Arbeit statt Almosen

Österreicher hilft Menschen mit “Mikrokrediten”

Wirtschaft
07.11.2009 18:29
Kein Job, kein Brot. Wer einmal in den Teufelskreis der Armutsfalle geraten ist, kommt kaum raus. Es sei denn, er erhält einen "Mikrokredit". Diese Idee, Mittellosen einen Mini-Kredit als Starthilfe zu verschaffen, ging um die Welt. Muhammad Yunus (links im Bild) hat das Konzept sogar den Friedensnobelpreis eingebracht. Seine Vision setzt auch der Österreicher Leopold Seiler (rechts im Bild) in die Tat um, weltweit – und vor unserer Haustür auf dem Balkan!

"Endlich glaube ich wieder an die Zukunft. Meine Familie hat zu essen, wir können uns das Heizen leisten und meine Kinder die Schule besuchen", zuversichtlich, ja stolz, lächelt Nusret Muscolli (43) beim Lokalaugenschein in Pritina in die Kamera. Der vierfache Familienvater hat es geschafft. Jahrelang war er arbeitslos, hie und da ein Nebenjob. Jetzt ist der Automechaniker Chef seiner eigenen Werkstatt. Wie ging das? Mit einem "Mikrokredit" von 1.000 Euro ist ihm der Start gelungen: Werkzeug wurde gekauft und eine Garage hergerichtet. Der österreichische "Vision Microfinance Fonds" hat ihm, der über keinerlei Sicherheiten verfügt, vertraut und Geld geliehen. Nach einem Jahr waren die Schulden abbezahlt, und mit einem neuen Kredit wurde ein Schweißgerät angeschafft.

Bettelarmer Kosovo
Was wie ein rührendes Wintermärchen klingt, ist – nur zwei Flugstunden von Wien entfernt – bittere Realität. So selbstständig der Kosovo mittlerweile ist, so alleingelassen und bettelarm sind viele dort: 60 Prozent Arbeitslosigkeit, ein Drittel der Leute verdient einen Euro am Tag. Es gibt kaum staatliche Hilfe, und so schlittern etliche in die Kriminalität: Schmuggel, Drogen- oder Menschenhandel. Auch wenn Kosovaren seit 1. Juli in der EU nicht mehr als Asylanten anerkannt werden, schleusen Schlepper nach wie vor viele Verzweifelte Richtung Westen. Allein, nicht integriert, der fremden Sprache nicht mächtig, sind diese Wirtschaftsflüchtlinge dort Ziel der Mafia. "Männer werden als Handlanger der Ost-Banden rekrutiert, Frauen enden oft als Sex-Sklavinnen im Rotlicht", so die düstere Realität laut einer aktuellen EUROPOL-Studie.

"Und genau diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen!", erklärt Leopold Seiler, engagierter Verwaltungsrat dieses Fonds. "Mitleid und Almosen bringen nichts. Diese Hilfe versiegt rasch. Wir gießen die Wurzeln und nicht die Blätter", so das Credo des Wirtschaftspioniers. Seiler weiß, wovon er redet. Als ehemaliger Finanzhai, sprich Millionärsberater, lernte er vor sieben Jahren auch Muhammad Yunus, den geistigen Vater der "Mikrokredite" kennen. Eine fantastische Eingebung, mit der es dem Bangalen gelungen ist, Millionen in der Dritten Welt vor dem Verhungern zu retten.

"Mikrokredite" um 90 Millionen Euro vergeben
Eine Idee, der sich der Finanzberater aus Wien-Fünfhaus geradezu missionarisch verschrieben hat. Sein Traum wurde Wirklichkeit. Ohne blinde Sozialromantik hat "sein" Fonds seit 2006 mehr als 210.000 Kleinkredite in der Höhe von 90 (!) Millionen Euro vergeben. Mittlerweile umspannt das Netzwerk 21 Länder: Vom Kosovo bis in die Mongolei, von Armenien bis nach Brasilien. "Natürlich brauchen die Menschen überall etwas anderes. Auf dem Land bedeutet ein Pflug oft Überleben. In den Städten sichern kleine Geschäfte, vom Friseursalon bis zum Obstladen, die Existenz", so Seiler.

"Eigeninitiative statt Bürokratie" lautet das Erfolgsrezept. Ein Prinzip, dem auch Außenminister Spindelegger große Zukunftschancen einräumt und das er unterstützt: "Das ist echte Pionierleistung, wenn Menschen Arbeit statt Almosen bekommen!"

von Christoph Matzl, Kronen Zeitung

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