Katastrophe geplant

Lubitz probte Absturz bei Hinflug nach Barcelona

Ausland
06.05.2015 15:19
Die Ermittlungen zur Germanwings-Katastrophe in den französischen Alpen mit 150 Toten haben jetzt weitere Beweise für die Absturzabsicht des Co-Piloten geliefert. Demnach hat Andreas Lubitz den Sinkflug bereits auf dem Hinflug von Düsseldorf nach Barcelona am selben Tag geprobt, wie aus einem Zwischenbericht der französischen Flugsicherheitsbehörde BEA hervorgeht. Auch zur Krankheitsgeschichte des Co-Piloten enthält der Bericht neue Details.

Die Absturzabsicht des Co-Piloten geht aus den Untersuchungen der Datenschreiber hervor, die am Mittwoch in einem offiziellen BEA-Zwischenbericht veröffentlicht wurden. Laut Angaben der Ermittler hat Lubitz den Autopiloten bereits auf dem Hinflug nach Barcelona mehrfach auf eine zu niedrige Flughöhe eingestellt. Dies sei während eines angeordneten Sinkflugs geschehen, heißt es in dem Bericht der Behörde, in dem von einem "minutenlangen kontrollierten flugtechnisch unbegründeten Sinkflug" die Rede ist.

Protokoll belegt Absturzprobe beim Hinflug nach Barcelona
Dem Zwischenbericht zufolge, in dem die Aufzeichnungen des Flugdatenschreibers und des Voice Recorders minutiös protokolliert werden, ließ Lubitz um 7.20 Uhr und 50 Sekunden die Maschine in den Sinkflug gehen und gab die zu erreichende Flughöhe mit 100 Fuß (etwa 30 Meter) an. Kurz davor hatte Kapitän Patrick S., der auch beim Rückflug nach Düsseldorf für die Maschine verantwortlich war und zu den 150 Todesopfern zählt, das Cockpit verlassen. Nur drei Sekunden später stellte Lubitz die neue Flughöhe auf den Maximalwert von 49.000 Fuß ein. 90 Sekunden später, um 7.22 Uhr und 27 Sekunden, stellte er die Höhe wiederum auf 100 Fuß ein. Weitere 100 Sekunden später kehrte der Pilot ins Cockpit zurück, das Flugzeug stabilisierte sich bei 25.000 Fuß.

"Er hat diesen Handgriff wiederholt", sagte BEA-Direktor Remi Jouty in Bezug auf die wiederholte Korrektur der Flughöhe durch Lubitz auf gut 30 Meter. Dies sei während eines ohnehin von der Flugsicherung vorgegebenen Sinkflugs geschehen, sodass für Lotsen und Crew keine ungewöhnlichen Flugbewegungen zu beobachten gewesen seien, so Jouty. Es ist demnach nicht auszuschließen, dass Lubitz den Absturz auf dem Hinflug nicht nur proben, sondern sogar verwirklichen wollte.

Das Protokoll aus dem Cockpit beim Hinflug im Detail:

  • 7.19.59 Uhr: Geräusche werden aufgezeichnet, die dem Klang des Öffnens und dann jenem des Schließen der Cockpittür ähnlich sind - und dem Zeitpunkt entsprechen, als der Kapitän das Cockpit verlässt. Zu dieser Zeit ist das Flugzeug in Reisefluggeschwindigkeit in Flugfläche 370 (37.000 Fuß) - in der Kommunikation mit der Flugsicherung werden zwei Typen der Flughöhe verwendet: unterer Luftraum = tatsächliche Flughöhe, oberer Luftraum = Flugfläche.
  • 7.20.29 Uhr: Der Flug wird an das Kontrollzentrum Bordeaux übergeben. Die Besatzung wird aufgefordert, auf die Flugfläche 350 (35.000 Fuß) zu sinken. Die Anweisung wird vom Co-Piloten zurückgelesen.
  • 7.20.32 Uhr: Das Flugzeug geht in den Sinkflug auf Flugfläche 350 über, der einige Sekunden zuvor eingestellt worden war.
  • 7.20.50 Uhr: Die eingestellte Höhe reduziert sich für drei Sekunden auf 100 Fuß, erhöht sich dann auf den Maximalwert von 49.000 Fuß und stabilisiert sich dann wieder bei 35.000 Fuß.
  • 7.21.10 Uhr: Das Kontrollzentrum in Bordeaux gibt der Besatzung die Anweisung, den Sinkflug auf Flugfläche 210 fortzusetzen.
  • 7.21.16 Uhr: Die eingestellte Höhe beträgt 21.000 Fuß.
  • 7.22.27 Uhr: Die eingestellte Höhe beträgt für die meiste Zeit 100 Fuß und verändert sich mehrfach, bis sie sich um 7.24.13 Uhr bei 25.000 Fuß stabilisiert.
  • 7.24.15 Uhr: Der Türsummer für den Zutritt zum Cockpit wird aufgezeichnet.
  • 7.24.29 Uhr: Ein Geräusch wie vom Entriegeln und Öffnen der Cockpittür wird aufgezeichnet. Das dürfte der Rückkehr des Kapitäns entsprechen.

"Es war eine unnötige und vor allem ungewöhnliche Handlung des Co-Piloten, die Höhe von 100 Fuß beim Sinkflug einzustellen. Wenn er den Befehl nicht wieder zurückgedreht hätte, wäre diese Anweisung vom Computer ausgeführt worden", erklärte der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg gegenüber der "Bild".

Flugschreiber bestätigen bewusste Handlung bei Absturz
Die Flugschreiber bestätigen aus Sicht der Behörde jedenfalls eine bewusste Handlung des Co-Piloten beim Absturz auf dem Rückflug. "Man kann daraus schließen, dass er handlungsfähig war und dass alle seine Handlungen den gleichen Sinn hatten, nämlich das Flugzeug auf den Boden stürzen zu lassen", sagte BEA-Direktor Jouty. Demnach bewegte Lubitz kurz vor dem Aufprall leicht das Steuer des Airbus - der Eingriff war jedoch nicht stark genug, um den Autopiloten außer Kraft zu setzen. Zuvor hatte der 27-Jährige den Autopiloten auf eine Flughöhe von gut 30 Meter eingestellt und mehrfach das Tempo erhöht.

Bislang hatten die Ermittler eine Affekthandlung aufgrund einer psychischen Ausnahmesituation auf dem Rückflug nicht ausgeschlossen. Nach bisherigen Erkenntnissen hat Lubitz den Airbus A320 der Lufthansa-Tochter Germanwings am 24. März absichtlich gegen eine Felswand geflogen. Alle 150 Insassen der Maschine wurden dabei getötet.

Der Co-Pilot hatte in den vergangenen Jahren an Depressionen gelitten. Die deutschen Ermittler fanden nach dem Absturz der Maschine Hinweise auf Selbstmordpläne. Lubitz hatte sich demnach im Internet über Möglichkeiten der Selbsttötung informiert. Außerdem hatte er gezielt nach Sicherheitsmechanismen von Cockpittüren gesucht. Am Tag der Katastrophe war der Mann krankgeschrieben, was er aber verheimlichte.

Lubitz' Pilotenlizenz enthielt Hinweise auf Vorgeschichte
Der am Mittwoch von der französischen Flugsicherheitsbehörde veröffentlichte Zwischenbericht enthält auch zur Krankheitsgeschichte des Co-Piloten neue Details. So war in der Pilotenlizenz des 27-Jährigen ein Hinweis auf seine medizinische Vorgeschichte vermerkt ("SIC-Eintrag"). Sein Flugtauglichkeitszeugnis sei wegen Depressionen vom flugmedizinischen Zentrum der Lufthansa im April 2009 nicht verlängert worden, erst Ende Juli desselben Jahres wurde er demnach für tauglich erklärt. Dies zeige, dass der Fall des Mannes damals aufmerksamer untersucht worden sei, sagte Bea-Direktor Jouty. Das medizinische Problem sei bekannt gewesen. Es sei untersucht worden, und es sei eine Entscheidung getroffen worden.

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