Geschäft mit der Not

Schlepper verdienen pro Flüchtling 500 Euro

Ausland
03.09.2015 06:07
Die oft geforderte, aber derzeit fehlende Möglichkeit einer legalen Einreise in die EU für Flüchtlinge befeuert massiv die Geschäfte krimineller Organisationen. Nur wer mindestens viermal zahlt, hat eine seriöse Chance, von einem Lager an der türkisch-syrischen Grenze bis nach Österreich zu gelangen, sagte Gerald Tatzgern vom Bundeskriminalamt am Mittwoch. Doch nicht nur die Organisation verdient gut dabei, auch die Schlepper - sie sollen pro Geschlepptem bis zu 500 Euro kassieren.

Dass immer wieder genug Transporteure gefunden werden, ist angesichts steigender Schlepperlöhne nicht verwunderlich. "Früher bekamen die Fahrer, also die unterste Schicht einer Schlepperorganisation, 500 bis 700 Euro pro Fahrt. Jetzt sind es 500 Euro pro Geschlepptem", erklärte der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität und des Menschenhandels im Bundeskriminalamt.

Den Fahrer sehen die Flüchtlinge nicht. Er sitzt in der Regel schon am Steuer, wenn sie in den Wagen steigen. Echtnamen gibt es sowieso nicht. Nur den Agenten im Lager kennen sie meist ein bisschen besser.

Flüchtlinge unter Druck gesetzt
Den Flüchtlingen wird dort eine weite und teure Reise verkauft, die auch ein bisschen gefährlich sei. Dabei wird auch mit Druck gearbeitet. "Wenn du nicht zahlen kannst oder willst, da warten Tausende andere", wird laut Tatzgern argumentiert.

Am liebsten sehen die Schlepper Bargeld, und das im Voraus. Doch auch Kontoüberweisungen werden angenommen. In der Regel kassiert aber der Agent oder ein als Finanzbeauftragter der Agentur vorgestellter Mittäter gleich in bar. "Die Agenten geben vor, Gutes zu tun", so Tatzgern.

Während bis Österreich eine vierfache Zahlung reicht, sind bis Schweden fünf Zahlungen notwendig, so Tatzgern. Die erste Geldübergabe erfolgt in der Türkei, weitere zumindest in Griechenland, Mazedonien und Serbien oder in Ungarn.

Wohlergehen der Flüchtlinge sekundär
Nadelöhr ist die ungarische Grenze. Dort wird ausspioniert, wo die Behörden am betreffenden Tag kontrollieren, bevor die Flüchtlinge an anderen Stellen über die Grenze geschickt und auf ungarischer Seite in Klein-Lkws, Kastenwagen und andere Transportmittel geladen werden. Das Wohlergehen der Flüchtlinge ist dabei sekundär. Das Wichtigste ist laut Tatzgern, das Risiko einer Entdeckung durch die Polizei möglichst gering zu halten.

Die Laderäume der Fahrzeuge werden möglichst luftdicht abgeschlossen, damit sich der Schall nicht verbreitet, wenn die Menschen im Inneren um Hilfe rufen. Das wäre besonders ungünstig, wenn es gerade während einer Polizeikontrolle passieren würde. Hält die Polizei das Fahrzeug dann tatsächlich an, wird der Motor laufen gelassen, um allfällige Geräusche aus dem Innenraum zu übertönen.

Außerdem werden die Laderäume mit Hartfaserplatten doppelt ausgekleidet, etwa gegen Klopfzeichen. "Das dichtet natürlich zusätzlich ab", sagte Tatzgern. "Das geht schon, ein paar Stunden halten's das schon aus", schilderte der Experte die Motivlage der Schlepper. Dass das aber nicht immer der Fall ist, zeigte zuletzt etwa die schreckliche Tragödie auf der A4 zwischen Neusiedl und Parndorf.

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