Ultimatum abgelaufen

Ukraine: Militär in umkämpfte Region beordert

Ausland
14.04.2014 08:46
Die Spannungen im Osten der Ukraine sind am Wochenende in blutige Gewalt umgeschlagen: Wegen der anhaltenden Unruhen und Zusammenstöße, die bereits mehrere Tote und zahlreiche Verletzte forderten, will die Regierung in Kiew jetzt einen "vollständigen Antiterroreinsatz" unter Beteiligung des Militärs - zumal Montag früh auch ein von Kiew gestelltes Ultimatum ohne Einlenken der prorussischen Milizen ausgelaufen ist. 350 Reservisten der neu gegründeten Nationalgarde sind bereits auf dem Weg in die umkämpften Städte.

Das Bataillon solle noch am Montag zu "Kontrollaufgaben" in den Raum Slawjansk verlegt werden, teilte das Innenministerium in Kiew mit. Kommentatoren sehen dies eher als Drohung in Richtung prorussischer Separatisten und nicht als Vorbereitung von Kämpfen. In Slawjansk rund 600 Kilometer östlich von Kiew halten prorussische Aktivisten mehrere Verwaltungsgebäude besetzt. Nach Ablaufen des Ultimatums herrschte in Slawjansk angespannte Ruhe. Von Kämpfen und Unruhen war nichts zu hören, sagte ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP.

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Turtschinow: "Moskau führt Krieg gegen unser Land"
Übergangspräsident Alexander Turtschinow hatte am Wochenende mit einem "groß angelegten Antiterroreinsatz" unter Beteiligung der Streitkräfte gedroht, um die Unruhen zu beenden. Er wirft Russland vor, "Krieg" gegen sein Land zu führen. Moskau weist die Anschuldigungen zurück.

Russland trage einen Krieg gegen die Ukraine aus und stifte weiter Unruhe im Osten des Landes, so Turtschinow in seiner Rede, die am Sonntag im staatlichen Fernsehen übertragen wurde. Der Interimspräsident bot den prorussischen Demonstranten an, dass Kiew von einer strafrechtlichen Verfolgung absehe, sollten sie bis Montag früh ihre Waffen freiwillig niederlegen.

Moskau: Kiew muss "Krieg gegen das eigene Volk" beenden
Moskau zeigte sich empört und kritisierte die angekündigte Militäroffensive scharf. Die Armee zu mobilisieren sei ein "krimineller Befehl", erklärte Außenminister Sergej Lawrow. Die Ukraine müsse den "Krieg gegen das eigene Volk" sofort beenden. "Der Westen hat jetzt die Verantwortung, einen Bürgerkrieg in der Ukraine zu verhindern." Er solle daher seine Verbündeten in der ukrainischen Regierung unter Kontrolle bringen.

Gegenseitige Anschuldigungen im UN-Sicherheitsrat
In einer eilig einberufenen Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York in der Nacht auf Montag gab es lediglich gegenseitige Beschuldigungen der Botschafter der Ukraine und Russlands. Eine Annäherung der beiden Konfliktparteien konnte nicht erzielt werden.

Russlands Vertreter Witali Tschurkin warnte die Regierung in Kiew abermals vor einer gewaltsamen Niederschlagung der separatistischen Bestrebungen in mehreren grenznahen Städten. "Die Dinge könnten einen nicht mehr umkehrbaren Schwenk zum Schlechteren nehmen", sagte Tschurkin.

Die US-Botschafterin Samantha Power bekräftigte ebenso wie die Vertreter Großbritanniens und Frankreichs den Vorwurf an die russische Regierung, hinter der Abspaltungsbewegung in der Ukraine zu stehen. Das Drehbuch für die Destabilisierung der Ukraine sei in Russland geschrieben worden, sagte Power. Bereits vor der Sitzung hatte Power gemeint, die Vorkommnisse in der Ostukraine erinnerten sie an das, was vor wenigen Wochen auf der Krim passiert sei. Auch vom traditionellen Verbündeten China erhielt Russland keine Unterstützung: Der chinesische Vertreter im Sicherheitsrat appellierte lediglich an alle Seiten, Zurückhaltung zu üben.

"Tote und Verletzte auf beiden Seiten"
Seit Samstag gehen ukrainische Eliteeinheiten gegen prorussische Milizen vor, die in der Ostukraine Verwaltungs- und Polizeigebäude gestürmt hatten. Nach der Erstürmung mehrerer Gebäude der Sicherheitsdienste in Slawjansk hatte das ukrainische Innenministerium dann am Sonntag eine Offensive gestartet. Einheiten aller Sicherheitskräfte des Landes seien dafür zusammengezogen worden, schrieb Innenminister Arsen Awakow auf seiner Facebook-Seite. Bei dem Einsatz soll es "Tote und Verletzte auf beiden Seiten" gegeben haben.

Ein Geheimdienstagent sei getötet und fünf weitere Menschen seien verletzt worden. Bei den "Separatisten" habe es eine unbekannte Zahl an Opfern gegeben, schrieb Awakow weiter. Der Politiker warf der Gegenseite vor, "menschliche Schutzschilde" einzusetzen und erklärte, sie würde auf die Spezialkräfte zu feuern, "um zu töten". Zuvor hatte der Minister den Einwohnern der Stadt geraten, ihre Häuser nicht zu verlassen und sich von Fenstern fernzuhalten.

Handyfoto zeigt toten Schützen nach Feuergefecht
Im Internet wurde auf verschiedenen Social-Media-Seiten über Schüsse in Slawjansk berichtet, ohne dass es nähere Informationen über die Lage dort gab. Ein mittlerweile veröffentlichtes Handyfoto zeigt einen bislang noch nicht identifizierten Mann, der bei einem Feuergefecht in der Stadt ums Leben gekommen sein soll.

Augenzeugen zufolge stand Rauch über der Stadt, die Demonstranten hätten Barrikaden aus Autoreifen angezündet, hieß es. Schützenpanzer der Regierungseinheiten versperrten an einigen Stellen die Zufahrten. Über der Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern kreisten Militärhubschrauber.

Weitere öffentliche Gebäude von Separatisten besetzt
Am Samstag hatten Angreifer in Kampfanzügen unter "Russland! Russland!"-Rufen Dutzender Zivilisten die Kontrolle über das Polizeikommissariat und den Sitz des ukrainischen Geheimdienstes SBU in Slawjansk übernommen. Die Stadt liegt rund 60 Kilometer von der Großstadt Donezk entfernt.

Auch in Donezk stürmten prorussische Gruppen das Hauptquartier der Polizei, in Kramatorsk und Krasnyi Lyman gab es nach Angriffen "bewaffneter Kämpfer" auf Verwaltungsgebäude Schusswechsel mit den Sicherheitskräften.

50 Verletzte bei Zusammenstößen in Charkow
In Charkow wurden bei Zusammenstößen etwa 50 Menschen verletzt. Rund 1.000 prorussische Demonstranten seien unter anderem mit Sowjet-Fahnen durch das Zentrum der Stadt marschiert und mit Hunderten prowestlichen Aktivisten aneinandergeraten, teilten die lokalen Behörden mit. Die kremltreuen Aktivisten besetzten nach dem Handgemenge den Stadtrat. Anschließend zogen sie vor das Untersuchungsgefängnis und verlangten die Freilassung von Gesinnungsgenossen.

In Jenakijewo, dem Heimatort des entmachteten und nach Russland geflohenen Präsidenten Viktor Janukowitsch, brachten Separatisten am Sonntag mit Polizeizentrale und Stadtrat weitere Gebäude in ihre Gewalt. In Mariupol besetzten sie das Büro des Bürgermeisters.

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