Landesweite Proteste

Tunesien: Regierung wird nach Mord an Politiker aufgelöst

Ausland
06.02.2013 20:42
In Tunis ist am Mittwoch ein prominenter Politiker der Opposition erschossen worden. Die Ermordung von Chokri Belaid löste landesweit schwere Krawalle aus. Vier Oppositionsparteien setzten ihre Teilnahme an der Verfassungsversammlung aus. Ministerpräsident Hamadi Jebali kündigte daraufhin noch in den Abendstunden an, die von seiner islamistischen Ennahda-Partei dominierte Regierung aufzulösen und eine Expertenregierung zu bilden.

Belaid sei in den Morgenstunden vor seinem Haus von drei Schüssen in Kopf und Brust getroffen worden, bestätigte Regierungschef Jebali. Der 48-Jährige, Vorsitzender der linksgerichteten Partei der Demokratischen Patrioten, sei im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen.

Gewaltsame Massenproteste im ganzen Land
Nach dem Attentat war es in mehreren tunesischen Städten zu gewaltsamen Massenprotesten mit Tausenden Anhängern Belaids gekommen. In Tunis versammelten sich mehr als 1.000 Menschen vor dem Innenministerium. Viele von ihnen forderten den Sturz der Regierung, die nach dem Volksaufstand gegen Machthaber Zine al-Abidine Ben Ali vor zwei Jahren gewählt worden war.

In Sidi Bouzid, wo 2011 der Arabische Frühling seinen Ausgang genommen hatte, feuerte die Polizei Tränengas auf Demonstranten, als diese das Polizeigebäude stürmen wollten. In Mezzouna ging das Hauptquartier der islamistischen Regierungspartei Ennadha in Flammen auf. Ein Polizist kam bei gewaltsamen Zusammenstößen ums Leben, wie die französische Zeitung "Le Figaro" berichtete.

Jelabi kündigt Technokraten-Regierung an
Ministerpräsident Jebali kündigte als Reaktion auf die heftigen Proteste die Bildung einer Regierung aus unabhängigen Technokraten an. "Ich habe beschlossen, eine Regierung der nationalen Kompetenz ohne politische Zugehörigkeit zu bilden", sagte Jebali in einer Fernsehansprache. Diese solle ein "beschränktes Mandat zur Führung der Geschäfte des Landes bis zur Abhaltung von Wahlen binnen kürzester Frist" haben.

Den Mord an Belaid hatte der Regierungschef zuvor verurteilt und von einem "Mord an der tunesischen Revolution" gesprochen. Gleichzeitig rief er die Bevölkerung zur Besonnenheit auf. Belaids Frau warf der Ennahda-Partei in mehreren Interviews vor, sie sei für den Tod ihres Mannes verantwortlich. Auch Demonstranten machten Anhänger der Islamisten für die Bluttat verantwortlich.

Belaid, der für die Trennung von Staat und Religion eintrat, war eine der Führungspersönlichkeiten der Volksfront-Partei und Gegner der Ennahda. Diese bestritt eine Verwicklung in das Attentat. Sie sei völlig unschuldig, sagte Parteivorsitzender Rached Gannouchi Reuters. Er vermute eher, dass das Ziel der Mörder ein "Blutbad" gewesen sei. Staatspräsident Moncef Marzouki brach seinen Besuch in Frankreich ab und kündigte an, "die Feinde der Revolution zu demaskieren".

Opposition ruft zum Generalstreik auf
Vier tunesische Oppositionsparteien riefen als Reaktion auf die Ermordung Belaids für Donnerstag zum Generalstreik auf. Dieselben Parteien zogen sich danach auch aus dem Verfassungsrat, der mit dem Entwurf einer neuen tunesischen Verfassung beauftragt ist, zurück.

In dem nordafrikanischen Land hatte vor zwei Jahren der sogenannte Arabische Frühling begonnen und sich dann in die Nachbarländer ausgebreitet. Tunesien wird derzeit von einer gewählten Regierung geführt, die von Islamisten dominiert wird. Im Land streiten säkulare und islamistische Kräfte über die Ausrichtung der Politik.

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