"Krone"-Serie

Angststörungen: 60 Mio. Menschen/Jahr betroffen

Wissenschaft
25.07.2016 16:31

Mit fast 100 Milliarden Nervenzellen, Neuronen genannt, und 500 Billionen Verbindungen, den Synapsen, ist das Gehirn das komplexeste und am wenigsten verstandene menschliche Organ. Unsere Handlungen, Gedanken und Emotionen sind abhängig von der Aktivierung von Neuronen in verschiedenen Bereichen des Gehirns und dem Kommunikationsnetzwerk zwischen diesen Neuronen. Diese neuronalen Bahnen sind trotz jahrzehntelanger intensiver Untersuchungen nur wenig bekannt.

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Francesco Ferraguti erforscht, wie Gefühle erzeugt werden, vor allem negative Emotionen wie Angst, die als natürliche Reaktionsweisen für das Überleben eines Individuums wichtig sind. "Wenn diese Reaktionen zu stark ausfallen oder zu lange andauern, können sie zu psychischen Erkrankungen, wie Phobien oder generalisierter Angst, führen", erklärt Ferraguti.

Zuständig für die Regulierung der Angst im Gehirn sind zwei tief liegende Areale, der Hippocampus und der Mandelkern in der Schläfenregion, dem Temporallappen. Mithilfe neuartiger Techniken untersucht Ferragutis Team am Institut für Pharmakologie der Medizinischen Universität Innsbruck die Mechanismen, die der Kommunikation zwischen diesen beiden Hirnstrukturen zugrunde liegen, das heißt deren Vernetzungen oder die dafür verantwortlichen Moleküle - zum Beispiel Überträgersubstanzen (Neurotransmitter) und deren Andockstellen (Rezeptoren).

Angststörungen sind die am weitesten verbreiteten psychiatrischen Erkrankungen, von denen in Europa pro Jahr mehr als 60 Millionen Menschen betroffen sind; das ist fast zehnmal mehr als die Anzahl der Demenzfälle.

Die pharmakologische Therapie der Angst beruht vor allem auf Arzneimitteln, die vor mehr als 20 Jahren entwickelt wurden und die leider bei fast 50 Prozent der Patienten nicht zur vollständigen Genesung führen. Es besteht daher ein großer Bedarf an neuen und wirksameren therapeutischen Strategien, wofür eine detaillierte Analyse der Funktion und Struktur der an Angst beteiligten Neuronen notwendig ist.

Zur Person
Francesco Ferraguti, geboren in Modena (Italien), studierte ebendort Medizin. Er arbeitete sieben Jahre für den britischen Pharmakonzern Glaxo (jetzt GlaxoSmithKleine). Es folgten Forschungsaufenthalte in Cambridge und Oxford (Großbritannien). Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Neurowissenschaften und Neuropharmakologie. Seit 2011 leitet er das Institut für Pharmakologie an der Medizinischen Universität Innsbruck.

In der Serie "Krone der Wissenschaft" stellen wir Projekte von Spitzenforschern und -forscherinnen in Österreich vor. Ausgewählt werden sie von Prof. Dr. Georg Wick, dem Leiter des Labors für Autoimmunität an der Medizinischen Universität Innsbruck.

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