Bengasi-Gewalt

Video: US-Diplomat nach Angriff noch lebend geborgen?

Ausland
18.09.2012 15:26
Ein Video, das unmittelbar nach dem Sturm auf die US-Botschaft in Bengasi aufgenommen wurde, soll laut einer Gruppe Libyer beweisen, dass Botschafter Chris Stevens nicht einem Lynch-Mob zum Opfer fiel. Den Aufnahmen zufolge wurde Stevens schwer verletzt, aber lebend aus einem Botschaftsgebäude getragen und soll danach in ein Krankenhaus gebracht worden sein, wo er schließlich seinen Verletzungen erlag. Für Skepsis sorgen religiöse Freudenrufe während der Bergung des US-Diplomaten.

Das am Montag in zwei Versionen auf einem YouTube-Profil auf den Namen "Abdalgader Fadl" veröffentlichte Video zeigt mehrere junge Männer auf dem Gelände der US-Botschaft. Die Personen stehen vor einem Fenster oder Balkontür mit halb heruntergelassenen Jalousien, einige steigen ein. Im Stimmengewirr ruft jemand - laut einer mit dem Video veröffentlichten Übersetzung: "Schafft ihn raus!"

Sekunden später erkennt man auf den wackeligen Filmaufnahmen deutlich den leblosen wirkenden Körper von Botschafter Christopher Stevens, der an den Händen und Füßen durchs Fenster gehievt wird. "Aus dem Weg, der Mann ist am Leben", heißt es laut der Übersetzung. Handys werden gezückt, Fotos gemacht. Stevens wird abgesetzt, jemand beugt sich hinunter, für einen Moment wird es fast still. Dann bricht Jubel aus. "Gott ist groß!", rufen die jungen Männer. Laut Übersetzung: "Er lebt! Gott ist groß!"

Todesumstände noch immer ungeklärt
Die genauen Umstände des Todes des US-Botschafters sowie der drei ums Leben gekommenen Mitarbeiter sind nach wie vor noch unklar. Zu Beginn hieß es, der Chefdiplomat sei von dem Protest-Mob beim Sturm der Botschaft gelyncht, die drei weiteren US-Bürger erst einige Stunden später beim Überfall auf ihr Versteck in einem "Safe House" der Botschaft von schwer bewaffneten Kämpfern erschossen worden. Laut anderen Quellen soll Stevens bei einer Explosion während der Erstürmung der Botschaft ums Leben gekommen sein.

Fest stand, dass Stevens in der Nacht in ein Krankenhaus in Bengasi kam und dort für tot erklärt wurde. Laut CNN unternahmen die Ärzte 45 Minuten lang Reanimationsversuche, ehe sie den Tod des Botschafters feststellen mussten. Als Todesursache gab ein Arzt Ersticken durch Rauchgase an.

"Er hatte einen Puls und seine Augen haben sich bewegt"
In einem CNN-Bericht wird der angebliche Urheber des Videos, ein libyscher Videoreporter namens Fahed al-Bakush, zitiert. Ihm zufolge hielt die Gruppe kurz nach Mitternacht, nach der Erstürmung des Botschaftsgeländes und den Gefechten bewaffneter Demonstranten mit Sicherheitskräften, Nachschau auf dem Gelände. Dabei sei Stevens entdeckt worden. Dass es sich bei dem Mann um den Botschafter handelte, habe zu diesem Zeitpunkt niemand gewusst.

Man habe sich gefreut, dass der Mann noch lebte. "Er hatte einen Puls und seine Augen haben sich bewegt. Er war schwarz vom Ruß, seine Lippen waren ganz schwarz", schildert al-Bakush. Einer der Männer habe den bewusstlosen Stevens geschultert und ihn nach draußen zu seinem Auto getragen (das YouTube-Video enthält Standbilder davon). Dann sei er ins Krankenhaus gebracht worden.

Die Nachrichtenagentur AP zitiert in ihrer, mit CNN nahezu deckungsgleichen Schilderung der Ereignisse einen 22-jährigen Studenten aus Bengasi. Auch er berichtet, mit der Gruppe das verwüstete Botschaftsgelände betreten zu haben, nachdem der Mob abgezogen war. "Wir waren froh, dass er am Leben war. Es war sonst niemand da - keine Wachleute, kein Rettungswagen. Niemand sonst hat geholfen." Der junge Mann beteuerte, die religiösen Freudenrufe hätten Stevens lebendigem Zustand gegolten, vergleichbar mit einem "Gott sei Dank, er lebt".

"Bürger von Bengasi haben Botschafter nicht getötet"
Der bisherigen Informationslage nach zu urteilen, könnten die Aufnahmen zwischen der Erstürmung der Botschaft durch Demonstranten und dem einige Stunden später erfolgten zweiten Angriff auf die evakuierten Botschaftsmitarbeiter entstanden sein. Das Weiße Haus wollte die Aufnahmen vorerst nicht kommentieren, bevor nicht die Authentizität des Videos geklärt sei.

Sollte die Gruppe, die Stevens barg und ins Krankenhaus brachte, tatsächlich nur als Helfer vor Ort gewesen sein, so spricht dies einmal mehr dafür, dass die Gewalt-Proteste gegen den Film "Innocence of Muslims" von kleinen, militanten Gruppierungen orchestriert wurden und nicht unbedingt die vorherrschende Stimmung in der Bevölkerung repräsentierten. "Die Bürger von Bengasi haben den Botschafter nicht getötet", heißt es unter den Videoaufnahmen auf YouTube. Auch CNN kommt zum Schluss, dass "in dieser Nacht wohl nicht jeder in Bengasi auf Gewalt aus war".

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