Attentat in Arizona

Sheriff: Tat eines “sehr gestörten Individuums”

Ausland
10.01.2011 07:57
Bei dem blutigen Attentat auf die US-Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords in Tucson handelt es sich offenbar um die Tat eines geistig verwirrten Einzeltäters. Wie der ermittelnde Sheriff Clarence Dupnik am Sonntag dem Sender Fox sagte, bestehe seitens der Ermittler kein Zweifel, dass es sich um die Tat eines "einzelnen, sehr gestörten Individuums" handle. Ein unter Verdacht geratener Mann, der als Komplize fungiert haben soll, wurde mittlerweile entlastet.

Es stehe fest, dass die demokratische Abgeordnete das Ziel des 22-jährigen Attentäters Jared Lee Loughner war, sagte Dupnik unter Verweis auf einen entsprechenden Brief Loughners. "Ich glaube, er versank langsam in einer psychotischen Krise. Etwas in ihm ist gebrochen. Er war nicht immer so", schrieb eine frühere Klassenkameradin, Caitie Parker, am Sonntag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Demnach habe Loughner zuletzt gerne über Prophezeiungen der Maya diskutiert, denen zufolge die Welt 2012 untergehen werde. Parker schrieb weiter, Loughner habe die Punkband "Anti-Flag" gemocht und linken Sichtweisen zugestimmt.

Bei einer Durchsuchung der Wohnung von Loughners Familie in der Wüstenstadt im US-Bundesstaat Arizona entdeckte die Polizei in einem Safe einen Umschlag, auf dem "Ich plante voraus", "Mein Mordanschlag" und "Giffords" stand. Zudem fand sie einen Brief von Giffords, in dem diese Loughner für die Teilnahme an einer politischen Kundgebung im August 2007 dankte.

Attentäter zuvor von Uni verwiesen
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft kaufte der mutmaßliche Attentäter die Pistole, mit der er am Samstag Giffords schwer verwundete und sechs weitere Menschen tötete, im November in einem örtlichen Waffengeschäft. Zwei Monate zuvor war er demnach von der Universität verwiesen worden, da Bedenken bestanden, dass er eine Gefahr für die anderen Studenten bedeuten könnte.

Loughner hatte am Samstag vor einem Einkaufszentrum in Tucson das Feuer eröffnet und die demokratische Kongressabgeordnete Giffords durch einen Kopfschuss lebensgefährlich verletzt. Sechs Menschen starben im Kugelhagel, darunter ein neunjähriges Mädchen und ein Bundesrichter, zahlreiche weitere Menschen wurden verletzt.

Frau riss Täter Magazin aus der Hand
Nach Angaben von Sheriff Dupnik warf sich eine mutige Frau am Tatort auf den Täter, als er seine Waffe nachladen wollte. Dabei habe sie ihm das Magazin aus der Hand gerissen und sei verletzt worden. Danach habe er mit einem weiteren Magazin nachgeladen, das jedoch klemmte, sodass er überwältigt werden konnte. Hätte die Frau nicht eingegriffen, hätte der Täter "eine noch größere Katastrophe" angerichtet, so Dupnik.

Sheriff kritisiert "hasserfüllte Rhetorik"
Der Sheriff kritisierte im Zusammenhang mit den Ermittlungen ausdrücklich die "hasserfüllte Rhetorik" zwischen politischen Gegnern. "Der Ärger, der Hass und die Bigotterie" hätten in Arizona abscheuliche Ausmaße angenommen. Erst im März vergangenen Jahres war Giffords' Büro in Tucson verwüstet worden - wenige Stunden nachdem das Repräsentantenhaus für die Gesundheitsreform gestimmt hatte. Die Republikanerin Sarah Palin hatte vor den Kongresswahlen im vergangenen November Giffords Mandat als eines der wichtigsten "Ziele" bezeichnet und deren Bezirk auf ihrer Internetseite in einem Fadenkreuz dargestellt.

Unterdessen wurde am Sonntag Anklage gegen Loughner erhoben. Er soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft am Montag in Phoenix vor Gericht erscheinen. Ein zweiter Mann, der zusammen mit Loughner in der Nähe des Tatorts gesehen und von den Ermittlern als möglicher Komplize gesucht wurde, ist von der Polizei mittlerweile entlastet worden. Es handle sich um einen Taxifahrer, der den 22-Jährigen gefahren und offenbar kein Geld dafür bekommen habe.

Giffords aus Koma erwacht
Die 40-jährige Giffords ist am Sonntag nach einer Operation aus dem Koma erwacht und reagierte bereits auf die Ansprache der Ärzte, teilte das Krankenhaus in Tucson mit. Giffords sei in der Lage, "einfache Kommandos" zu befolgen. Das zeigt nach Einschätzung der Mediziner "ein hohes Maß an Gehirnfunktion".

Die Kugel des Täters hatte die linke Hälfte von Giffords Kopf durchschlagen. Die Chirurgen haben bei der OP einen Teil des Schädelknochens entfernt, um den Druck auf das angeschwollene Gehirn zu verringern.

Abschiedsgruß im Internet
Jared Lee Loughner hatte offenbar vor der Tat noch einen Abschiedsgruß im Internet veröffentlicht. Auf einer MySpace-Seite von Loughner, die am Samstag von den Ermittlern untersucht wurde, heißt es: "Auf Wiedersehen, meine Freunde." Die Seite wurde am Samstag entfernt, kurz nachdem der Bewaffnete von den US-Behörden identifiziert wurde. "Bitte seid mir nicht böse", schrieb er demnach wenige Stunden vor der Schießerei weiter.

Vor einigen Wochen wurde zudem ein Video auf YouTube veröffentlicht, in dem Loughner die Erfindung einer neuen amerikanischen Währung beschreibt. Außerdem kritisiert er die hohe Analphabetenrate im Kongressbezirk der Abgeordneten Gabrielle Giffords. Fast alle, die keine genauen Informationen über eine neue Währung hätten, "sind sich nicht über die Methoden von Gedankenkontrolle und Gehirnwäsche im Klaren", heißt es in dem Text vor dunklem Hintergrund weiter.

Obama: "Unaussprechlich Tragödie"
Präsident Barack Obama sprach von einer "unaussprechlichen Tragödie". Eine solche "sinnlose und schreckliche Gewalttat hat in einer freien Gesellschaft keinen Platz". Obama rief die Nation zum Gebet für die Toten und Verletzten sowie deren Angehörige auf. Er bezeichnete die von dem 22-jährigen Täter in den Kopf geschossene Kongressabgeordnete Giffords als "Freundin". Sie sei warmherzig und bei ihren Kollegen und den Wählern daheim in ihrem Bezirk gleichermaßen beliebt. "Das ist eine Tragödie für Arizona und für unser ganzes Land", sagte der Präsident, der im Weißen Haus vor die Mikrofone trat.

Giffords vertritt seit 2007 als erste Jüdin den Süden des US-Bundesstaats Arizona im US-Repräsentantenhaus. Sie befasst sich unter anderem mit der Einwanderungspolitik ihres an Mexiko angrenzenden Bundesstaates, mit der Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama sowie mit alternativen Energien. Zudem gilt sie als Befürworterin der embryonalen Stammzellenforschung. Die 40-Jährige ist mit dem NASA-Astronauten Mark Kelly verheiratet.

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