Vor Haftantritt

Rumäniens Ex-Premier Nastase schoss sich in Hals

Ausland
21.06.2012 13:13
In Rumänien hat das wichtigste Korruptionsverfahren nach der Wende 1989 mit dem Selbstmordversuch des zu zwei Jahren Haft verurteilten sozialistischen Ex-Premiers Adrian Nastase (PSD) in der Nacht auf Donnerstag einen dramatischen Höhepunkt gefunden. Nach dem Urteilsspruch versuchte Nastase, sich mit einer Pistole in den Kopf zu schießen, was die Polizisten, die ihn ins Gefängnis abführen wollten, in letzter Sekunde verhindern konnten. Die Kugel traf den 61-Jährigen in den Hals. Mittlerweile befindet sich Nastase außer Lebensgefahr.

Auf Live-Bildern des rumänischen Fernsehens war am späten Mittwochabend zu sehen, wie die Polizei zu Nastases Wohnung in Bukarest kam, um ihn ins Gefängnis zu bringen. Wenige Minuten später fuhr dann ein Krankenwagen vor, der den 61-jährigen Ex-Premier in ein Spital brachte.

Telefonisch Selbstmord angekündigt
Innenminister Ioan erklärte am Donnerstag, dass Nastase in einem Telefongespräch Selbstmordabsichten angedeutet habe. "Ich habe sofort einen Krankenwagen geschickt. Ich merkte, dass er sich umbringen werde", sagte Rus gegenüber dem Sender "Romania TV". "Ich werde nicht ins Gefängnis gehen. Ich werde selbst entscheiden, was ich zu tun habe", soll Nastase gesagt haben, als ihn Rus anrief, um ihm Möglichkeiten anzubieten, bei seiner Verhaftung den Kameras zu entgehen. Der Innenminister erklärte jedoch, dass er gemerkt habe, dass Nastase "eine andere Entscheidung getroffen hatte".

Die Ärzte, die Nastases Schusswunden in der Halsgegend operierten, gaben am Donnerstagvormittag an, dass die Kugel, die beim Schuss wieder ausgetreten war, lebenswichtige Organe knapp verfehlte und dass der Ex-Premier offenbar mit den Narben davonkommen werde. Nastase werde psychiatrisch betreut.

Nastases Anwalt Ion Cazacu kündigte an, einen Antrag auf Unterbrechung beziehungsweise Verschiebung der zweijährigen Haftstrafe ohne Bewährung aus gesundheitlichen Gründen stellen zu wollen. Einem derartigen Antrag kann laut Gesetz ein einziges Mal stattgegeben werden, dies ermöglicht eine Verschiebung um maximal drei Monate. Zudem beabsichtigen die Anwälte, Nastases Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu bringen.

Wegen illegaler Parteienfinanzierung verurteilt
Das oberste Gericht in Bukarest hatte Nastase wegen illegaler Parteienfinanzierung verurteilt. Dem nach sechsstündiger Beratung einstimmig gefällten Urteil zufolge hatte Nastase im Jahr 2004 1,6 Millionen Euro illegale Finanzierung für seine Präsidentschaftswahlkampagne eingetrieben und die Aktion mithilfe des Bauinspektorats, dessen damalige Direktorin er bezüglich der Beibehaltung ihres Postens erpresste, als Seminar mit dem Titel "Qualitätsprämien im Bauwesen" getarnt. Die von den Baufirmen eingezahlten Kursgebühren wurden über Umwege einer Firma zugespielt, die für Nastases Wahlkampf Werbeprodukte herstellte.

In einem weiteren Korruptionsprozess, dem sogenannten Fall "Tante Tamara", konnte Nastase 400.000 US-Dollar, die er als Erbschaft seiner Frau von deren Tante, Tamara Cernasov, ausgab, nicht ausreichend rechtfertigen, wurde aber im Dezember 2011 wegen mangelnder Beweise freigesprochen. Ende März 2012 wurde Nastase zudem im Fall "Zambaccian" der Bestechung freigesprochen, jedoch wegen Erpressung verurteilt, wobei das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.

Außenminister, Premier, Präsidentschaftskandidat
Am Freitag wird Nastase 62 Jahre alt. Er hatte sich gleich nach der Wende im Jahr 1990 politisch betätigt und gehört zu den bekanntesten politischen Persönlichkeiten Rumäniens. Der studierte Jurist war zwischen 2000 und 2004 Ministerpräsident, davor zwischen 1990 und 1992 Außenminister. Unter anderem wird sein Name immer wieder mit dem Verkauf der staatlichen Erdölgesellschaft Petrom an die österreichische OMV in Zusammenhang gebracht. Der Kaufpreis von 1,5 Milliarden Euro für 51 Prozent des Konzerns wurde in Rumänien als viel zu gering empfunden und bewirkte somit auch in diesem Zusammenhang Korruptionsvorwürfe gegen Nastase.

Zwischen 1993 und 1997, und erneut zwischen 2000 und 2005, leitete er zudem die damalige Partei der Sozialdemokratie (PDSR), aus der die heutige PSD hervorging. Bei der Präsidentschaftswahl 2004 unterlag er dem jetzigen Staatschef Traian Basescu. Immer wieder behauptete Nastase, dass die Verfahren gegen ihn auf politische Manöver Basescus zurückgehen.

Infolge der Korruptionsvorwürfe musste er 2006 als Präsident der Abgeordnetenkammer im rumänischen Parlament zurücktreten. Innerhalb der PSD gilt er jedoch nach wie vor neben dem Ehrenvorsitzenden und langjährigen Staatspräsidenten Ion Iliescu als graue Eminenz, die im Hintergrund die wichtigen Entscheidungen trifft, die Premier Ponta, der als sein Zögling gilt, anschließend umsetzt.

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