Lobby-Wächter:

Nach wie vor keine Transparenz-Regeln in der EU

Ausland
15.04.2014 16:24
Die vergangenen fünf Jahre in Brüssel waren nicht gerade arm an Skandalen, bei denen Geldflüsse an EU-Politiker im Mittelpunkt standen. Traurige Höhepunkte bildeten dabei die "Cash-for-Law"-Affäre um den damaligen ÖVP-Politiker Ernst Strasser sowie die Anschuldigungen, die zum Rücktritt von EU-Kommissar John Dalli führten. Doch trotz der Skandale wird nach Ansicht von Lobby-Wächtern weiterhin längst nicht genug getan, um solche Fälle zu verhindern.

Die "Cash-for-Law"-Affäre ging auf eine Investigativ-Recherche von Reportern der britischen Zeitung "Sunday Times" zurück, die unter falscher Identität EU-Parlamentariern Geld für das Einbringen von Gesetzesvorschlägen anboten. Im Zuge der Affäre wurde Strasser wegen Bestechlichkeit verurteilt, der Fall löste nicht nur in Österreich eine heftige Debatte über Korruption bei politischen Vorgängen im EU-Parlament aus.

Noch brisanter war die bis heute nicht aufgeklärte Dalli-Affäre: Der maltesische EU-Gesundheitskommissar war durch eine Untersuchung der EU-Antibetrugsbehörde Olaf ins Zwielicht geraten. Die Fahnder vermuteten, Dalli habe von Geldforderungen eines Freundes an die Tabakindustrie gewusst, dies jedoch verheimlicht. Die Strafverfolgungsbehörden seines Heimatlandes Malta stellten die Ermittlungen gegen Dalli jedoch später ein.

EU-Lobbying "klar anfällig für Korruptionsrisiken"
Professionelle Interessensvertreter betonen allerdings, dass Affären wie jene um Strasser und Dalli nichts mit seriösem Lobbying zu tun haben. Das will die Brüsseler Dependance der NGO Transparency International so jedoch nicht stehen lassen. Die Fälle würden vielmehr zeigen, dass sich EU-Lobbying "klar anfällig für Korruptionsrisiken" zeige, sagte Sprecher Mark Perera am Dienstag in der belgischen Hauptstadt. Zugleich gebe es in der EU weiterhin keine verpflichtenden Regeln für das Verhalten von Interessensvertretern.

Zehntausende Lobbyisten in Brüssel unterwegs
Das Geschäft mit der Politik ist nach Ansicht von Lobbyismus-Experten riesig. Für große Firmen sind rasche Informationen über neue Gesetze, die sie betreffen, bares Geld wert. Auch liefern Branchenvertreter, Lobbyisten und Think Tanks - teils auf Aufforderung - der EU-Kommission und dem Parlament die Ansichten der Wirtschaft zu allen sie betreffenden Themen. Nach Schätzungen könnten in Brüssel mehr als 30.000 Lobbyisten unterwegs sein, die Millionensummen an Honoraren nehmen - genaue Zahlen sind freilich nicht bekannt.

Auch wer eigentlich ein Lobbyist ist, ist umstritten. Seit 2008 können sich Interessensvertreter in Brüssel und Straßburg freiwillig in das Transparenzregister der EU eintragen. Während das Vertreter einiger großer Unternehmen auch tatsächlich machen, wird dies von Mitarbeitern von Think Tanks und großen Anwaltsfirmen, von denen zahlreiche auf Konzernrechnung die Politik zu beeinflussen suchen, konsequent verweigert.

EU-Politiker weiter nicht zur Auskunft verpflichtet
Und, so Perera, EU-Politiker selbst müssten überhaupt keine Auskunft geben, welchen Einfluss bezahlte Interessensvertreter auf die Gesetzgebung nähmen: "Für EU-Abgeordnete gibt es keine Regeln, die sie verpflichten, Informationen darüber zu geben, wenn sie Lobbyisten treffen, oder welche Art von Vorschlägen sie für das Schreiben von Gesetzen erhalten."

Das wird vor allem dann zum Problem, wenn neue Entwürfe für EU-Rechtstexte auftauchen, von denen schwer zu sagen ist, von wem sie eigentlich stammen - und wer eigentlich davon profitiert. Abgeordnete sollten deshalb verpflichtend jeden Vorschlag und jede Anregung, die von Lobbyisten stammen, aufzeichnen und in standardisierter Weise öffentlich einsehbar machen müssen, forderte Transparency.

Finanzierung von Wahlkämpfen und "Drehtür-Effekt"
Probleme sehen die Lobby-Wächter auch bei der Finanzierung von Wahlkämpfen und dem "Drehtür-Effekt". Politische Kampagnen für die Europawahlen unterlägen keinem einheitlichen Regelwerk, sondern jeder der 28 EU-Staaten habe dazu seine eigenen Gesetze, bemängelte Perera. Damit sind auch Wahlspenden von Land zu Land unterschiedlich geregelt - Großspender können damit europaweit tätige politische Bewegungen immer dort fördern, wo die Gesetze am laxesten sind.

Der "Drehtür-Effekt" weist auf die heiklen personellen Verbindungen zwischen Politik und Lobbying hin. Denn so mancher Politiker oder Beamte verlässt seinen Posten in den EU-Institutionen, nur um mit eben dieser Umdrehung als hoch bezahlter Lobbyist zurückzukehren und sein Fachwissen und seine Kontakte für politische Einflussnahme zu nützen. Lobby-Wächter fordern darum seit Langem, eine "Abkühlungsphase" vorzuschreiben, in der aus der EU ausgeschiedene Amtsträger keinen neuen Job im Lobbying-Geschäft annehmen dürfen. Doch die EU-Kommission sperrt sich bisher dagegen.

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