiment am Abend für beendet. Die SIM-Karte wandert wieder zurück an ihren angestammten Platz.

Tag neun. Die Akkuanzeige ist noch immer zu einem Drittel gefüllt.

Fazit: Man vergisst leicht, wie schnell man sich an den Funktionsumfang und den Benutzerkomfort moderner Smartphones gewöhnt hat. Darauf wieder zu verzichten, selbst wenn es nur für ein paar Tage ist, fällt entsprechend schwer. Das neue Nokia 3310 dürfte daher auch nur für die wenigsten als Ersatz, sondern bestenfalls als Ergänzung zum Smartphone taugen. Dafür sprechen die lange Akkulaufzeit, seine Robustheit und der günstige Preis von rund 60 Euro, wenngleich es für nur wenige Euro mehr bereits Android-Smartphones aus Fernost gibt. Am Ende ist es also vermutlich der Nostalgiefaktor, der Käufer zum Nokia 3310 greifen lässt.

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