Berechnungstricks

Mythos Sparbudget: EU gibt in Zukunft real mehr aus

Wirtschaft
09.02.2013 21:07
Die Polit-Strategen Europas verkaufen den EU-Finanzgipfel als großen Erfolg. Vor allem in Berlin und London bemüht man sich, den Spargedanken in den Vordergrund zu stellen. Ein genauerer Blick auf die Einigung der Staats- und Regierungschefs bringt jedoch anderes zum Vorschein: So wurde etwa mit Inflationstricks ein "Spar-Haushalt" konstruiert, der eigentlich keiner ist. Real steigen die Ausgaben der Union bis 2020 nämlich deutlich.

In den nördlichen EU-Staaten kommt die Sprachregelung vom Sparen gut an. Schließlich sind konsolidierte Haushalte in klammen Budget-Zeiten das Gebot der Stunde. Dass das neue EU-Budget erstmals unter dem Finanzrahmen seines Vorgängers liege, wie Ratspräsident Herman Van Rompuy am Freitag verkündete (siehe Infobox), soll die kritischen Geberländer bei Laune halten. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einer dreiprozentigen Einsparung.

Tatsächlich liegt das Volumen mit 960 Milliarden Euro unter den 994 Milliarden, die die EU für die Finanzperiode 2007 bis 2013 veranschlagt hatte. Real werden die EU-Ausgaben bis 2020 jedoch nicht sinken, sondern steigen. Ein Grund dafür ist ein eigenwilliger Zugang zum Thema Inflationsausgleich: Im Gegensatz etwa zum deutschen Bundeshaushalt kennt das EU-Budget eine Anpassung, festgesetzt wird diese jedoch auf der Basis 2011.

Inflation: Jährlich 19 Milliarden mehr Ausgaben
Die am Freitag verkündete Summe von 960 Milliarden erhöht sich auf dieser Grundlage jährlich um 19,2 Milliarden Euro. Addiert man diese Summe sieben Mal für die Jahre 2014 bis 2020, steigt das Volumen auf fast 1,1 Billionen Euro. Die deutsche Kanzlerin ging sogar einen Schritt weiter und betonte, dass der Inflationszuschlag schon jetzt gelte: "Das heißt, wenn wir 2014 beginnen, sind die Zahlen schon um sechs Prozent angewachsen", sagte Merkel zum Abschluss des Gipfels in Brüssel. Damit würde man bereits im kommenden Jahr bei einem Gesamtvolumen von mehr als einer Billion stehen.

Auch Van Rompuys Darstellung, dass für die ablaufende Finanzperiode rund 994 Milliarden Euro zur Verfügung gestanden seien, ist irreführend. Grundlage ist ebenfalls der Stand 2011 – Inflationszuschlag eingerechnet. Transparenter ist eine Gegenüberstellung ohne Anpassungen, die ja auch in den künftig geltenden 960 Milliarden nicht berücksichtigt wurden. Diese Rechnung ergibt eine Summe von 865 Milliarden, auf die sich die EU-Staaten 2006 laut deutschen Regierungskreisen auch geeinigt hatten. Dieser Vergleich ergibt eine deutliche Steigerung der EU-Ausgaben um immerhin fast 100 Milliarden.

Zahlenspiele machen alle zu Gewinnern
Dazu kommt, dass ab 2014 die Kluft zwischen der Obergrenze – je nach Berechnung also 960 Milliarden bis 1,1 Billionen Euro – und den tatsächlichen Ausgaben kleiner werden soll. Bisher blieben jährlich einige Milliarden aus dem EU-Haushalt ungenutzt, besonders zu Beginn einer Finanzperiode. Dieses Geld wurde am Jahresende an die Nationalstaaten zurücküberwiesen. Nun soll sichergestellt werden, dass diese Mittel im EU-Budget bleiben und in den Etat des kommenden Jahres übertragen werden.

Auch eine Umschichtung für andere Ausgaben ist nun möglich – Flexibilität ist das Zauberwort. Politisch sind diese Zahlenspiele praktisch. Dadurch gibt es in den EU-Verhandlungen fast nur Gewinner: Die Geberländer können den Sparwillen in den Vordergrund stellen, ohne dass die Nehmerländer zwangsläufig weniger Geld haben.

Zustimmung durch EU-Parlament unsicher
Scharfe Kritik am Haushaltsentwurf kam bereits am Freitag insbesondere vom EU-Parlament, das das Budget noch absegnen muss. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft werde dadurch nicht gestärkt, erklärten die Vorsitzenden der vier größten Fraktionen – Christdemokraten, Sozialisten, Liberale und Grüne – gemeinsam.

Besonders die Kluft zwischen den 960 Milliarden Euro an Verpflichtungen und den tatsächlich vorgesehenen Zahlungen von 908 Milliarden sind den Parlamentariern ein Dorn im Auge. In Wahrheit sei am Freitag ein Defizit beschlossen worden, erklärte Parlamentspräsident Martin Schulz, und das sei verboten. Mit der nun angepeilten höheren Flexibilität beim Einsatz nicht verwendeter Mittel war der Gipfel den Vorstellungen des Europaparlaments aber immerhin erstmals entgegengekommen.

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