Unverbiegbar

VW Tiguan: Nur noch kurz den Konzern retten

Motor
13.04.2016 16:25

"Steig doch mal aus, wenn zwei Räder in der Luft sind, öffne die hintere Tür und hau sie wieder zu - da hast du bei manch anderem Auto dann einen Lackschaden", schlägt der Instruktor vor, bevor ich mit dem brandneuen VW Tiguan durch den eigens gebauten Gelände-Parcours im Berliner Mellowpark fahre. Passt! Doch das ist sicher nicht die wichtigste Eigenschaft dieses bildschönen Wolfsburgers.

(Bild: kmm)

Natürlich ist die Karosserie des Tiguan deutlich steifer geworden, für den Fall, dass er gefordert wird wie der Volkswagenkonzern von EPA und Gerichten. Aber vor allem soll er das bieten, was VW gerade so sehnsüchtig sucht: eine Komfortzone. Wie schön wäre es, einfach die Tür zuschlagen zu können und der ganze Stress mit Abgasskandal, Boni-Gier und Rückrufverzögerungen bliebe draußen. Der große Unterschied zwischen VW Tiguan und VW-Konzern: Der eine kann mehr, als ihm je abverlangt werden wird, der andere bemüht sich um Contenance, ohne recht zu wissen, wie ihm geschieht.

Außerdem macht er Platz, der neue Tiguan, das erste SUV des Konzerns, das auf dem MQB (Modularer Querbaukasten) aufbaut: einerseits im Innenraum, weil er nämlich deutlich größer geraten ist als sein Vorgänger und damit beinahe schon als gestraffter Touareg durchgeht. Andererseits schafft er durch seinen Klassen-Aufstieg richtig Platz in der Modellpalette, daher kommt 2017 ein SUV in Golf-Größe und 2018 eines im Polo-Format - einen Vorgeschmack auf Letztgenanntes haben wir ja auf dem Genfer Autosalon gesehen (die Chance, dass eine Cabrio-Version kommt, ist höchst gering, besteht aber).

Das Heck ist die Schokoladenseite
VWs sagt man gerne nach, sie seien langweilig designt. Beim Tiguan muss man schon eine Abneigung gegenüber der Marke haben, um so etwas zu behaupten. Kraftvoll, aber scharf sieht das aus. Acht Zentimeter mehr Radstand und sechs Zentimeter mehr Länge (bei leicht flacherem Dach) wirken erwachsener und lassen die Räder etwas mehr an die Ecken wandern. Besonders gelungen ist das Design rund um die Heckleuchten, also der seitliche Cut, der in bzw. über ihnen endet, sowie der daraus resultierende dreidimensionale Effekt. Schon das zeigt, dass VW ein jüngeres, dynamischeres Publikum im Auge hat als mit dem doch eher konservativ gestalteten Vorgänger (auch wenn der von Anfang an bis zuletzt Marktführer im Segment war).

Innen, klar, unverkennbar VW. Nicht aufregend, aber hochwertig (lasergeprägte Oberflächen!) und übersichtlich. Da passt die Haptik jedes Hebels, jedes Knöpfchens (nur eine Stumm-Taste fürs Radio fehlt schon wieder). Je nach Ausstattungslinie bekommt man sogar das "Active Info Display" genannte digitale Cockpit, das man aus dem Passat oder von Audi kennt. Hochklassig. Auch ein Head-up-Display ist erhältlich - zwar mit einer ausklappbaren Scheibe statt Spiegelung in die Frontscheibe, allerdings ist die aus Rauchglas statt Plastik und zeigt in perfekter Position gestochen scharf an. Einstellbar mit einem Extra-Knopferl links unten, rechts vom Lichtschalter. Als Detail macht auch der rahmenlose Innenspiegel dezent was her.

Offenbar soll der VW Tiguan das Praktische und das Komfortable auf die Spitze treiben. Völlig neue Sitze, auf Wunsch mit Massagefunktion, sind top-bequem. Die Rückbank bietet Opulenzraum (drei Zentimeter mehr Beinfreiheit) und der Kofferraum fasst jetzt 520 Liter (+50 Liter). Rückt man die (serienmäßig 40:60 geteilte) Rückbank 18 Zentimeter nach vorn, sind es sogar 615 Liter. Klappt man sie um, sind es 1655 Liter. Dank Einlegeboden ist die Ladefläche praktisch eben.

Auto-Notbremse serienmäßig
Angesichts des im übertragenen Sinn in den Graben gefahrenen Karren ist nachvollziehbar, dass man bei VW künftig Unfälle weitestgehend verhindern möchte. Beim Tiguan passiert das serienmäßig mit Active City Stop samt Fußgängererkennung. Im Fall des Falles sorgt die Motorhaube pyrotechnisch für Schadensbegrenzung an Leib und Leben des über den Haufen Gefahrenen. Außerdem sind unter anderem sieben Airbags sowie ein kamerabasierter Spurhaltehelfer und ein Notbremsassistent mit Radartechnik Serie.

Aufpreis kosten hingegen der Stauassistent, der bei Stop and Go das Lenken und Bremsen übernimmt, der Anhängerrangierassistent (samt Anhängestützlastanzeige im Kombiinstrument) und die Umfeldüberwachung per Kamera, die auch bei Geländefahrten hilfreich ist.

Dort ist auch der (je nach Motorisierung nicht, optional oder obligatorisch erhältliche) Haldex-Allradantrieb inklusive elektronischer Differentialsperre besonders hilfreich. Er ist an eine Fahrprofilauswahl gekoppelt, die neben vordefinierten Programmen für das Fahren auf Asphalt, Schnee und Geröll auch eine frei konfigurierbare Einstellung bietet. Wer wirklich ins Gelände will, sollte auch das Offroad-Paket mit angeschrägter Front (25,6 Grad Böschungswinkel), Karosseriehöherlegung (20 Zentimeter Bodenfreiheit) und Unterfahrschutz wählen.

Volle Motorenpalette
Was die Motorenpalette betrifft, bietet der Tiguan so ziemlich alles, was das Regal hergibt. Bei den Benzinern angefangen beim Einstiegsmotor, dem 125 PS starken 1,4-Liter-Vierzylinder, bis zum 220-PS-Allradler; beim Diesel hat man die Wahl zwischen 115, 150, 190 und mächtigen 240 PS. Als idealer Begleiter mit angemessener Leistung und entspannter Kraftentfaltung erwies sich der 150-PS-Diesel, egal ob mit manueller Schaltung und Frontantrieb oder mit Doppelkupplungsgetriebe und Haldex-Allradantrieb.

Unterm Strich
Mit 2,8 Millionen verkauften Einheiten seit 2007 ist der VW Tiguan eines der wichtigsten Modelle im Wolfsburger Portfolio. So unwegsam, wie das Umfeld für VW derzeit ist, kann der Konzern eine Reihe perfekter SUVs gut gebrauchen, um wieder in die Spur zu finden. Angesichts des mächtigen Aufpreisprogramms und 26.490 Euro Einstiegspreis ist der neue Tiguan zwar nicht mehr der Inbegriff eines "Volks-"Wagens, aber gesellschaftlicher Aufstieg hat eben seinen Preis. Und im Gegensatz zum Konzern können sich die Kunden wenigstens aussuchen, wie viel Geld sie ausgeben.

Warum?

  • Weil schon das Design einen echten Unterschied macht
  • Fährt sich sehr ausgewogen

Warum nicht?

  • Ganz schön teuer geworden

Oder vielleicht …

… BMW X1, Hyundai Tucson, Nissan Qashqai, Ford Kuga, Honda CR-V, Toyota RAV4

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(Bild: kmm)



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