"Kondom-Erlaubnis"

Vatikan: Papst-Sager sind keine Sex-Revolution

Ausland
21.11.2010 16:39
Die Euphorie bei Kirchenkritikern und Hilfsorganisationen nach der "Kondom-Freigabe" durch Papst Benedikt XVI. hat am Sonntag jäh einen Dämpfer erlitten. Nach Darstellung des Vatikans sind die Aussagen des Papstes in einem nächste Woche erscheinenden Buch nämlich keine "revolutionäre Wende" innerhalb der katholischen Kirche. Der Vatikan vertrete weiterhin die Auffassung, dass die Aids-Problematik nicht mit Kondomen zu lösen sei. Wie die Teilerlaubnis nun konkret zu verstehen ist und für wen sie gilt, konnte immer noch nicht ganz geklärt werden.

Vatikan-Sprecher Federico Lombardi gestand am Sonntag in einer Stellungnahme zwar ein, dass die Aussagen des Papstes bedeutend seien: "Bis heute haben wir diese Ansichten noch nie mit einer solchen Deutlichkeit aus dem Munde eines Papstes gehört."

Doch der Papst habe dies in informeller und nicht offizieller Weise gesagt, meinte Lombardi. Die Argumentation Benedikts in den Gesprächen mit dem deutschen Publizisten Peter Seewald, die kommende Woche in Buchform erscheinen, könne daher keinesfalls als "revolutionäre Wende" bezeichnet werden.

"Die Doktrin an sich wird nicht geändert"
Lombardi betonte in seiner Mitteilung ausdrücklich, dass Benedikt XVI. Kondome "nur in Ausnahmefällen" erlaubt habe, konkretisierte aber selbst nicht, welche das nun seien. Das Oberhaupt der katholischen Kirche hatte sich mit Blick auf den Kampf gegen Aids auf "begründete Einzelfälle" bezogen und als einzelnes Beispiel männliche Prostituierte genannt, die die Ansteckungsgefahr verringern wollen. "Der Papst hat eine außergewöhnliche Situation betrachtet, in der das Ausüben von Sexualität eine wahre Gefahr für das Leben des anderen darstellt", so Lombardi.

Der Vatikan vertrete aber weiterhin die Auffassung, dass die Aids-Problematik nicht mit Kondomen zu lösen sei. "Die Doktrin an sich wird nicht geändert", meinte auch Giovanni Maria Vian, der Chef der Vatikanzeitung "L'Osservatore Romano", die die entsprechenden Passagen aus dem Buch am Samstag vorab veröffentlicht hatte. Es sei viel mehr "Realismus des Hirten".

Bei Verhütung nein, gegen Krankheit ja?
Die einzige konkrete Definition zur Papst-Aussage tätigte am Sonntag Deogracias Yniguez von der Katholischen Bischofskonferenz auf den Phillippinen: "Wenn ein Kondom als Verhütungsmittel verwendet wird, wird das sicherlich von der Kirche verurteilt. Aber wenn es verwendet wird, um eine Krankheit zu vermeiden, dann kann die Kirche eine andere Haltung einnehmen."

Nimmt man Yniguez' Definition wörtlich, so kann sich die "Kondom-Erlaubnis" mehr oder weniger nur auf Oralsex (usw.) und Liebe zwischen Männern beziehen, da in diesen Fällen bei der Verwendung nicht automatisch auch Empfängnisverhütung betrieben wird.

Hilfsorganisationen und UNO jubelten
Hilfsgruppen und liberale Katholiken hatten die Äußerungen zuvor schon als Durchbruch im Kampf gegen die Krankheit gewertet. "Es ist ein wunderbarer Sieg für gesunden Menschenverstand und Vernunft", erklärte "Catholics for Choice". Der Papst stelle sich endlich der Realität, meinte die Aids-Hilfsgruppe "Act Up Paris".

Der Direktor des UNO-Programms gegen Aids, Michel Sidibe, sprach von einem "bedeutenden und positiven Schritt des Vatikans". Der Papst erkenne damit an, dass ein verantwortungsvolles Sexualverhalten und der Gebrauch von Kondomen eine wichtige Rolle bei der Aids-Prävention spielten. Allerdings fügte er hinzu: 80 Prozent aller HIV-Infektionen gingen auf ungeschützten Geschlechtsverkehr zurück, jedoch nur vier Prozent auf gleichgeschlechtlichen Sex zwischen Männern. Es gebe keine verlässlichen Statistiken darüber, wie viele Ansteckungen verhindert werden könnten, wenn alle männlichen Prostituierten Kondome verwenden würden. Dennoch sei auch diese vom Papst genannte Ausnahme vom Kondom-Verbot ein Schritt in die richtige Richtung.

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