Diskussion um Serum

Ebola-“Wundermittel” ZMapp an BOKU Wien entwickelt

Wissenschaft
09.08.2014 09:18
Während die um sich greifende Ebola-Epidemie in Afrika eine ständig steigende Zahl von Todesopfern fordert – bisher sind mehr als 930 Menschen an der Krankheit gestorben – und im Rest der Welt für Ängste sorgt, ist eine weltweite Diskussion über Herkunft und Wirksamkeit eines Medikaments im Gange, das auf Heilung hoffen lässt: ZMapp. Laut einer Aussendung der Wiener Universität für Bodenkultur wurde das Produktionssystem für das Ebola-Serum an der BOKU entwickelt.

Zwei Patienten werden derzeit in den USA mit ZMapp behandelt: ein US-Arzt sowie eine US-Krankenschwester (siehe kleines Bild unten), die sich in Liberia bei einem Hilfseinsatz mit Ebola infiziert hatten. Sie wurden in ihre Heimat geflogen und werden in einer Uniklinik in Atlanta mit dem experimentellen Serum behandelt. Ihr Zustand hat sich nach Angaben von Ärzten verbessert – allerdings reagieren Experten zurückhalten auf die Nachrichten.

"Ich denke, wir sollten sehr vorsichtig sein und keine Schlüsse über die Rolle von ZMapp ziehen, bis wir mehr Details erfahren", sagte etwa der US-Mikrobiologe Thomas Geisbert von der University of Texas in Galveston, einer der führenden Ebola-Forscher. Der infizierte Arzt Kent Brantly könne auch zu jenen rund 40 Prozent der Patienten gehören, die die Erkrankung ohne Behandlung überleben. "Ich denke, wir benötigen mehr Daten, um eine definitive Aussage zu treffen."

"Das passiert nur in Filmen"
Nach der Verabreichung des Antikörper-basierten Mittels habe sich Brantlys Zustand binnen einer Stunde gebessert, hatte CNN berichtet. Geisbert zweifelte das an: "Es ist nicht realistisch zu erwarten, dass ernste klinische Symptome in einer Stunde verschwinden", betonte er. "Das passiert nur in Filmen." Auch weitere Experten rieten, "vorsichtig" zu sein, da man mehr Daten brauche. Bislang gebe es noch keine Daten oder Tests an Menschen – zuvor war das Mittel lediglich an Affen getestet worden.

Trotz der unzureichenden Datenlage hat sich der Mitentdecker des Ebola-Virus, Peter Piot, für den raschen Einsatz des experimentellen Medikaments gegen die Epidemie in Westafrika ausgesprochen. Es sei an der Zeit, experimentelle Behandlungsmethoden in Afrika zu erlauben, sagte der belgische Wissenschaftler in einem "Le Monde"-Interview. Die Weltgesundheitsorganisation WHO setzte daraufhin eine Expertenkommission ein, um die ethischen Fragen eines derartigen Einsatzes zu studieren.

Wiener Forscher entwickelten Produktionssystem für Serum
Doch nicht nur um die Wirksamkeit, auch über die Herkunft des Serums gibt es Diskussionen. Mehrere Institutionen beanspruchen die (Mit-)Entwicklung des "Wundermittels", das auf dem Wirkstoff MB-003 basiert, für sich. So hieß es, Mitarbeiter der US-Armee hätten das Mittel, das von der kalifornischen Firma Mapp Biopharmaceuticals hergestellt wird, mitentwickelt und getestet. Die "Bild" schreibt, dass sich ZMapp ohne die deutsche Firma Icon Genetics aus Halle nur schwer herstellen lasse. Mit einer Technologie dieser Firma würden die Antikörper durch spezielle Bakterien in Tabakpflanzen eingeschleust, die die Antikörper für das Serum produzieren, die sich dann an die Viren binden und es dem Immunsystem ermöglichen sollen, infizierte Zellen zu eliminieren.

Und die Tabaklinie selbst, die genetisch so verändert worden sei, dass sie "besonders gut geeignet ist, hochwirksame Antikörper zu produzieren", sei wiederum an der Wiener BOKU entwickelt worden, hieß es am Freitag in einer Aussendung der Universität: "Tatsächlich wurde das innovative Produktionssystem für das geheimnisvolle Ebola-Virus-'Medikament' an der Universität für Bodenkultur Wien, federführend von Herta Steinkellner (Department für Angewandte Genetik und Zellbiologie), entwickelt. Die Arbeit wurde im Jahr 2008 veröffentlicht."

Seit damals bestehe eine "intensive Zusammenarbeit" mit Mapp Biopharmaceuticals. "Im Zuge dieser Kooperation ist es im Vorfeld gelungen, hochwirksame Antikörper gegen das Ebola-Virus zu erzeugen; die Arbeit wurde 2011 publiziert", heißt es weiter. "Dieser Antikörper-Cocktail, der unter dem Namen ZMapp in der Zwischenzeit die klinische Erprobung erlangt hat, ist 'das geheime Wundermittel', das dem hoffnungsvollen Impfstoff zugrunde liegt."

Antikörper wirksamer gemacht
Die Wiener Wissenschaftler haben seit rund zehn Jahren an jenen Techniken gearbeitet, mit denen das experimentelle Gemisch von monoklonalen Antikörpern produziert wird. Steinkellner sagte damals: "Wir konnten dabei zeigen, dass eine Veränderung der Glykosilierung (Veränderung der Zuckerketten, Anm.) des Antikörpers den monoklonalen Antikörper noch wirksamer macht" – jedenfalls wirksamer als monoklonale Antikörper aus Säugetier-Zellkulturen, den herkömmlichen Produktionsvehikeln für solche Präparate.

Allerdings sind solche Antikörper beim Menschen schwer einsetzbar, weil sie Abwehrreaktionen hervorrufen. Deshalb wurden die Mausprotein-Anteile des monoklonalen Antikörpers, der das Virus neutralisieren soll, durch vom Menschen stammende Proteinanteile ersetzt. Klinische Tests an gesunden Probanden seien bereits geplant, aber noch nicht gestartet worden.

Schlimmste Ebola-Epidemie seit Entdeckung der Krankheit
Nach Angaben der WHO starben bisher in Westafrika 932 Menschen an dem aggressiven Erreger. Mehr als 1.700 Menschen infizierten sich mit dem Virus. Es handelt sich um die schlimmste Ebola-Epidemie seit Entdeckung der Krankheit im Jahr 1976. Ebola wird durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten übertragen. Das Virus löst eine fiebrige Erkrankung aus, die mit Erbrechen, Durchfall, Muskelschmerzen und in schweren Fällen mit inneren Blutungen einhergeht. Ein wirksames Ebola-Medikament gibt es bisher nicht.

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