Kurdenpartei jubelt

“Sultan” Erdogan nach Wahldebakel im Schmollwinkel

Ausland
08.06.2015 16:43
Nach seinem Debakel bei den Parlamentswahlen hat sich der sonst so cholerische türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in den Schmollwinkel zurückgezogen. Erstmals seit mehr als sechs Wochen hat er sich einen Tag lang nicht in der Öffentlichkeit gezeigt. Seine Partei AKP hat nicht nur die angestrebte Verfassungsmehrheit verfehlt, sie hat nicht einmal die Regierungsmehrheit verteidigt.

Etwas mehr als 40 Prozent - für eine Regierungspartei irgendwo in Europa wäre das ein fantastisches Ergebnis. Für Erdogans AKP aber ist es ein Debakel, erstmals seit mehr als 13 Jahren ist die von ihm mitbegründete Partei bei der Regierungsbildung auf einen Koalitionspartner angewiesen. In einem Land, das so tief gespalten ist, dass sich kaum eine Partei finden wird, die bereit ist, sich mit der AKP und ihrem machtgierigen "Sultan" Erdogan zusammenzutun.

Niemand will Erdogans Partner werden
Sogar die Rechts-Nationalisten, die eigentlich der natürliche Partner der AKP wären, haben bereits abgewunken und der Erdogan-Fraktion zu Verhandlungen mit den Linken geraten. Diese zeigen daran freilich noch weniger Interesse. Vielleicht ist das alles nur Theaterdonner, um den Preis für eine Zusammenarbeit in die Höhe zu treiben. Aber leicht wird es in keinem Fall. Es ist sogar bereits von möglichen Neuwahlen die Rede - freilich mit sehr großem Risiko für alle Beteiligten. Sogar eine Spaltung der AKP kann bei einem Aufrücken des früheren Staatspräsidenten und Anti-Erdogan Abdullah Gül nicht mehr ganz ausgeschlossen werden.

Am bittersten freilich ist für Staatschef Erdogan, dass er sich die geplante Verfassungsänderung abschminken kann, die alle Macht beim Präsidenten - also bei ihm selbst - konzentriert hätte. Dafür hatte Erdogan 330 Mandate als Wahlziel vorgegeben, geworden sind es nach Auszählung von fast allen Stimmen weniger als 260 Parlamentssitze. Seine AKP hat nicht zugelegt, sondern knapp zehn Prozent verloren. Und daran sind wohl vor allem Erdogans zunehmend autoritärer Regierungsstil und seine Allmachtsfantasien schuld, die auch vielen Türken im Westen des Landes seit Langem Angst machen.

Rund 80 Mandate für kurdischstämmige Partei
Und genau diesen nicht kurdischen Wählern hat es die kurdischstämmige HDP unter ihrem charismatischen Führer Selahattin Demirtas zu verdanken, dass sie die hohe Zehn-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament in Ankara mit gut 13 Prozent deutlich übersprungen hat. Die rund 80 Mandate, die sie erhält, gehen großteils auf Kosten der AKP. Demirtas triumphiert: "Die Diskussion über die Einführung eines Präsidialsystems mit diktatorischen Zügen ist damit beendet."

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