Kriegserinnerungen

Putin: “Eltern hatten keinen Hass auf Deutsche”

Ausland
03.05.2015 07:53
Wenige Tage vor dem 9. Mai, dem "Tag des Sieges", hat Wladimir Putin im Magazin "Russki Pioner" einen persönlichen Essay veröffentlicht, in dem er sich mit der Bedeutung des "Großen Vaterländischen Kriegs", wie die Russen den Zweiten Weltkrieg bezeichnen, für seine Familie beschäftigt. Er beschreibt nahezu tödliche Konfrontationen seines Vaters mit deutschen Soldaten, aber auch eine versöhnliche Haltung seiner Eltern, die angeblich "keinen Hass auf den Feind verspürt" hätten. Putin gibt zu, diese Haltung nicht völlig verstehen zu können.

"Meine Mama war ein sanfter, guter Mensch und sie sagte: Wie kann man diese deutschen Soldaten hassen? Sie sind einfache Menschen und starben auch im Krieg. Sie wurden einfach zwangsweise an die Front geschickt." Der 1952 geborene Putin habe dafür nur wenig Verständnis: "Wir wurden mit sowjetischen Büchern und Filmen erzogen. Und wir hassten."

Ausführlich geht Putin auf die militärische Laufbahn seines Vaters Wladimir Spiridonowitsch Putin ein, der nur wenig über den Krieg sprach: Nach dem Grundwehrdienst bei der U-Boot-Flotte in Sewastopol, den er 1939 angetreten habe, sei sein Vater nach Hause zurückgekehrt, habe in einer Fabrik gearbeitet und mit seiner Mutter in Petrodworez gelebt. Obwohl sein Vater in der Fabrik vor einer Einberufung sicher war, habe er nach Kriegsbeginn im Sommer 1941 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei gestellt und sich gleichzeitig für die Front gemeldet.

Putins Vater überlebte nur mit Glück
Er sei einer kleinen Spezialeinheit des Sowjet-Geheimdienstes NKWD zugeteilt worden, schreibt Putin junior: "Er erzählte, dass dort 28 Menschen waren, sie wurden in das feindliche Hinterland geschickt, um Anschläge zu verüben, um Brücken und Schienen zu sprengen. Jedoch gerieten sie alsbald in einen Hinterhalt. Jemand hatte sie verraten." 24 von 28 Angehörigen der Spezialeinheit, die von einem Sowjet-Deutschen angeführt worden sei, seien dabei zu Tode gekommen. Sein Vater habe nur deshalb überlebt, weil er sich in einem Sumpf versteckte und stundenlang durch einen Strohhalm atmete. "Er hörte dabei, wie deutsche Soldaten an ihm vorbeigingen, nur wenige Schritte entfernt, und wie Hunde kläfften."

Anschließend sei der Vater im Rahmen der regulären Armee an eine heiß umkämpfte Position außerhalb des damaligen Leningrad (das heutige St. Petersburg) verlegt worden. Bereits kurze Zeit später sei er dann schwer verletzt worden - auf der anderen Seite der Front sei er von einem deutschen Soldaten mit Granaten beworfen worden. "Er hat das ganze Leben mit Splittern im Bein gelebt, nicht alle sind entfernt worden. Und das Bein schmerzte."

Mutter wäre beinahe verhungert
Der russische Präsident referiert aber auch weitere tragische Familiengeschichten: Fünf von sechs Brüdern seines Vaters hätten den Krieg nicht überlebt. Aber auch ein älterer Bruder von ihm selbst sei während der Blockade von Leningrad als Kleinkind an Diphtherie verstorben, seine verhungernde Mutter gar nahezu als Leiche abtransportiert worden. "Ich war ein sehr spätes Kind, sie brachte mich mit 41 Jahren zur Welt", schreibt der Präsident, dessen Eltern schließlich betagt in den späten 90er-Jahren verstarben.

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