Gendefekt

Ursache für angeborene Immunschwäche identifiziert

Wissenschaft
18.08.2014 10:01
Wissenschaftler von Forschungsinstituten in Wien und München sowie zahlreicher weiterer europäischer Forschungsstellen haben die genetische Ursache einer angeborenen Immunschwäche bei Kindern identifiziert. Das berichten sie in der Fachzeitschrift "Nature Genetics". Das Leiden könnte demnach vielleicht mit einem bekannten Biotech-Medikament behandelbar sein.

Zu der Erkenntnis, dass es sich bei der Ursache für die bei Kindern vorkommende Immunschwäche SCN (Severe Congenital Neutropenia) offenbar um einen Defekt im Gen JAGN1 handelt, waren zunächst Ärzte und Wissenschaftler am Dr. von Haunerschen Kinderspital in München, dem Forschungszentrum für Molekulare Medizin in Wien (CeMM) bzw. der Wiener Universitäts-Kinderklinik sowie weiteren Forschungszentren in Europa gekommen. Sie hatten diese Mutation bei 14 Kindern mit solchen Störungen gefunden.

Unbekannte Rolle im Immunsystem
"Die Entdeckung der JAGN1-Defizienz ist ein Beispiel dafür, dass angeborene Störungen der Immunität durch Mutationen in Genen verursacht werden können, von denen bisher nicht einmal bekannt war, dass sie eine Rolle im Immunsystem spielen", erklärte Kaan Boztug vom Wiener CeMM, Erstautor einer der beiden Studien und Entdecker der ersten Patienten mit Mutationen im JAGN1-Gen.

Ihm war es gemeinsam mit dem Münchner Wissenschaftler Christoph Klein gelungen, betroffene Familien zu entdecken und den Gendefekt zu identifizieren. Die schwere angeborene Immunschwäche SCN, die primär auf einem gravierenden Mangel bestimmter Immunzellen, den sogenannten neutrophilen Granulozyten, beruht, ist nach diesen Erkenntnissen auf einen Fehler in der Entwicklung von neutrophilen Granulozyten durch den JAGN1-Defekt zurückzuführen.

Geschwächte Immunzellen
Gerald Wirnsberger am Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften züchtete in der Folge Mäuse mit diesem Gendefekt und der gleichen Immunschwäche wie beim Menschen. Dabei stellte sich heraus, dass die neutrophilen Granzulozyten durch den JAGN1-Defekt mangelhaft in der Lage sind, aktiv Krankheitserreger wie Bakterien oder Pilze zu verfolgen. Sie bilden auch weniger für die Bakterien oder Pilze giftige Stoffe bzw. schütten weniger davon aus, um diese abzutöten.

Schließlich testeten die Wissenschaftler für die Behandlung mögliche Medikamente - ebenfalls an Mäusen. Sie griffen dabei auf die seit Jahren bekannten Biotech-Blutwachstumsfaktoren G-CSF und GM-CSF zur Förderung der Bildung von Granulozyten zurück. Diese Arzneimittel kommen vor allem zur unterstützenden Behandlung von Krebspatienten zur Behebung therapiebedingter Immunschwäche zum Einsatz.

Heilung durch aus Krebstherapie bekanntes Medikament?
Interessanterweise war bei den Mäusen mit dem JAGN1-Defekt ausschließlich GM-CSF wirksam. Die Behandlung mit GM-CSF schützte Mäuse mit der Mutation demnach vor einem beschleunigten Gewichtsverlust und schnellerem Tod nach einer künstlichen Infektion mit dem Pilz Candida albicans.

Bei Knochenmarkzellen von Menschen mit der Mutation korrigierte im Labor GM-CSF auch die mangelnde Abwehrwirkung der weißen Blutkörperchen gegen die Pilze. Für Patienten mit einem JAGN1-Gendefekt bedeutet dies, dass GM-CSF auch bei ihnen wirken könnte. Ob dem tatsächlich so ist, wird nun in klinischen Studien untersucht.

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