"Concordia"-Unglück

Kauften sich Russen Plätze in den Rettungsbooten?

Ausland
23.01.2012 11:41
Rund um das Unglück der "Costa Concordia" sind am Montag erneut schwere Anschuldigungen bekannt geworden: Wie die italienische Zeitung "La Repubblica" meldete, besteht der Verdacht, dass Russen sich Plätze in den ersten Rettungsbooten, die Passagiere an Land gebracht haben, kauften. Hinweise darauf seien demnach von mehreren Inselbewohnern und Ersthelfern gekommen.

Mehrere Helfer von der Insel Giglio wunderten sich laut "La Repubblica", dass der Anteil an russischen Passagieren in den ersten Rettungsbooten extrem hoch war. Und dies, obwohl insgesamt nur rund 100 russischsprachige Passagiere unter den 4.200 Menschen an Bord gewesen seien.

"Rettungsboote voller Russen"
"Die ersten Rettungsboote waren voller Russen, einige mit Kindern, manche ohne", bestätigte etwa Franca Melis gegenüber der Zeitung. Besonders in Erinnerung seien ihr die Geretteten geblieben, weil sie ein etwas sonderbares Verhalten nach ihrer Ankunft auf der Insel an den Tag gelegt hätten. "Einige wollten gleich nach dem Erreichen der Insel auf den Leuchtturm hinaufklettern, um Erinnerungsfotos zu machen. Ich weiß nicht, ob sie nur aus Schock auf diese Idee kamen oder einfach den Ernst der Lage nicht richtig einschätzten."

Als die Helfer die Menschen dann vom Ausleben ihrer Sensationslust abhalten wollten, hätten einige "mit ihren Geldscheinen gewedelt". Daraufhin sei sie sehr sauer geworden, erklärte Melis, und habe einem der Russen gedroht: "Wenn du nicht sofort abhaust, dann rufe ich die Polizei."

Mysteriöse Moldawierin als Erste gerettet?
Aufgrund dieser Erzählungen vermutet die Zeitung, dass sich auch an Bord der "Costa Concordia" ähnliche Szenen abgespielt haben, wodurch der hohe Anteil an Russen auf den ersten Rettungsbooten erklärbar wäre.

Laut einem weiteren Inselbewohner sei auch Domnica Cemortan, jene mysteriöse 25-jährige Frau, die sich angeblich während des Unglücks neben Kapitän Francesco Schettino auf der Kommandobrücke befunden hatte, aus einem der ersten Rettungsboote gestiegen. Cemortan wiederum hatte zuletzt gegenüber einer moldawischen Zeitung gesagt: "Die Russen an Bord wurden als Erste gerettet."

Rettungsboot "not for passengers, for crew only!"
Weniger gute Erfahrungen mit der Rettungsaktion machten hingegen zwei deutsche Touristen. Matthias Hanke und Marcel Zuhn erklärten gegenüber "La Repubblica", dass sie, als sie bereits in einem der Boote Platz genommen hätten, von einem Mitarbeiter aufgefordert worden seien, die Barke sofort wieder zu verlassen. Die Begründung sei gewesen: "Not for passengers, for crew only!"

Mehrere blinde Passagiere an Bord?
Zudem vermuten die Behörden inzwischen, dass sich mehrere blinde Passagiere an Bord der "Costa Concordia" befunden haben. Zivilschutz-Einsatzleiter Franco Gabrielli erklärte, dass die am Sonntag entdeckte Leiche nicht in den offiziellen Listen eingetragen gewesen sei. Vier weitere Leichen konnten anhand der Passagierlisten bisher ebenfalls nicht identifiziert werden.

"Es könnten sich einige Personen an Bord befunden haben, über die es keine Aufzeichnungen gab, die also blinde Passagiere waren", erklärte Gabrielli. Dabei müsse es sich aber nicht unbedingt um einen illegalen Akt gehandelt haben. Laut seiner Sprecherin Francesca Maffini gäbe es aber immer noch die Möglichkeit, "dass Besatzungsmitglieder einen ihrer Freunde in letzter Minute an Bord geholt hätten" und deswegen die fraglichen Passagiere nicht auf den Listen zu finden seien.

Die Reederei Costa Crociere hingegen wies strikt zurück, dass es auch nur einen blinden Passagier an Bord gegeben habe. "Jede einzelne Person ist ordnungsgemäß registriert, egal ob sie ein Besatzungsmitglied oder ein Passagier ist. Es ist unmöglich, dass irgendjemand an Bord gehen kann, der sich nicht auf einer der Listen befindet."

Drogentest von Kapitän Schettino negativ
Indes wurde am Montag auch bekannt, dass Kapitän Schettino vor dem Unfall keine Drogen eingenommen hatte. Dies ergab der Drogentest, dem der 52-Jährige nach dem Unglück unterzogen wurde. "Wir hatten über das Ergebnis des Tests keine Zweifel", kommentierte Schettinos Rechtsanwalt Bruno Leporatti.

Rätsel gibt den Staatsanwälten derzeit der verschwundene Laptop des Kapitäns auf. Nach Angaben italienischer Medien habe Schettino das Notebook am Vormittag nach dem Unglück einer blonden Frau übergeben. Es könnte sich dabei um eine Rechtsanwältin der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere handeln, die Reederei bestreitet dies jedoch. Der Computer könnte für die Ermittlungen wichtige Informationen enthalten und werde nun gesucht, erklärten die Staatsanwälte.

Weitere Leichen entdeckt - bisher 15 Tote geborgen
Zudem wurden am Montag im Wrack des havarierten Kreuzfahrtschiffes zwei weitere Leichen von den Einsatzkräften gefunden. Dabei handelt es sich um zwei Frauen, die unweit des Internet-Points im Schiff entdeckt wurden. Die Zahl der Todesopfer ist damit auf 15 gestiegen, 19 Menschen werden weiterhin vermisst, teilte der Zivilschutz mit.

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