Polit-Krimi um Film

Obama über Kino-Absage verärgert: “War ein Fehler”

Ausland
19.12.2014 23:01
Die Hackerattacke gegen den Filmkonzern Sony und Terrordrohungen gegen US-Kinos wegen "The Interview", einer Satire über zwei US-Journalisten, die den Auftrag bekommen, Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un zu töten, sind in den USA endgültig zum Polit-Krimi geworden: Präsident Barack Obama kritisierte Sony am Freitag für die Rücknahme des Films. "Ich denke, sie haben einen Fehler gemacht", sagte Obama. Zuvor hatte die US-Bundespolizei FBI das Regime in Pjöngjang direkt für den Angriff verantwortlich gemacht.

Die Komödie "The Interview" über fiktive Pläne zur Ermordung des nordkoreanischen Machthabers hätte eigentlich am 25. Dezember in die US-Kinos kommen sollen. Nach einem Hackerangriff auf Sony, bei dem geheime Firmenunterlagen sowie unveröffentlichte Filme erbeutet worden waren, und Drohungen der Hacker gegen Kinobetreiber und -besucher stoppte Sony die Veröffentlichung allerdings - und schuf damit einen Präzendenzfall.

"Das ist nicht, wofür Amerika steht"
"Irgendein Diktator an irgendeinem Ort" dürfe nicht in den Vereinigten Staaten eine Zensur durchsetzen können, bezog Präsident Obama am Freitag bei einer Pressekonferenz in Washington eine klare Position in der Causa. Er erklärte, er habe zwar Verständnis, dass Sony sich als Privatunternehmen vor wirtschaftlichem Schaden gefürchtet habe - aber er hätte sich gewünscht, dass die Verantwortlichen des Filmkonzerns vor der Entscheidung mit ihm gesprochen hätten. "Ich hätte ihnen gesagt, nicht in ein Muster zu verfallen, in dem man sich von Cyberangriffen einschüchtern lässt", so das US-Staatsoberhaupt. Es bestehe die Gefahr, dass Produzenten künftig Selbstzensur übten. "Das ist nicht, wer wir sind. Das ist nicht, wofür Amerika steht."

Sony weist Obamas Kritik zurück: "Nicht eingeknickt"
Sony wies die Obamas Kritik umgehend zurück. "Wir sind nicht eingeknickt", sagte der Chef von Sony Pictures, Michael Lynton, dem Sender CNN. "Der Präsident, die Presse und die Öffentlichkeit irren sich, was den tatsächlichen Ablauf angeht." Sony kontrolliere nicht die Kinos und könne nicht darüber entscheiden, welche Filme gezeigt würden. Obamas Bemerkungen seien enttäuschend, sagte Lynton. Er sei sich nicht sicher, ob der Präsident wirklich verstehe, was zu der Absage geführt habe. "Daher widerspreche ich der Darstellung, dass sie ein Fehler war."

Das FBI hatte die Regierung in Pjöngjang kurz vor Obamas Pressekonferenz offiziell für den Angriff verantwortlich gemacht.Mit der "Einschüchterung" bewege sich Nordkorea "außerhalb der Grenzen des akzeptablen Verhaltens von Staaten", teilte die Bundesbehörde mit.

Ermittler fanden Verbindungen zu nordkoreanischen Hackern
Dem FBI zufolge seien bei dem Datendiebstahl Programme eingesetzt worden, wie sie auch im März 2013 von nordkoreanischen Angreifern bei Cyberattacken auf südkoreanische Banken und Medien verwendet worden seien. Die Ermittler hätten zudem Verbindungen zu Computerschädlingen gefunden, die von nordkoreanischen Hackern entwickelt wurden.

Obama ergänzte, die USA hätten keine Hinweise darauf, dass Nordkorea bei der Attacke mit einem anderen Land zusammengearbeitet habe. Der Präsident kündigte eine "angemessene Reaktion" seiner Regierung an. Diese werde zu gegebener Zeit erfolgen. Derzeit lasse er eine "Reihe von Optionen" ausarbeiten.

Nordkorea verneint Beteiligung
Die Staatsführung in Pjöngjang weist die Verantwortung für die Attacke vehement zurück. Nach Aussage von Flüchtlingen und Experten unterhält sie aber ein Heer von Hackern, die sich mit Cyberangriffen beschäftigen. Überläufer aus dem kommunistischen Land erklärten, der Sony-Angriff könnte ein Probelauf für Attacken auf Telekom- und Stromnetze anderer Staaten gewesen sein. Ziel sei letztlich, Südkorea und die USA zu treffen.

Clooney: "Das ist einfach nur wahnwitzig"
Sonys Entscheidung, den Kinostart von "The Interview" abzublasen, stieß unterdessen auch bei Hollywood-Schauspielern auf scharfe Kritik. Der Film sei eine "dumme" und "alberne Komödie", sagte Hollywood-Star George Clooney dem Branchenportal "Deadline". "Aber die Wahrheit ist, dass das, was jetzt daraus geworden ist, eine ganze Menge über uns alle aussagt. Wir haben die Pflicht, uns dagegen zu wehren", so Clooney. "Irgendwie haben wir es zugelassen, dass Nordkorea Inhalte von Filmen diktieren kann, und das ist einfach nur wahnwitzig."

Auch zahlreiche andere Künstler kritisieren Sony Pictures scharf. Eine "atemberaubende Offenbarung von Feigheit" nannte der "Game of Thrones"-Autor George R.R. Martin die Entscheidung. Die Absage des Kinostarts sei eine Drohung gegen alle Künstler auf der Welt, sagte der Bestseller-Autor Paulo Coelho ("Der Alchimist") dem Nachrichtenportal UOL. "Sony hat einen furchtbaren Präzedenzfall geschaffen." Coelho erklärte sich bereit, den Film gratis in seinem Blog zu veröffentlichen, und bot Sony Pictures 100.000 Dollar (rund 81.000 Euro) für die Rechte an. "Sie bekommen 0,01 Prozent des Budgets zurück, und ich kann 'Nein' zu Terrordrohungen sagen."

Die komplette Absage eines Hollywood-Films nach Terrordrohungen - so etwas gab es jedenfalls noch nie. Doch zugleich erinnert der Fall an ähnliche Vorkommnisse, die für große Aufregung sorgten - den Skandal um die "Satanischen Verse" des indisch-britischen Autors Salman Rushdie beispielsweise, die der Iran als islamkritisch ansieht und den Schriftsteller deswegen bis heute mit Todesurteil verfolgt.

Oder die in einer dänischen Tageszeitung abgedruckten Mohammed-Karikaturen, die zu gewaltvollen Protesten muslimischer Organisationen führten. Oder die Kontroverse um das Bild "The Holy Virgin Mary", das eine teilweise mit Elefantendung gemalte Mutter Gottes zeigt und Politiker in New York 1999 so sehr aufregte, dass sie dem ausstellenden Brooklyn Museum alle Gelder streichen wollten.

Wie weit darf Kunst gehen?
Bei all diesen Kontroversen geht es immer um die Frage: Wie weit darf Kunst gehen? Und: Wann ist es noch Kunst oder Satire und wann verletzt es auf unverhältnismäßige Art und Weise die Gefühle anderer Menschen? Die Kunstfreiheit ist beispielsweise in Deutschland und den USA vom Gesetz geschützt, ist ein Grundrecht - und trotzdem gibt es immer wieder erbitterte Gerichtsprozesse darum.

Und das sei auch in diesem Fall das Problem, sagt der Anwalt Andrew Stoltman aus Chicago der "USA Today": "Sony hätte eine wahnsinnige Verpflichtung und einen Tsunami an Klagen gehabt, wenn etwas in einem Kino passiert wäre. Natürlich ist die Kunstfreiheit wichtig, aber hier geht es um Dollars und Cents, und wenn ich der Chef der Rechtsabteilung von Sony bin, ist das eine einfache Entscheidung."

"Haben unsere Freiheit verloren, offen zu sprechen"
Für die Kunstfreiheit sei die Entscheidung trotzdem der Anfang vom Ende, sagte die Gründerin des American Center for Democracy, Rachel Ehrenfeld, der "USA Today". "Wir haben unseren ersten Cyber-Krieg verloren und viel mehr. Wir haben unsere Freiheit und unser Recht, offen zu sprechen, verloren. Jeder Schriftsteller und Künstler ist jetzt in Gefahr."

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