Netzwerk der Zellen

Forscher erklären das “Schubladen-Denken” im Gehirn

Wissenschaft
17.10.2012 14:05
Das Denken in Kategorien gehört zu den höchsten Gehirnfunktionen. Ein Team von Neurobiologen am Wiener Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) konnte nun aufklären, wie das "Schubladen-Denken" erfolgt. Die Antwort liegt in bestimmten Eigenschaften von Nervenzell-Netzwerken, berichten die Experten.

"Eine der faszinierenden Leistungen unseres Gehirns ist die Fähigkeit, die Welt in Kategorien wahrzunehmen. Wir erkennen das Gesicht eines bekannten Menschen unabhängig davon, ob wir die Person bei Tag oder bei Nacht treffen, ob mit oder ohne Brille. Ebenso bemerkenswert ist die Erkennung der Sprache: Gleiche Silben hören wir als gleich, unabhängig vom Sprecher, von der Lautstärke oder von Umgebungsgeräuschen", schreiben die Forscher am Mittwoch in einer IMP-Aussendung.

Dem Gehirn gelinge, Konstanten in einer sich ändernden Umwelt zu identifizieren und als solche zu erkennen. Dieses Denken in sprichwörtlichen Schubladen erfolgt beim Menschen automatisch. Computer seien da schnell überfordert.

Gehirn ordnet Kategorien zu
Wissenschaftler um den Neurobiologen Simon Rumpel und seinen Postdoktoranden Brice Bathellier konnten nun an Nervenzell-Netzwerken in der Großhirnrinde bestimmte Eigenschaften nachweisen, die allem Anschein nach für die Bildung von Kategorien verantwortlich sind. In Versuchen mit Mäusen ließen die Forscher unterschiedliche Töne und Geräusche erklingen und zeichneten dabei die Aktivitätsmuster von Nervenzell-Gruppen in der Hörrinde des Gehirns auf.

Die Fachleute stellten fest, dass Ensembles von etwa 50 bis 100 miteinander verschalteten Zellen trotz vielfältigster Klänge nur sehr wenige, diskrete Muster erzeugen. Das bedeutet, dass unterschiedliche Geräusche in einem Aktivitätsmuster zusammengefasst und in eine funktionelle Kategorie eingeordnet werden. In Experimenten, in denen das Geräusch kontinuierlich verändert wurde, konnten die Forscher keine ständige Veränderung des Antwortmusters beobachten, sondern einen abrupten Übergang von einem Muster in ein anderes.

Gesamtheit der Neuronen erzeugt Eindruck
Rumpel: "Wir können uns den Vorgang der akustischen Repräsentation wie eine Rasterfahndung vorstellen. Einzelne Neuronengruppen können immer nur wenige Eigenschaften eines Sinnesreizes wiedergeben (hoher Ton oder tiefer Ton, laut oder leise usw.). Erst wenn über die Gesamtheit der Neuronen integriert wird, entsteht der komplette Eindruck des Geräuschs mit all seinen Schattierungen."

Die Ergebnisse der Aktivitätsmessungen im Gehirn wurden durch Verhaltensexperimente mit Mäusen bestätigt. Zunächst trainierte man die Tiere darauf, zwei Töne zu unterscheiden. Ob das Antwortverhalten auf einen dritten Ton eher dem ersten oder zweiten Ton entsprach, diente als Maß der Ähnlichkeit der Wahrnehmung. Interessanterweise zeigte sich, dass die Ähnlichkeit in der Wahrnehmung durch den Vergleich der durch die entsprechenden Töne ausgelösten Aktivitätsmuster in der Hörrinde vorhergesagt werden konnte.

Dynamische Eigenschaft von Nervennetzen
Mit der Arbeit, die in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Neuron" veröffentlicht wird, konnten die Wissenschaftler erstmals nachweisen, dass die Bildung von Kategorien auf der dynamischen Eigenschaft von Nervennetzen in der Gehirnrinde beruht. Es könnte sich dabei um ein fundamentales Prinzip höherer Gehirnfunktionen handeln, das auch bei der Verarbeitung von Sprache eine Rolle spielen dürfte.

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