"Will Gerechtigkeit"

Strauss-Kahn: Zimmermädchen bricht Schweigen

Ausland
25.07.2011 14:51
Nach mehr als zwei Monaten völliger Anonymität hat das angeblich von Dominique Strauss-Kahn angegriffene Zimmermädchen sein Schweigen gebrochen. In Interviews für "Newsweek" und ABC geht Nafissatou Diallo (links, im Bild mit ABC-Reporterin Robin Roberts) in die Offensive und berichtete ihre Version der Geschichte. Dabei bleibt die 32-Jährige dabei, dass der Ex-IWF-Chef sie angegriffen und zum Oralsex gezwungen habe. Sie wolle kein Geld, sondern "Gerechtigkeit": "Ich will, dass er ins Gefängnis geht."

"Ich hatte solche Angst", sagte die im westafrikanischen Guinea geborene Frau, die laut "Newsweek" weder lesen noch schreiben kann, dem Blatt. Sie habe sich zweimal mit dem Ruf "Housekeeping" angekündigt und war davon ausgegangen, dass das Hotelzimmer leer sei. Plötzlich sei ein grauhaariger Mann nackt vor ihr gestanden. Er habe ihr gleich an die Brust gegriffen und die Tür zugeschlagen. "Er warf mich hart auf das Bett" und habe versucht, seinen Penis in ihren Mund zu stecken.

Zweifel an Glaubwürdigkeit
Strauss-Kahn, zu dem Zeitpunkt einer der mächtigsten Männer der Welt, war wenige Stunden später aus der Erste-Klasse-Kabine seines Paris-Fluges verhaftet worden. Er saß in Einzelhaft und in strengstem Hausarrest, seit drei Wochen ist er jedoch auf freiem Fuß, weil es erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit Diallos gibt. Sie soll mehrfach gelogen und versucht haben, aus der Sache Geld zu schlagen. So telefonierte sie Berichten zufolge darüber mit einem Häftling, von dem sie, die sich stets als mittellosen, gottesfürchtigen Flüchtling darstellte, etwa 100.000 Dollar (69.488 Euro) auf ihrem Konto geparkt habe.

Geld sei aber nicht der Grund, warum sie Strauss-Kahn angezeigt habe. "Ich will ihn im Gefängnis sehen", sagte Diallo. "Ich will, dass er weiß, dass es Orte gibt, an denen ihm seine Macht, sein Geld nichts nützt." Gott möge ihn strafen, sagte die Muslimin. "Wir sind arm, aber wir sind rein. Ich denke nicht an Geld."

"Sie versucht nur Geld rauszuschlagen"
Genau das werfen ihr aber Strauss-Kahns Verteidiger vor. Es habe Sex gegeben - was Spermaspuren bewiesen hatte -, der sei aber einvernehmlich gewesen, und nun versuche die 32-Jährige, Geld rauszuschlagen. Diallo sei "die erste Klägerin in der Geschichte, die eine Medienkampagne dirigiert, um die Strafverfolger dazu zu bringen, den Mann anzuklagen, von dem sie Geld will", so William Taylor und Benjamin Brafman am Sonntag laut CNN.

"Da war ebenso viel Wut dabei wie Traurigkeit"
Auf dem Titel der Zeitschrift schauen sich beide an - Diallo in Farbe mit ausdruckslosen Gesicht, Strauss-Kahn in schwarz-weiß, bärtig nach der Haft und von unten diabolisch durch dichte Augenbrauen blickend. Der Autor der Story sagte, dass sie bei dem Interview nicht geweint habe. "Ich würde sagen, da war ebenso viel Wut dabei wie Traurigkeit", so Christopher Dickey.

Und Angst. Nicht nur sei die Frau stolze Mutter einer 15-jährigen Tochter, sondern auch jemand, der stolz auf seinen Beruf sei. Diallos ganzes Leben drehe sich darum, Zimmermädchen im Hotel "Sofitel" in New York zu sein, sagte Dickey. Man nehme ihr die Angst ab, wegen der Geschichte ihren Job zu verlieren. Sie sei so froh gewesen, als sie vor drei Jahren diese Stelle bekommen habe, nachdem sie sich zuvor als Einwanderin mit Aushilfsjobs durchs Leben geschlagen habe.

"Oh mein Gott, die werden mich umbringen"
Montag früh, zunächst in der Sendung "Good Morning America", strahlte dann ABC News sein Interview aus, in dem die 32-Jährige vor laufender Kamera erstmals erzählte, wie sich Strauss-Kahn ihr gegenüber verhalten habe. Als sie ins Zimmer gekommen sei und ihn nackt gesehen habe, habe sie sich weggedreht, sich entschuldigt und das Zimmer wieder verlassen wollen. Strauss-Kahn, von dem sie zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst habe, dass er der damalige Chef des Internationalen Währungsfonds war, habe gesagt, sie müsse sich nicht entschuldigen - und ihr an die Brüste gegriffen. Dann habe er sie in Richtung Bett gedrängt, sie immer wieder geschubst. "Ich hatte solche Angst", erzählte Diallo.

Vor diesem Vorfall habe sie Strauss-Kahn nicht gekannt. Wann sie mitbekommen habe, dass der Mann, den sie der Vergewaltigung beschuldigt, einer der mächtigsten Männer der Welt sei, fragte Roberts. "In den Nachrichten habe ich gesehen, wer er ist. Sie sagten, er wäre der nächste Präsident Frankreichs", so Diallo. "Oh mein Gott", habe sie sich gedacht. Sie habe zu weinen begonnen und gerufen: "Oh mein Gott, sie werden mich umbringen." Mit brechender Stimme erzählte sie, dass sie überzeugt gewesen sei, dass man sie aus dem Weg räumen würde, bevor irgendjemand die Sache öffentlich machen würde.

Sie habe nie in der Öffentlichkeit stehen wollen, so Diallo. Aber nun habe sie keine andere Wahl. "Ich muss, um meinetwillen. Ich muss die Wahrheit erzählen." Sie lüge nicht: "Gott ist mein Zeuge", dass sie die Wahrheit sage. Sie sei niemals eine Prostituierte gewesen, sie wolle auch kein Geld. "Ich will Gerechtigkeit", sagt sie. Und dieselben Worte, wie sie auch "Newsweek" gegenüber gesagt hat: "Ich will, dass er weiß, dass es Orte gibt, an denen einem sein Geld nichts nützt, an denen einem seine Macht nichts nützt, wenn man so etwas getan hat."

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