Debatte nach Vorstoß

Trennung nach Religion “praktisch unmöglich”

Ausland
29.09.2015 17:58
In Deutschland sind die Forderungen nach einer getrennten Unterbringung von Flüchtlingen nach Religion und Herkunft parteiübergreifend auf Skepsis gestoßen. Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere sagte am Dienstag in Berlin, eine solche Aufteilung sei "praktisch in der jetzigen Lage unmöglich". Hintergrund der Debatte sind gewalttätige Auseinandersetzungen in einigen Flüchtlingsunterkünften. Deshalb waren unter anderem von der Deutschen Polizeigewerkschaft Forderungen laut geworden, Flüchtlinge künftig nach Religionen getrennt unterzubringen.

Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi bezeichnete am Dienstag in Berlin eine Trennung für die Integration der Menschen als "kontraproduktiv" und "organisatorisch kaum zu bewältigen". "Parallelgesellschaften schon bei der Flüchtlingsunterbringung zu schaffen, wäre das völlig falsche Signal", warnte Fahimi. Konflikte könnten "großteils vermieden werden, wenn endlich die Verfahren beschleunigt werden". Sie forderte zugleich, dort wo Gewalttäter Unruhe stifteten, müsse die Polizei "durchgreifen und für Ordnung sorgen".

Innenminister: Im Vordergrund steht Dach über dem Kopf
De Maiziere wies darauf hin, dass die Behörden häufig kurzfristig 300 bis 400 Menschen unterbringen müssten. "Da eine ethnische Prüfung zu machen, ist praktisch so gut wie unmöglich." Im Vordergrund stehe, "dass alle ein Dach über dem Kopf haben", so der Innenminister.

Nach Angaben des Chefs der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, gibt es in einigen Unterkünften "knallharte kriminelle Strukturen". Dort würden sowohl religiös und politisch motivierte Konflikte wie auch Kämpfe um die Vorherrschaft ausgetragen, sagte er der "Passauer Neuen Presse".

Konfliktforscher: Religion kein Hauptauslöser
Der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick sieht die Religion wiederum nicht als Hauptauslöser für die derzeitigen Auseinandersetzungen in Flüchtlingsunterkünften. "Religion wird zur Rechtfertigung herangezogen", sagte der Leiter des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP.

Es gebe eine ganze Reihe von Faktoren, die zu Eskalationen führen könnten wie die fehlende Privatsphäre und Rivalitäten zwischen Gruppen. Zusammengehörigkeitsgefühl würden durch Verunsicherung, Langeweile sowie die Stresssituation in großen Unterbringungen gefördert. "Je länger die Menschen in Unterkünften konzentriert sind, desto häufiger werden sie versuchen, durch Gruppen Organisationsstrukturen zu schaffen", sagte Zick.

"Flüchtlinge erleben oft zweites oder drittes Trauma"
Zudem träfen in den Flüchtlingsunterkünften viele Menschen mit konfliktbeladenen Lebensgeschichten und natürlich auch mit verschiedenen Religionen zusammen und "erlebten oft im Zuge der Auseinandersetzungen in Aslyheimen ihr zweites oder drittes Trauma". Diese schwelenden Konflikte könnten dann eskalieren. Die religiöse Bindung dürfe aber nicht überbetont werden, weil das auch in der Gesellschaft keine Rolle spiele, sagte Zick. Die Forderungen nach einer Trennung von Flüchtlingen nach Religion und Herkunft seien daher zu kurz gedacht.

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