Umarow-"Beichte"

Rebellen-Chef bekennt sich zu Moskau-Anschlag

Ausland
08.02.2011 07:31
Der tschetschenische Rebellen-Chef Doku Umarow hat sich zu dem Selbstmordanschlag auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo Ende Jänner bekannt. Der selbst ernannte "Kalif des Kaukasus" sagte in einer am Montagabend im Internet veröffentlichten Videobotschaft, er habe den Befehl zu dem Attentat gegeben, bei dem 36 Menschen starben. Der 46-jährige Umarow kündigte zugleich weitere Angriffe an und drohte, 2011 werde ein Jahr von "Blut und Tränen" sein. Ziel sei ein islamischer Gottesstaat in den russischen Kaukasus-Gebieten.

Russlands Staatsfeind Nummer eins und Chef der islamistischen Gruppe Kaukasus-Emirat bezeichnete auf der Website kavkazcenter.com die Bluttat von Moskau als Vergeltung für die "russischen Verbrechen im Kaukasus". Die Muslime im Kaukasus befänden sich "im Krieg gegen die russische Besatzungsarmee", erklärte Umarow, der in Tarnjacke, mit dunkler Mütze und langem Bart zu sehen ist. Es stünden "Hunderte Brüder" für weitere Anschläge bereit. "Ich möchte, dass Moskau seine Meinung ändert und aus dem Kaukasus abzieht." Umarow warf Russland, Israel, den USA "sowie zahlreichen anderen Staaten" eine Verschwörung gegen den Islam vor.

Moskau: "Banditen werden neutralisiert"
Ein Vertreter der russischen Sicherheitsbehörden sagte, Umarows Bekenntnis zu dem Attentat sei erwartet worden. Die "Banditen", wie die Untergrundkämpfer offiziell genannt werden, würden "neutralisiert". Ministerpräsident Wladimir Putin hatte bereits zuvor gefordert, Umarow zu töten.

Schon in einer ersten Videobotschaft, die am Sonntag auf derselben Internetseite veröffentlicht worden war, hatte Umarow gesagt, dass radikale Untergrundkämpfer aus dem Nordkaukasus "einen Bruder" zu einer "speziellen Operation" nach Moskau geschickt hätten. Dabei hatte er den Flughafen Domodedowo aber nicht ausdrücklich erwähnt.

In dem nunmehrigen 16-minütigen Clip erklärte der Rebellen-Chef, die Untergrundkämpfer würden der "chauvinistischen" Putin-Regierung beweisen, dass sie jederzeit und überall Anschläge verüben könnten. Nach den neuen Drohungen des 46-Jährigen fürchtet Russland nun auch Attentate während der Präsidentenwahl 2012 oder der Olympischen Winterspiele 2014 im Schwarzmeerort Sotschi nahe der Konfliktregion Nordkaukasus.

Auch zwei Österreicher unter den Opfern
Bei dem Selbstmordattentat am 24. Jänner in der Ankunftshalle des internationalen Flughafens Domodedowo waren 36 Menschen - darunter zwei österreichische Staatsbürger - getötet und mehr als 150 Personen verletzt worden.

Die Explosionen, deren Wucht der Detonation von fünf bis zehn Kilogramm TNT entsprach, ereigneten sich um 16.32 Uhr (14.32 Uhr MEZ) in der Ankunftshalle des internationalen Terminals. Dabei hat es sich um zwei Sprengsätze gehandelt, die mit Metallstücken gefüllt waren.

Nach dem Angriff galten kaukasische Rebellen als die Hauptverdächtigen, bekannt hatte sich jedoch zunächst niemand zu der Tat. Ende Jänner gaben die Ermittler dann an, bei dem Attentäter handle es sich um einen 20-Jährigen aus dem Nordkaukasus. Dieser habe so viele Ausländer wie möglich töten wollen. Es sei kein Zufall gewesen, dass er sich in der Ankunftshalle für internationale Flüge in die Luft gesprengt habe.

Medwedew: "Hintermänner verfolgen und bestrafen"
Der russische Präsident Dmitri Medwedew hat nach dem Anschlag geschworen, die Hintermänner zu "verfolgen" und zu "bestrafen". Zugleich kritisierte er, dass offenbar zu laxe Sicherheitsvorkehrungen zu dem Anschlag geführt hätten. Nach Medienberichten soll der russische Inlandsgeheimdienst FSB schon mehr als einer Woche vor den Blutbad über Anschlagspläne informiert gewesen sein. Medwedew entließ auch mehrere FSB-Mitarbeiter wegen Fehleinschätzungen und Versäumnissen beim Schutz des Flughafens. Sollte die Untersuchung der Vorgänge weitere Schuldige entlarven, würden auch diese "bestraft". Wie die Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta" am Dienstag berichtete, muss sich künftig jeder am Eingang eines russischen Airports ausweisen.

Das Attentat war der dritte Anschlag mit vielen Toten auf das russische Verkehrsnetz in etwas mehr als einem Jahr: Bei einem Doppelanschlag zweier Selbstmordattentäterinnen im März 2010 wurden 39 Menschen in der Moskauer Metro getötet, mehr als 60 weitere wurden verletzt. Auch für diese Tragödie wird Umarow vwerantwortlich gemacht. Im Dezember 2009 waren bei einer Attacke auf einen Hochgeschwindigkeitszug zwischen Moskau und St. Petersburg 26 Menschen ums Leben gekommen. Damals übernahmen ebenso tschetschenische Rebellen die Verantwortung für die Tat.

Der Heilige Krieg des "Kalifen vom Kaukasus"
Seit Jahren versuchen Extremisten in den russischen Teilrepubliken im Kaukasus, die Kontrolle über die Vielvölker-Region an sich zu reißen: In Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan liefern sich die in verschiedene Gruppierungen zersplitterten Rebellen schwere Kämpfe mit russischen Sicherheitskräften. Ungeachtet aller martialischen Ankündigungen scheitert die Kremlführung seit Jahren daran, Ruhe in die Region zu bringen: ein Teufelskreis von Gewalt, Gegengewalt und noch mehr Gewalt. Vor allem die Zivilbevölkerung leidet unter Terror und Polizeigewalt.

Der international zur Fahndung ausgeschriebene Doku Umarow will in der Region ein militantes "Kalifat Kaukasus" errichten und dort die Scharia einführen. Die "blutrünstigen russischen Besatzer" will er ein für alle Mal aus der bergigen Vielvölkerregion vertreiben. "Wir werden den Kaukasus nie hergeben!", schrieb der 46-jährige "Kalif" im vergangenen Jahr nach dem Blutbad in der Moskauer Metro. Viele Anhänger Umarows, die vor allem Premier Putin und seine "Kettenhunde" im Visier haben, jubelten nach dem Anschlag – und dankten Allah.

Russland wegen brutaler Vorgehensweise in der Kritik
Die Rollen von Gut und Böse sind in diesem Konflikt im Nordkaukasus je nach Sichtweise unterschiedlich verteilt. Menschenrechtskämpfer kritisieren seit Jahren die blutige Politik des Kreml im Nordkaukasus. Sie berichten von Entführungen, Folter und sogar Mord auch an unschuldigen Zivilisten, die bei sogenannten Anti-Terror-Aktionen Opfer staatlicher Willkür und militärischer Gewalt werden. Die Leichen berüchtigter Terroristen würden die russischen Medien jeweils wie Siegestrophäen präsentieren.

Die Endloskriege im Nordkaukasus sind das Erbe der russischen Kolonialpolitik des 19. Jahrhunderts. Allerdings fand dort niemals eine Entkolonialisierung statt. Heute ist der Kaukasus das vernachlässigte Armenhaus Russlands.

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