Sorge vor Machtfülle

Serbien-Wahl: Vizepremier errang absolute Mehrheit

Ausland
17.03.2014 16:15
Serbiens Vizepremier Aleksandar Vucic hat mit einem Erdrutschsieg bei der vorgezogenen Parlamentswahl seine Macht gefestigt. Seine Serbische Fortschrittspartei (SNS) hat am Sonntag seine Stimmen so gut wie verdoppelt und kann künftig mit absoluter Mehrheit regieren. Nach Auszählung von über 99 Prozent der Stimmen erhielt die SNS 48,34 Prozent und 158 Sitze im 250-köpfigen Parlament. Beobachter warnen nun vor zu viel Machtfülle für den neuen Regierungschef.

Internationale Beobachter zeigten sich am Montag mit dem Ablauf des Urnengangs zufrieden. Die Wahlen seien transparent organisiert und durchgeführt worden. Der Chef der OSZE-Beobachtermission Roberto Battelli verwies allerdings auf den Mangel an kritischen Analysen und Berichterstattung in den Medien während des Wahlkampfs, aber auch auf Probleme mit dem Wählerverzeichnis, in welchem nach wie vor "Karteileichen" vermutet werden.

Triumph für "Alexander, den Großen"
Vucic triumphierte auf der ganzen Linie. "Alexander, der Große" titelte das für seine engen Kontakte zur Vucic-Partei bekannte Boulevardblatt "Informer" am Montag. "Triumph von Vucic, Debakel der Opposition" schrieb die regierungsnahe Tageszeitung "Politika". Die SNS, deren Kern eigentlich ehemalige serbische Ultranationalisten darstellen, hat ihre Abgeordnetenzahl gemessen am Wahljahr 2012 nun mehr als verdoppelt.

Angesichts der damit zementierten Macht des bisherigen Vizepremiers, der bereits seit Langem als "starker Mann" Serbiens gilt, warnen politische Beobachter vor einer ähnlichen Machtfülle wie beim umstrittenen ungarischen Premier Viktor Orban, der seit 2010 mit seiner rechtskonservativen Fidesz mit Zweidrittel-Mehrheit regiert.

Für Unbehagen sorgt bei manchen auch die politische Vergangenheit von Vucic und der SNS. Die Partei wurde 2008 gebildet, als sich der derzeitige Präsident Tomislav Nikolic und Vucic von ihrem langjährigen Ziehvater, dem wegen Kriegsverbrechen angeklagten Vojislav Seselj, trennten. Ihnen folgten daraufhin auch etliche frühere Anhänger der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS).

Vernichtende Niederlage für Oppositionsparteien
Erfolgreich war bei der Wahl am Sonntag auch der bisherige Regierungspartner, die Sozialistische Partei von Premier Ivica Dacic, die als zweitplatzierte Parlamentskraft künftig über 45 Sitze verfügen dürfte. Die Oppositionsparteien erlebten dagegen eine vernichtende Niederlage. Nur die Demokratische Partei von Dragan Djilas und die kürzlich gebildete Neue Demokratische Partei von Boris Tadic sowie drei Minderheitenparteien, für die die Fünf-Prozent-Hürde nicht gilt, schafften überhaupt den Einzug ins Parlament.

Das bürgerliche Serbien sei am Sonntag besiegt worden, erklärte die frühere Oppositionspolitikerin Vesna Pesic gegenüber der Tageszeitung "Danas". Sie habe das Gefühl, als ob Slobodan Milosevic auferstanden wäre, meinte sie.

Stärkere Medienkontrolle befürchtet
Er habe das Gefühl, dass sich die Serben entschlossen hätten, die Demokratie für einige Zeit zu suspendieren, meinte Djordje Pavicevic von der Belgrader Fakultät für politische Wissenschaften. Es würde stimmen, dass die SNS nun die volle Verantwortung habe, allerdings auch die volle Kontrolle. Auch hätten die bisherigen Machthaber bereits gezeigt, dass sie zum Einsatz unterschiedlicher Kontrollmechanismen bereit wären, warnte er gegenüber dem TV-Sender "B-92". Auch für den Soziologen Jovo Bakic ist die von der SNS bisher wiederholt geübte Medienkontrolle "ziemlich besorgniserregend".

Die Bürger hätten offenbar den Wahlversprechen der regierenden Parteien Vertrauen geschenkt, ohne sich zu fragen, was bisher auch umgesetzt worden sei, zeigte sich der DS-Chef Djilas enttäuscht. Vojislav Kostunica, Chef der nationalkonservativen Demokratischen Partei Serbiens, sprach wie Pesic von einer Rückkehr in die 1990er-Jahre. Nach gut 20 Jahren wird seine Partei zum ersten Mal nicht mehr im Parlament vertreten sein.

Vucic verspricht Zusammenarbeit mit Opposition
Vucic möchte aber trotz der absoluten Mehrheit mit der Opposition zusammenarbeiten. "Wir streben den Dialog und die Zusammenarbeit an", sagte der künftige Ministerpräsident nach dem Wahlsieg. Wer einen Platz in der neuen Regierung finden wird, war am Montag noch unklar. Eines ist gewiss: der junge Finanzexperte Lazar Krstic, den Vucic im Herbst in die Regierung als neuen Finanzminister geholt hat, bleibt im Amt, wie dies der SNS-Chef in den vergangenen Wochen wiederholt versicherte. Ob Dacic auch künftig den Dialog mit Pristina, vielleicht als Vizepremier, führen wird, bleibt noch abzuwarten.

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