Wiener Virologe:

MERS-Coronavirus dürfte von Dromedaren kommen

Wissenschaft
24.03.2014 09:38
Seit September 2012 sind weltweit fast 200 Menschen durch Infektion mit dem Middle Eastern Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS-CoV) erkrankt, 43 Prozent davon gestorben. Laut neuesten Erkenntnissen könnte das Virus aus einem Reservoir von Millionen afrikanischen Dromedaren stammen, schrieb jetzt Franz X. Heinz, Leiter des Departments für Virologie der MedUni Wien.

Bisher traten die von der Weltgesundheitsorganisation WHO penibel registrierten Erkrankungen, die vor allem durch schwerste Lungenentzündungen und Komplikationen charakterisiert sind, vor allem in Saudi-Arabien, Jordanien, Katar und in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf. Die Krankheit wurde aber auch in andere Staaten (Frankreich, Deutschland, Italien, Tunesien, Großbritannien) "exportiert".

Vielleicht auch in Afrika weit verbreitet
"Obwohl der Großteil der Fälle vermutlich eine tierische Infektionsquelle hat, wurden auch limitierte Mensch-zu-Mensch-Übertragungen in Saudi-Arabien, Jordanien, Katar und Großbritannien beobachtet", stellte der Experte fest. Eine Reihe neuer Studien ließ es immer wahrscheinlicher erscheinen, dass Dromedare als großes tierisches Reservoir für dieses Virus dienten. Es sei möglicherweise auch in Afrika weitverbreitet, so Heinz.

Die ersten Hinweise auf Dromedare als Ursprung der Infektionskrankheit gab es bereits Ende vergangenen Jahres (siehe Infobox). In verschiedenen Regionen Saudi-Arabiens wurden in bis zu 80 Prozent der Blutproben von Dromedaren Antikörper gegen MERS Co-V entdeckt. Das bedeutet, dass die Tiere Kontakt mit dem Virus gehabt hatten.

Virus zirkuliert bereits seit über 20 Jahren
Laut dem Wiener Virologen konnten die Erreger vor allem in jungen Tieren (zwei Jahre oder jünger) direkt im Nasensekret nachgewiesen werden (bei etwa 35 Prozent der untersuchten Dromedare). Die Wissenschaft hat in den Forschungen auch bereits veritable Virus-Archäologie betrieben. So zeigten die Tests von alten Blutproben von Dromedaren, "dass das MERS-CoV oder ein nahe verwandtes Virus bereits seit mindestens 20 Jahren in Dromedaren in Saudi-Arabien zirkuliert, während in Ziegen und Schafen keine Hinweise für solche Infektionen gefunden wurden."

Diese Zoonose (also das Überspringen von Krankheitserregern vom Tier zum Menschen, Anm.) geht auf einen in Fachkreisen als "emerging Virus" bezeichneten Erreger zurück. Solche Viren tauchen auf, ohne dass zunächst deren Ursprung bekannt ist, und verbreiten sich. Bei Untersuchungen in ägyptischen Schlachthöfen wurde MERS-CoV auch in aus dem Sudan und Äthiopien importierten Dromedaren gefunden, so der Virologe.

Gefahr der Verbreitung größer als gedacht?
Damit könnte die Gefahr für eine Weiterverbreitung noch wesentlich größer als zunächst angenommen sein. In Saudi-Arabien gibt es nur 260.000 Dromedare. Aber fast eine Million der Tiere leben in Äthiopien, 4,8 Millionen im Sudan. Offenbar haben die bei Menschen festgestellten MERS-CoV-Erreger auch bereits geringfügige genetische Mutationen durchlaufen.

Die potenziell große Gefahr liegt darin, dass in dem Millionen Tiere umfassenden Pool für die Erreger eine Mutation bzw. Adaption des Virus vorkommen könnte, welche eine schnelle Weiterverbreitung von Mensch zu Mensch möglich macht. Dann käme wohl schnell eine Pandemie in Gang. Das größte tierische Reservoir für Coronaviren sind Fledermäuse. Bei diesen Säugetieren hat man in den vergangenen Jahren laut dem Wiener Experten eine Vielzahl von verschiedenen solcher Erreger identifiziert.

Erreger befällt die oberen Atemwege
Coronaviren - im Bild eine elektronenmikroskopische Aufnahme des Erregers MERS-CoV (gelb) - sind sogenannte RNA-Viren , die zwischen 120 und 160 Nanometer (Millionstel Millimeter) groß sind und eine Hülle besitzen, in die drei oder vier verschiedene Membranproteine eingelagert sind. Sie verursachen beim Menschen vorwiegend leichte Erkrankungen der oberen Atemwege. Es wird geschätzt, dass etwa ein Drittel aller mild verlaufenden Infektionen der Atemwege beim Menschen durch Coronaviren verursacht wird.

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