Wiener Studie zeigt:

Übergewichtige landen seltener im Gefängnis

Wissenschaft
11.05.2015 10:42
William Shakespeare lässt Julius Caesar in seinem Drama "The Tragedy of Julius Caesar" sagen: "Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein, mit glatten Köpfen, die des Nachts gut schlafen." Es könnte etwas Wahres dran sein. Wiener Wissenschaftler konnten jetzt zeigen, dass Übergewichtige und Adipöse in Österreich viel seltener wegen Gewaltdelikten ins Gefängnis kommen. Warum das so ist, ist noch unklar. Möglicherweise spielen Hormone eine Rolle.

Die Studie ist vor Kurzem im "Journal of Forensic Sciences" (Journal der Gesellschaft für Gerichtsmedizin) erschienen. Cem Ekmekcioglu vom Institut für Umwelthygiene der MedUni Wien und seine Co-Autoren stellen dabei im Titel die Frage: "Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Body-Mass-Index (BMI) und Gewalttätigkeit gegenüber Personen?"

Daten von knapp 44.000 Häftlingen untersucht
Offenbar, so die Ergebnisse der Wissenschaftler, die von den Justizbehörden bei Haftantritt erhobene und anonymisierte Daten bezüglich des Körpergewichts von 74.809 Gefängnisinsassen in Österreich analysierten. "Ausgeschieden haben wir Frauen, ebenso Inhaftierte unter 18 sowie über 55 Jahren. Insgesamt konnten wir dann die BMI-Daten von 43.992 Personen für unsere Studie verwenden", sagte Ekmekcioglu im Gespräch.

Kategorisiert wurde nach den Haftgründen: Delikte gegen Leib und Leben, Freiheitsentziehung, Drogendelikte, Raub, Diebstahl, Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Minderjährigen. Die zweite Einteilung erfolgte nach den BMI-Werten: untergewichtig (BMI kleiner 18,5), normalgewichtig (BMI 18,5 bis 24,9), übergewichtig (BMI 25 bis 29,9), adipös (BMI 30 bis 34,9) und morbid adipös (BMI größer 35).

Deutliche Unterschiede festgestellt
Die Forscher untersuchten dann, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Angehörigen der verschiedenen Gewichtsklassen wegen der einzelnen Delikte in österreichische Gefängnisse kamen. Normalgewicht (BMI 18,5 bis 24,9) wurde mit der "normalen" Wahrscheinlichkeit (Faktor 1) "gewichtet". "Deutliche Unterschiede gab es unter anderem bei den Inhaftierten wegen Verbrechen gegen Leib und Leben", sagte Ekmekcioglu. So haben Untergewichtige ein um 40 Prozent geringeres Risiko, wegen solcher Delikte in Haft zu kommen. Mit Übergewicht bis hin zu morbider Adipositas (BMI 25 bis über 35) sank die Inhaftierungshäufigkeit um 13 Prozent, bei den Adipösen jeglicher Gewichtsklasse (BMI 30 bis 34,9 und über 35) sogar um 40 bzw. 42 Prozent.

Ausgenommen die Untergewichtigen waren die Ergebnisse ähnlich bei den Inhaftierten wegen Suchtgiftdelikten, Delikten gegen die persönliche Freiheit, wegen Raubes und Diebstahls. Wegen Raubes Inhaftierte waren bei den Unter- und Normalgewichtigen faktisch gleich häufig vertreten, Übergewichtige kamen deshalb schon um 30 Prozent seltener ins Gefängnis, Adipöse um 53 Prozent seltener und morbid Adipöse gar um 70 Prozent seltener. In etwa gleich war das Risiko über die fünf BMI-Klassen hinweg bei den wegen Missbrauchs von Minderjährigen Inhaftierten.

Spielen Hormone eine Rolle?
Die Frage nach den Ursachen ist damit nicht eindeutig geklärt. "Es handelt sich um eine Beobachtungsstudie, die keine Kausalität erklären kann. Es gibt aber eine Hypothese, wonach Übergewichtige einen höheren Serotoninspiegel im Gehirn aufweisen. Adipöse Männer haben auch relativ häufig niedrigere Testosteronspiegel im Blut", stellte Ekmekcioglu fest. Klar ist, dass Adipöse bzw. morbid Adipöse wegen ihrer körperlichen Verfassung für bestimmte Gewaltdelikte kaum infrage kommen.

Interessant, so der Wiener Forscher, wäre es, wenn man eine ähnliche Untersuchung mit den Daten von Häftlingen im Alter bis zu 18 Jahren durchführen könnte. Möglicherweise spielen bei jugendlichen Straftätern nämlich auch noch viele andere Faktoren mit. Shakespeares Julius Caesar machte seine eigene Gefährdung durch die Attentäter in der Weltliteratur an einem anderen Persönlichkeitsmerkmal fest. "Der Cassius dort hat einen hohlen Blick. Er denkt zu viel: Die Leute sind gefährlich", heißt es in dem Drama.

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