Ausführliche Analyse

Zehn-Punkte-Plan für die Bewältigung der Asylkrise

Ausland
06.03.2016 18:22

Dass das gemeinsame europäische Asylsystem gescheitert ist, lässt sich an den Flüchtlingsströmen, die sich über die Balkanroute in die reichen EU-Länder wälzen, unschwer erkennen. In Deutschland haben nun der Staatsrechtler Hans-Detlef Horn und AfD-Gründer Bernd Lucke einen Zehn-Punkte-Plan für die Bewältigung der Flüchtlingskrise ausgearbeitet. Dieser Plan setzt vor allem darauf, die Zahl der Flüchtlinge massiv zu reduzieren und die Migration direkt an der EU-Außengrenze zu steuern. Österreich wäre demnach auch nicht verpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen - da es als souveräner Staat selbst entscheiden darf, wer in sein Hoheitsgebiet darf bzw. wen es ausweist.

Hans-Detlef Horn, Staatsrechtler von der Universität Marburg, und AfD-Parteigründer Bernd Lucke haben ihren Plan in einem Gastbeitrag im deutschen Magazin "Focus" vorgestellt. Die beiden sind der Ansicht, dass in der Flüchtlingsfrage die Durchsetzung des derzeit geltenden Rechts eine politische Utopie ist. Die Krise könne auch nicht "mit einer vollständigen Vergemeinschaftung der Asylpolitik in den Händen der EU-Kommission" gelöst werden.

Horn und Lucke sehen allerdings nationale Alleingänge wie etwa die von Deutschland praktizierte grenzenlose Aufnahme von Migranten oder die rücksichtslose Abweisung von Menschen als unbrauchbare Alternativen. Dadurch würden unkalkulierbare zwischenstaatliche Konflikte provoziert, die sogar die EU bedrohen könnten. Aus dieser Perspektive betrachtet, sind "unausweichlich alle EU-Mitgliedsstaaten" von der Flüchtlingswelle betroffen. Die Regierungen der EU-Staaten müssten deshalb - mit dem Ziel der Wahrung der Genfer Flüchtlingskonvention und des Erhalts des Schengenraumes - jedenfalls stärker kooperieren.

Folgende zehn Eckpunkte sollen den Fahrplan dazu vorgeben:

1. Effektive Reduzierung: Die Zahl der Flüchtlinge muss effektiv reduziert werden, statt sich mit der Frage zu beschäftigen, wie man Migranten möglichst gerecht in den EU-Staaten verteilen könne. Dadurch würde die Anziehungskraft Europas auf Migranten nicht nachaltig vermindert. Wird der Andrang eingeschränkt, verkleinert sich auch das Vollzugsproblem bei den Abschiebungen.

2. Migrationssteuerung direkt an EU-Außengrenze: Will man den Schengen-Raum mit seinen offenen Binnengrenzen erhalten, muss die EU-Außengrenze abgesichert werden. Gleichzeitig müssen die Staaten mit einer EU-Außengrenze entlastet werden. Länder wie Griechenland sollen von diversen Verpflichtungen befreit werden und auch bilaterale Regelungen in der Grenz- und Migrationspolitik möglich sein.

3. Koalition der Willigen: Die aus Frontex hervorgegangene Europäische Agentur für Grenz- und Küstenschutz soll auf "zwischenstaatlichen (Hoheits-)Betrieb" umstellen und zu einem "exterritorialen Prüfzentrum" an der Grenze ausgebaut werden. Diesem Prüfzentrum sollen auch die Erstaufnahme-Hotspots zugeordnet werden.

4. Eilverfahren: Dieses Prüfzentrum soll im Eilverfahren entscheiden, wer zur Einreise berechtigt ist bzw. ob "eine Berechtigung zur Eröffnung eines individualisierten Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennungsverfahrens" besteht. Ohne Berechtigung soll die Einreise verweigert werden dürfen.

5. Verhindern illegaler Einreiseversuche: Die Grenzschützer hätten die Aufgabe, illegale Einreisen zu unterbinden und die angehaltenen Personen, denen die Einreiseberechtigung verweigert wird, "zurück an die Grenze des sicheren Drittstaats ihrer Ausreise oder ihres sicheren Herkunftslandes zu bringen".

6. Türkei als sicherer Drittstaat: Dazu ist es nötig, vor allem die Türkei als sicheren Drittstaat zu behandeln. Die Türkei soll außerdem zulassen, dass auf ihrem Staatsgebiet von der EU betriebene Auffanglager zugelassen werden. Darüber hinaus soll die Türkei dazu bewogen werden, Migration in Richtung EU zu verhindern.

7. Völkerrechtliche Spielräume nutzen: Für die Umsetzung dieses Konzepts muss das europäische Recht, das im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention steht, geändert werden. Allerdings existieren bereits jetzt völkerrechtliche Spielräume, die sich daraus ergeben, dass die Flüchtlingskonvention individuell Verfolgten nicht etwa einen Anspruch auf Asyl sichert, sondern lediglich zusagt, dass Verfolgte nicht in den Staat der Verfolgung zurückgewiesen werden. Darüber hinaus hat kein Flüchtling das Recht, sich seinen Aufnahmestaat frei auszusuchen. Wenn der Flüchtling "Teil einer Massenfluchtbewegung ist, deren Ursache jeden mehr oder weniger gleichermaßen betrifft, kann er daher ohne individuelle Antragsprüfung  zum Verbleib in einem sicheren Drittstaat zurückgewiesen werden".

8. Wirksame Anreizeffekte und -mechanismen: Die EU-Staaten sind auf die Zusammenarbeit mit Staaten wie der Türkei angewiesen. Zu diesem Zweck müssen Anreize und Mechanismen geschaffen werden, die diese Länder zur Kooperation motivieren.

9. Geld: Europäische und internationale Geldgeber sollen im Zusammenhang mit Punkt 8 mehr Geld zur Verfügung stellen, um Flüchtlingen in den Aufnahmelagern längerfristig würdige Lebensbedingungen zu schaffen. Dieses Kapital soll auch der Wirtschaft des jeweiligen Landes, in dem sich die Aufnahmelager befinden, zugutekommen. Parallel dazu sollen EU-Mitgliedsstaaten vertraglich dazu verpflichtet werden, bestimmte Kontigente an Flüchtlingen zu übernehmen. "In diesem Rahmen bleibt die Höhe der Kontingente eine freiwillige und souveräne Entscheidung der Mitgliedsstaaten", die Kosten der Flüchtlingsaufnahme sollten aus dem EU-Haushalt finanziert werden.

10. Europäische Kooperation: Die EU-Staaten brauchen Anreize, um an diesem Konzept mitzuwirken, z.B. durch realistische Erfolgsaussichten auf Besserung der Lage im eigenen Land. So liegt die Verantwortung, die Krise zu bewältigen, bei den einzelnen Staaten und stützt sich auf deren dafür notwendige Zusammenarbeit und auf deren souveräne Handlungsmacht. Die Last der Aufnahme von Flüchtlingen wird dadurch kalkulierbarer.

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