"Krone"-Reportage

Syrien-Flüchtlinge: Sie entkamen Assads Schergen

Ausland
19.07.2014 15:33
Syrien versinkt unter Diktator Bashar al-Assad im Blut. Horrorbilanz der Kriegshölle: 160.000 Tote und Millionen auf der Flucht. In libanesischen Lagern leben 1,6 Millionen Flüchtlinge. Lokalaugenschein über die Caritas-Hilfe an der Grenze.

"Sie hatten mich bereits auf ihrer Kidnapping-Liste. Doch ich hab's noch geschafft." Mit dem Blick des Entsetzens erzählt der Arzt im blauen Polo-Hemd von seiner Flucht aus einem Spital in Damaskus. Mit 32 war er bereits anerkannter Chirurg in Syrien. Doch als Christ, der auch Assad-Opfer verarztete, war der Mediziner den Schergen des alawitischen Regimes (ein Zweig der Schiiten) ein Dorn im Auge: "Wir wissen von Fällen, wo Assad-Leute vor Krankenhäusern auf Rettungsfahrzeuge lauerten, um frisch operierte Rebellen aus den Autos zu holen."

Schergen lauerten vor Spital auf Patienten
"Keiner dieser gekidnappten Patienten ist je wieder aufgetaucht", ergänzt Stefan Maier (43), erfahrener Nahost-Koordinator der Caritas. So wie der junge Chirurg mit den leeren Augen in den Libanon geflüchtet ist, sind auch mehr als eine Million Sunniten über die Berge geflohen: aus ihrer Heimat, die der in England ausgebildete Augenarzt Assad mit mörderischen Fassbomben, Giftgas und Killer-Kommandos in eine Kriegshölle verwandelt hat.

Mit 1,6 Millionen Syrern im Land ist der Nachbarstaat Libanon mit seinen vier Millionen Einwohnern "Weltmeister der Flüchtlingsaufnahme". Auch der zehnköpfigen Familie von Atiya (41) und Manhiya (39) al-D. ist der Exodus vorbei an Toten und Trostlosigkeit geglückt. Jetzt darben die Sunniten in einem umgebauten Gewächshaus bei Rayfoun.

"Ein Stückchen Lebenschance schenken"
Die Großfamilie kam mit nichts. Erst die Nothilfe der Caritas, also Decken, Matratzen, Lebensmittelpakete, Hygieneartikel etc., sicherte das Überleben. "Es ist schön, ein Stückchen Lebenschance schenken zu können", so Caritas-Präsident Michael Landau im Lager, dankbar für die Unterstützung der Spender (Informationen zu Spendenmöglichkeiten finden Sie auf der Website der Caritas).

Die Masse der in den Libanon geflohenen Syrer hat sich in der Bekaa-Ebene niedergelassen. Unübersehbare 1.300 Camps haben das auf 800 Metern Seehöhe liegende Agrargebiet in ein "Tal der Trostlosigkeit" verwandelt. Zwei Welten prallen aufeinander: Inmitten der Libanesen, die versuchen, in ihren Städten ein normales Leben zu führen, brodelt bereits der Hexenkessel des Hasses.

Viele Einheimische fürchten um ihre Arbeitsplätze. "Flüchtlinge als günstige Saisonhilfskräfte kosten nur ein Drittel", so ein verärgerter ansässiger Landarbeiter in der Nähe eines Lagers bei Zahle. Flüchtlingsfrauen wiederum stehen vor einem anderen Problem: Traumatisiert von Elend, Angst und Not, gelten Kriegswitwen für viele als Freiwild für sexuelle Übergriffe. Auch Anfragen greiser Scheiche nach billigen, heiratsfähigen Jungfrauen im Kindesalter sind keine Seltenheit.

Einkaufszentrum als Marktplatz des Elends
Nahe Tripoli wiederum hausen rund 1.000 Syrer in einem aufgelassenen Supermarkt. Der einstige Einkaufstempel wirkt mittlerweile wie ein Marktplatz des Elends. In ehemaligen Geschäftsläden leben bis zu 20 Syrer, eng an eng. Es gibt kaum Arbeit. Und wenn, dann sammeln Kinder für drei Dollar am Tag Müll, statt in Flüchtlingsschulen für ihre Zukunft zu lernen.

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