"Schock-Abkommen"

Tsipras’ Koalition nun vor Zerreißprobe

Wirtschaft
23.06.2015 10:37
Während die internationalen Geldgeber derzeit die in der Nacht auf Montag eingereichten neuen Reformpläne der griechischen Regierung zur Lösung der Schuldenkrise eingehend prüfen, stehen Regierungschef Alexis Tsipras und seiner Regierung auch zu Hause schwere 48 Stunden bevor. Die jüngsten Zugeständnisse könnten sogar die Koalition zerreißen. Die harten Einsparungen durch das Parlament zu bringen, wird "keine leichte Aufgabe für Herrn Tsipras" sein, sagte etwa der ehemalige griechische Außenminister Dimitris Droutsas Dienstagfrüh.

Schließlich sei das Sparpaket im Umfang von rund acht Milliarden Euro "das Gegenteil der Wahlversprechen" seiner Partei, so Droutsas. Einige Abgeordnete von Tsipras' Syriza-Bündnis hätten bereits Widerstand angekündigt. Tsipras könne seinen Versprechen aus dem Wahlkampf nicht mehr nachkommen, viele Bürger würden bereits von Lügen sprechen. "Jetzt steht er eben da, quasi wie der König ganz nackt ohne Kleidung", so der Ex-Außenminister.

"Schock-Abkommen" und "Crashtest für Regierung"
Auch zahlreiche griechische Zeitungen sprechen am Tag nach dem EU-Sondergipfel in Brüssel von einem "Schock-Abkommen" und einem "schmerzhaften Kompromiss". Tsipras müsse jetzt seinem Parlament und seiner Partei erklären, warum er von seinen Wahlversprechen so sehr abweiche. Einen "Crashtest für die Regierung" erwartet das konservative Blatt "Kathimerini".

Aus Sicht der griechischen Öffentlichkeit hat Tsipras zuletzt erhebliche Zugeständnisse an die Geldgeber gemacht. "Wir zahlen acht Milliarden Euro und die Gläubiger wollen mehr", titelt die Athener Zeitung "Ta Nea". Es gebe zwar positive Reaktionen seitens der Verhandlungspartner, aber noch kein Wort über die Umstrukturierung des griechischen Schuldenberges. Tsipras stehe vor einer Konfrontation mit seiner Partei Syriza.

Einige Syriza-Abgeordnete wollen nicht zustimmen
Tatsächlich drohen laut Informationen der "Bild"-Zeitung mehrere Syriza-Abgeordnete, nicht für die angekündigte Erhöhung der Mehrwertsteuer zu stimmen. Alexis Mitropoulos, Vizepräsident des Parlaments und Syriza-Mitglied, ging gegenüber der Zeitung scharf mit Tsipras ins Gericht: "Dieses Angebot ist unsozial und es wird nicht durchs Parlament kommen! Ich werde dem nicht zustimmen."

Auch der Koalitionspartner, die rechtspopulistische Anel, ist gegen eine Mehrwertsteuererhöhung. Anel-Chef und Verteidigungsminister Panos Kammenos wetterte am Montag gegen die Pläne und bezeichnete sie als "Kriegsgrund". Er werde diesen nicht zustimmen, "auch wenn dies das Ende der Regierung bedeutet". Die regierende Syriza verfügt über 149 Abgeordnete im 300 Sitze zählenden Parlament, dazu kommen 13 Abgeordnete des Koalitionspartners Anel.

Athen ist laut Regierungskreisen bereit, die Mehrwertsteuer im Bereich Tourismus (Hotels, Tavernen und Cafés) zu erhöhen, die meisten Frühpensionen abzuschaffen und die Reichen des Landes mit einer Sondersteuer zu belegen. Unternehmen, die 2014 mehr als 500.000 Euro Gewinn machten, sollen eine Sondergewinnsteuer zahlen. Eine Immobiliensteuer, die die linke Regierung eigentlich abschaffen wollte, soll bestehen bleiben. Besitzer von Jachten, Luxusautos und Schwimmbädern sollen tiefer in die Tasche greifen. Die Regierung will die Rüstungsausgaben zudem um 200 Millionen Euro kürzen. Pensionskürzungen soll es aber nicht geben.

EZB erhöhte erneut Rahmen für Notfallkredite
Um die griechischen Banken auch für die kommenden Tage ausreichend mit Bargeld zu versorgen, hat die Europäische Zentralbank zum vierten Mal binnen weniger Tage eine Erhöhung des Notfallkreditrahmens veranlasst. Einem Insider zufolge soll die Erhöhung knapp unter einer Milliarde Euro liegen. Mit dem Geld sollen die Banken trotz der starken Mittelabflüsse zahlungsfähig bleiben - wegen der drohenden Staatspleite holen viele Griechen ihr Geld von den Konten. In der Vorwoche hatte der EZB-Rat den Rahmen für die Hilfen auf rund 86 Milliarden Euro angehoben und stockte ihn laut Insidern am Montag erneut um zwei Milliarden auf.

Experten warnen vor faulem Kompromiss
Ökonomen warnten am Dienstag vor einem faulen Kompromiss, der Reformgegnern in anderen Euro-Ländern Auftrieb geben werde. Es wird bezweifelt, dass mit den griechischen Vorschlägen eine Trendwende hin zu soliden Finanzen und Wirtschaftswachstum geschafft werden kann. So kritisierte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, die Regierung in Athen setze zu sehr auf Steuererhöhungen statt auf echte Reformen. Der Chefvolkswirt der BayernLB, Jürgen Michels, sagte: "Die Kuh wehrt sich nicht mehr, um vom Eis zu kommen - aber steht noch auf glattem Untergrund." Denn ohne Gegenleistung werde Athen keinem Deal zustimmen. Dies laufe auf Schuldenerleichterungen zu einem späteren Zeitpunkt und ein drittes Hilfspaket hinaus. Auch könne es durchaus sein, dass Syriza auseinanderbreche: "Die Frage ist, ob Tsipras diesen politischen Preis zahlen will."

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