Referendums-Coup

Juncker fühlt sich von Griechenland “verraten”

Wirtschaft
29.06.2015 18:53
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fühlt sich vom griechischen Premier Alexis Tsipas "verraten". Juncker erklärte am Montag in Brüssel, Tsipras habe auf dem Weg zu einer "bestmöglichen Einigung" den "Schwung einseitig durch die Ankündigung des Referendums vom Tisch gefegt". Trotzdem sei er entschieden gegen einen "Grexit". "Das wird nie eine Option sein", sagte er.

Allerdings, so Juncker, "habe ich meinen griechischen Freunden immer gesagt, sie dürfen nicht glauben, dass ich da mit einer Zauberlösung gegen alle anderen aufwarten kann". Vor allem die Ankündigung von Tsipras, die Griechen sollten mit Nein beim Referendum gegen die Sparvorschläge der Eurozone stimmen, sei der griechischen Demokratie unwürdig: "Eine Demokratie gegen 18 andere auszuspielen, ist keine Einstellung, die der griechischen Demokratie entspricht", so Juncker. Das helfe keinem griechischen Bürger und keinem europäischen.

Kommissionspräsident fühlt sich "verraten"
Jedenfalls fühle er sich "nach allen Anstrengungen und Bemühungen, die ich unternommen habe, etwas verraten", sagte der EU-Kommissionspräsident. Er habe "nichts unversucht gelassen, die europäische Familie zusammenzuhalten".

Die Rede Junckers klang teilweise wie ein trauriger Abgesang auf Griechenland, doch gleichzeitig betonte der Kommissionspräsident, er hoffe, die Eurozone "bleibt zu neunzehnt und sogar, dass wir mehr werden". Immer wieder beschwor Juncker den Geist der europäischen Einheit. Es habe Jahrzehnte des Kompromisses und der Versöhnung gegeben. "Es ging darum, den jeweils anderen zu verstehen." Es sei "kein Europa der Konfrontation nationaler Interessen, egal wie gerechtfertigt diese sein mögen. Europa kann nur funktionieren, wenn die Meinungsunterschiede im Dialog gelöst werden können. Es "geht nicht einer gegen 18 oder 18 gegen einen".

Aufruf zu Ja bei Referendum
Die Griechen rief Junker in einer emotionalen Rede dazu auf, beim Referendum am kommenden Sonntag mit Ja zu stimmen. "Und zwar unabhängig davon, was die Frage sein wird", sagte der EU-Kommissionspräsident. "Denn wenn das griechische Volk mit Ja stimmt, ist die Botschaft, dass sie (mit der europäischen Familie, Anm.) zusammenbleiben wollen."

"Man darf sich nicht umbringen, weil man Angst vor dem Tod hat", sagte Juncker - wohl an die griechischen Regierung gewandt. Er selbst verspreche dem griechischen Volk, es "nie hängen zu lassen", so der Kommissionspräsident. "Griechenland ist Teil der europäischen Familie und ich will, dass diese Familie zusammenbleibt."

Nein wäre "verheerend" für die Zukunft
Würden die Griechen jedoch mit "Nein" stimmen, wäre dies "verheerend" für die Zukunft, so Juncker. "Jeder würde dies als Zeichen interpretieren, dass sich Griechenland von der Eurozone distanzieren will."

Der EU-Kommissionspräsident betonte einmal mehr, es sei das "Recht der griechischen Regierung", eine Volksabstimmung abzuhalten. Er sei jedoch "enttäuscht", dass ihn Premier Tsipras trotz stundenlanger Verhandlungen im Vorfeld nicht informiert habe - "nicht nur politisch, sondern auch als Mensch, weil ich alles getan habe, was ich konnte".

EU-Parlament für "Brücke" bis Sonntag
Wie es in den nächsten Tagen formal weitergeht, ist noch völlig offen. Das EU-Parlament sprach sich für eine "Brücke" nach dem Auslaufen des zweiten Hilfsprogramms Dienstagnacht bis zum Referendum am Sonntag aus. Parlamentspräsident Martin Schulz sagte, entweder sollten die Staats- und Regierungschefs der Währungsunion oder deren Finanzminister entsprechende Vereinbarungen treffen. Es müsse eine "Brücke zwischen Dienstagabend und Sonntagabend geben", so Schulz.

Außerdem werde sich das EU-Parlament bemühen, an die griechische Bevölkerung heranzutreten und mit einer Informationsoffensive für ein Ja zum letzten Angebot der internationalen Geldgeberinstitutionen zu werben. "Ich kann nur empfehlen, dass das griechische Volk mit Ja stimmt. Weil das Angebot, das dort gemacht wird, sicher in einem Punkt bei der Mehrwertsteuer für Restaurants noch verbessert werden kann. Aber wenn es akzeptiert wird, ist die Türe für langfristige nachhaltige wirtschaftliche und Investitionsentwicklungen offen", sagte Schulz am Montagnachmittag.

Athen zahlt IWF-Schulden nicht fristgerecht
Unterdessen erklärte die Regierung in Athen, dass eine am Dienstag fällige Kreditrate in der Höhe von 1,6 Milliarden Euro nicht an den Internationalen Währungsfonds zurückgezahlt werde. Unmittelbar bedeutet das zwar noch nicht den Zahlungsausfall Griechenlands, zunächst würde eine Mahnung an die Regierung in Athen ergehen. Erst nach einem monatelangen Prozess - so sehen es die Regeln des IWF vor - stünde dann die Veröffentlichung einer formellen Erklärung des IWF an. In diesem würde festgestellt, dass Griechenland von jeglichen Hilfen und Rückgriffen auf IWF-Mittel abgeschnitten sei - bis die versäumten Zahlungsverpflichtungen erfüllt seien. Doch allein die Tatsache, dass im Gegensatz zu den bisher pünktlich geleisteten Rückzahlungen Athen in Verzug gerät, dürfte keine positiven Signale an die Finanzmärkte und die internationalen Gläubiger aussenden.

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