Forscher vor Rätsel

Wellenartige Strukturen um nahen Stern beobachtet

Wissenschaft
09.10.2015 16:52
In einer Staubscheibe um einen nahen Stern namens AU Microscopii haben Astronomen unerwartete Strukturen entdeckt, wie sie noch nie zuvor nachgewiesen wurden. Die wellenartigen, schnell bewegten Strukturen ähneln keinem Phänomen, das Forscher zuvor beobachtet oder auch nur vorhergesagt hätten. Ursprung und Eigenschaften dieser Strukturen stellen die Wissenschaft vorerst vor ein Rätsel.

AU Microscopii (kurz AU Mic) ist ein junger, vergleichsweise sonnennaher Stern, der von einer großen Staubscheibe umgeben ist. Untersuchungen solcher Trümmerscheiben können wertvolle Hinweise darauf liefern, wie in ihnen Planeten entstehen. Schon seit längerem haben Astronomen die Scheibe von AU Mic daraufhin abgesucht, ob sich dort Verklumpungen oder Verzerrungen nachweisen lassen könnten, die auf die Position möglicher Planeten hinweisen würden. Im Jahre 2014 nutzten sie dafür die deutlich leistungsfähigeren Möglichkeiten eines neu installierten Instruments namens SPHERE, das am Very Large Telescope (VLT) der ESO installiert ist und Bilder mit besonders hohen Kontrastwerten liefern kann.

Bilder zeigen ungeklärte Strukturen
Die Beobachtungen hielten für die Astronomen eine Überraschung bereit. "Unsere Beobachtungen zeigten etwas, das wir nicht erwartet hatten" erklärt Anthony Boccaletti vom Observatoire de Paris, Erstautor des Fachartikels. "Die Bilder von SPHERE zeigen eine Reihe bislang nicht geklärter Strukturen in der Scheibe, die eine bogen- oder wellenartige Struktur haben wie sie nie zuvor beobachtet wurde."

Die neuen Bilder zeigen fünf wellenähnliche Bögen in unterschiedlichen Abständen vom Stern, die an Wasserwellen erinnern. "Gleich auf den ersten Blick haben wir detaillierte Strukturen in der Scheibe gesehen - hätten Sie mir vor ein paar Jahren gesagt, dass solche Bilder 2015 möglich wären, hätte ich Ihnen das vermutlich nicht geglaubt", sagt der an den Forschungen beteiligte Thomas Henning vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Diese Strukturen habe man dann mit Bildern verglichen, die Kollegen und er 2010 und 2011 mit dem Weltraumteleskop "Hubble" aufgenommen hatten.

Störungen bewegen sich mit bis zu 40.000 km/h
Nicht nur, dass die Forscher dieselben Strukturen in den älteren Aufnahmen tatsächlich wiederfinden konnten - es zeigte sich auch, dass sich die Strukturen in der Zwischenzeit verändert hatten. Die Störungen bewegen sich durch die Scheibe - und zwar sehr schnell!  "Wir fanden heraus, dass die Bögen sich mit Geschwindigkeiten von bis zu 40.000 Kilometern pro Stunde von dem Stern entfernen", erklärt Christian Thalmann von der ETH Zürich.

Diejenigen Strukturen, die weiter vom Stern entfernt sind, scheinen sich dabei schneller zu bewegen als die sternnäheren Strukturen. Mindestens drei der Strukturen bewegen sich so schnell, dass sie der Schwereanziehung des Sterns entkommen könnten. Solche hohen Geschwindigkeiten schließen aus, dass es sich um herkömmliche Scheibeneigenschaften handelt, die als Störungen hervorgerufen werden, wenn sich Objekte - wie etwa Planeten - auf ihrer Umlaufbahn um den Stern durch das Scheibenmaterial bewegen.

"Wir können nur vermuten, was wir da sehen"
Etwas anderes muss dafür gesorgt haben, dass die Wellen an Fahrt aufgenommen und derart hohe Geschwindigkeiten erreicht haben - und das zeigt, dass wir es mit etwas wirklich ungewöhnlichem zu tun haben. "Alles, was diese Entdeckung betrifft, war überraschend", kommentiert Koautorin Carol Grady von der US-amerikanischen Firma Eureka Scientific. "Und weil Strukturen dieser Art bislang weder beobachtet noch von den Theorien vorhergesagt wurden, können wir nur vermuten, was wir da sehen und wie es entstanden ist."

Das Team kann nicht mit Sicherheit sagen, was diese rätselhaften, wellenartigen Störungen rund um den Stern verursacht hat. Aber sie haben einige mögliche Erklärungen analysiert und ausgeschlossen, inklusive des Zusammenstoßes zweier massereicher und seltener asteroidenartiger Objekte, welche große Mengen von Staub freisetzen, und Spiralwellen, die durch Schwerkraft-Instabilitäten des Systems entstehen.

Eruptionen des Sterns als Auslöser?
Andere Ideen scheinen den Forschern vielversprechender: "Eine Erklärung für die sonderbaren Strukturen könnten Eruptionen des Sterns sein. AU Mic ist ein in dieser Hinsicht sehr aktiver Stern - er stößt vergleichsweise oft große Mengen an Energie an oder nahe seiner Oberfläche aus", erklärt Glenn Schneider vom Steward Observatory. "Eine dieser Eruptionen könnte etwas auf einem der Planeten ausgelöst haben - falls es dort Planeten gibt. Sie könnte dort gewaltsam Materie losgelöst haben, die sich jetzt durch die Scheibe bewegt, angetrieben durch die Wucht der Eruption."

Die Astronomen planen jetzt, das AU-Mic-System sowohl mit SPHERE als auch mit anderen Observatorien (inklusive ALMA) zu beobachten um herauszufinden, was dort passiert. Bis dahin bleiben die sonderbaren Strukturen ein Rätsel.

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