Ruhe vor dem Sturm

Spannung vor Italien-Wahl: Kehrt Berlusconi zurück?

Ausland
23.02.2013 11:36
In Italien ist der Vorhang über dem zwei Monate langen Wahlkampf vor den Parlamentswahlen gefallen. Die Schwergewichte der italienischen Politik richteten letzte Appelle an die Wählerschaft in der Hoffnung, die Stimmen der Unentschlossenen zu gewinnen. Über fünf Millionen Italiener haben noch nicht entschieden, wen sie am Sonntag und Montag wählen werden. Und über all dem scheint die Frage zu schweben: Kehrt Silvio Berlusconi an die Staatsspitze zurück?

Überraschenderweise hat der sonst so redselige Ex-Premier am Samstag auf seinen letzten Wahlkampfauftritt verzichtet. Wenige Stunden vor Abschluss der Kampagne seiner Mitte-rechts-Allianz sagte der Medienunternehmer wegen einer starken Bindehautentzündung seinen seit Wochen geplanten Auftritt in Neapel ab. Berlusconi sendete seinen dort versammelten Anhängern eine Videobotschaft, in der er sie aufrief, einen Linksruck in Italien abzuwenden.

Als Italiens Wirtschaft und Finanzen 2011 völlig entgleist waren, zog sich der "Cavaliere" diskret zurück und überließ Mario Monti und seiner Technokraten-Regierung das Steuer. Zuletzt hatte Berlusconi aber wieder scharfe Attacken gegen seinen Nachfolger geritten. Auch an dem Spitzenkandidaten des Mitte-links-Bündnisses, Pierluigi Bersani, ließ er kein gutes Haar. "Monti und die Linke haben vieles gemeinsam. Sie wollen den Steuerdruck erhöhen, sie sind gegenüber Freiheit und Autonomie misstrauisch und sie lieben die Macht", kritisierte Berlusconi in einem Interview auf seinem eigenen TV-Sender "Canale 5" am Freitag.

Auch die Annäherung des krisengebeutelten Italiens an Deutschland ist dem Ex-Premier ein Dorn im Auge. "Viele deutsche Politiker haben sich während dieses Wahlkampfes Einmischungen in die italienische Politik erlaubt, diese schlechte Gewohnheit haben sie seit der Regierung Monti. Monti konnten sie sagen, was er tun und lassen sollte. Mit mir als Regierungschef war das nicht möglich", meinte Berlusconi. In den letzten Umfragen liegt der "Cavaliere" mit 29 Prozent knapp hinter Bersani mit 36 Prozent.

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Favorit Bersani will mit Monti zusammenarbeiten
Bersani beendete seinen Wahlkampf in Rom. Er rief den scheidenden Premier Monti zur Zusammenarbeit nach dem Urnengang auf. Italien brauche dringend Reformen und Maßnahmen fürs Wirtschaftswachstum, die man nur mit einer soliden Mehrheit im Parlament umsetzen könne. "Maßnahmen für die Beschäftigung, Liberalisierung in der Wirtschaft, Kampf gegen Korruption und die Einbürgerung der Migrantenkinder sind einige Themen, mit denen wir uns sofort nach dem Regierungsantritt befassen werden", betonte Bersani, der das Mitte-links-Lager anführt.

An dem Wahlkampf-Finish nahm auch Starregisseur Nanni Moretti teil. Der Römer, ein scharfer Kritiker Berlusconis, äußerte dabei die Hoffnung, dass der Medienzar den Urnengang verliere. "Am Montag werden wir die Befreiung von 60 Millionen Geiseln feiern, die im Bann der Interessen einer einzigen Person stehen. Eine Person, die Eigenangaben zufolge in die Politik eingestiegen ist, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu verteidigen und sich der Justiz zu entziehen", sagte Moretti im Interview mit der Tageszeitung "La Repubblica". Seitdem Berlusconi 1994 in die Politik eingestiegen ist, habe Italien "demütigende Jahre" erlebt. Schuld daran seien jedoch auch Mitte-links-Regierungen, die Berlusconi ungenügenden Widerstand geleistet hätten.

Starkomiker beendet "Tsunami-Tour"
Eine riesige Menschenmenge beteiligte sich am letzten Wahlkampfauftritt des Starkomikers Beppe Grillo, der am Freitagabend auf dem Lateranplatz in Rom seine "Tsunami-Tour" abschloss. Polit-Quereinsteiger Grillo zeigte sich überzeugt, dass der Erfolg seiner "Fünf-Sterne-Bewegung" alle Erwartungen übertreffen werde. Eine Lawine werde die Traditionsparteien überrollen und einen Neubeginn im Land in die Wege leiten, versicherte Grillo vor begeisterten Fans. Der Erfolgsblogger setzt sich gegen die "Kaste der Berufspolitiker", gegen Verschwendung im politischen System und gegen internationale Finanzlobbys ein. Er lag in den letzten Umfragen bei knapp 15 Prozent.

Premier Monti, der derzeit in den Umfragen auf Platz vier knapp hinter Grillo liegt, schloss in Florenz seinen Wahlkampf ab. Dabei appellierte er an die Wähler, Parteien zu unterstützen, die Italiens Reformenweg fortsetzen wollen. "Italien steht vor der Wahl zwischen Populisten und Reformern", sagte Monti. Er warnte vor dem "destruktiven Populismus" einiger Gruppierungen, die seiner Ansicht nach die "legitime Wut der Italiener" nützen würden, um das Land zu zerstören und dessen Austritt aus Europa zu erzwingen. "Zynismus, Resignation, Populismus und Demagogie sind die wahren Feinde, die man in Italien mit diesem Urnengang besiegen muss", betonte Monti, der der bisherigen Expertenregierung vorsteht. Der 69-Jährige unterstrich, dass Florenz die Hauptstadt der Renaissance gewesen sei. "Ich bin zutiefst überzeugt, dass Italien neu auferstehen muss. Mit diesem Urnengang kann ein Weg des Neustarts beginnen, der auf derselben Basis der Renaissance fußt: Kultur, Arbeit und Talent", erklärte der Wirtschaftsprofessor.

Ausgang der Wahl völlig offen
Der Ausgang der Italien-Wahl wird nun in ganz Europa mit Spannung erwartet. Nach Einschätzung von Meinungsforschern lässt sich aber aufgrund der hohen Unentschlossenheit der Italiener keine verlässliche Prognose über das Ergebnis der Wahlen abgeben. "Diese Wahl lässt sich alles andere als sicher vorhersagen", sagte ein italienischer Demoskop, der wegen des zwei Wochen vor der Wahl geltenden Verbots von Umfragen anonym bleiben wollte. "Ein Prozentpunkt in die eine oder andere Richtung kann zu Chaos oder einem klaren Ergebnis führen."

Die letzten Umfragen deuteten darauf hin, dass es in der Abgeordnetenkammer und im Senat zu einer arbeitsfähigen Mehrheit der linken Mitte unter Bersani mit der Zentrumsbewegung von Ministerpräsident Monti reichen könnte. Allerdings habe die Partei Berlusconis mit dem Versprechen von Steuersenkungen an Zulauf gewonnen, so die Experten.

Gewählt wird in Italien am Sonntag von 8 bis 22 Uhr und am Montag von 7 bis 15 Uhr. Mit einem Wahlergebnis ist am späten Montagabend zu rechnen.

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